Was, wenn wir gerade live zusehen, wie ein Kipppunkt überschritten wird? 2025 könnte in die Geschichtsbücher eingehen – als eines der drei heißesten Jahre, seit wir Temperaturen messen. Das ist kein Titel, um den sich ein Jahr reißt. Und doch steht er nun im Raum.
November 2025 war global gesehen der drittwärmste, der je gemessen wurde. Und die globale Durchschnittstemperatur von Januar bis November liegt bei rund 1,48 °C über dem vorindustriellen Niveau. Damit nähert sich die Erde gefährlich dem symbolischen 1,5-Grad-Limit – jenem Grenzwert, der im Pariser Klimaabkommen zur Schicksalsmarke erklärt wurde.
Aber was heißt das eigentlich konkret – und wie reagieren wir darauf?
Wenn ein November Geschichte schreibt
Wer hätte gedacht, dass ein Monat, der meist mit grauem Himmel und Nieselregen verbunden ist, plötzlich weltweite Aufmerksamkeit erregt? Und doch ist es genau dieser November 2025, der mit seiner Rekordwärme Schlagzeilen macht.
Er reiht sich ein in eine Serie extremer Jahre: 2023 war schon verdächtig warm, 2024 toppte alles – und nun 2025, das in etwa gleichauf mit 2023 liegt. Nur der Dezember fehlt noch zur vollständigen Bilanz. Doch die Richtung ist klar.
Drei Jahre in Folge mit solch hohen Temperaturen – das ist kein Ausrutscher mehr. Es ist ein neuer klimatischer Alltag.
Statistik trifft Realität – und es brennt
Klar, Zahlen allein erzählen nur die halbe Geschichte. Aber wenn sie sich häufen, wenn sie lückenlos ein Muster ergeben, dann wird es ernst. Und dieses Muster ist beunruhigend: Es wird wärmer – und zwar schneller, als wir lange dachten.
Was dabei oft untergeht: Die 1,5 Grad sind kein Kippschalter, bei dem plötzlich alles kippt. Aber sie sind ein Marker. Ein Punkt auf dem Thermometer, an dem sich die Risiken deutlich erhöhen. Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen, schmelzende Gletscher – all das wird jenseits dieser Schwelle intensiver, häufiger, zerstörerischer.
Muss erst alles abbrennen, bevor wir wirklich umdenken?
Die Folgen sind längst da
Schauen wir nicht nur auf die Temperaturkurve, sondern auf das, was sie anrichtet. Weltweit häufen sich Extremereignisse: Wälder brennen in Südeuropa, Flüsse führen zu wenig Wasser, Ernten fallen aus. Und dabei sind es oft jene Menschen, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, die am stärksten unter ihr leiden.
Hitze ist nicht gerecht.
Sie trifft die Alten, die Kranken, die Armen. Menschen in schlecht isolierten Wohnungen, in Ländern ohne stabile Infrastruktur. Und genau deswegen ist Klimaschutz auch eine soziale Frage. Gerechtigkeit spielt hier mit – ob wir wollen oder nicht.
Warum das Jahr 2025 zum Wendepunkt werden könnte
Viele dachten lange: 1,5 Grad – das schaffen wir. Jetzt sieht es anders aus. Die Temperaturentwicklung von 2023 bis 2025 zeigt, wie knapp wir davorstehen, diese Grenze zu reißen – auf einem Zeitraum von mehreren Jahren.
Wohlgemerkt: Noch ist es kein endgültiges Überschreiten. Die offizielle Bewertung, ob 1,5 Grad langfristig überschritten wurden, basiert auf einem Zeitraum von 20 Jahren. Doch die Signale sind unübersehbar. Und sie deuten auf eine Welt hin, in der das alte Gleichgewicht immer stärker ins Wanken gerät.
Ist das noch ein Weckruf – oder schon das letzte Klingeln?
Was wir jetzt tun müssen – gemeinsam
Es gibt keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Ganz im Gegenteil. Die Daten zeigen auch: Noch haben wir Spielraum, die schlimmsten Entwicklungen abzuwenden. Aber dieser Raum schrumpft – täglich.
Was hilft?
- Massive Reduktion von Treibhausgasen. Nicht irgendwann, sondern sofort.
- Ausbau erneuerbarer Energien. Wind, Sonne, Speichertechnologien – alles da, alles möglich.
- Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen. Wälder, Moore, Meere – sie sind unsere Verbündeten im Klimaschutz.
- Soziale Gerechtigkeit in den Fokus rücken. Klimaschutz darf niemanden zurücklassen.
- Und vor allem: mutige Politik, die nicht nur kurzfristige Interessen bedient, sondern auf Zukunft baut.
Denn ja – Veränderung ist unbequem. Aber die Alternative ist ungleich schlimmer.
Zwischen Frust und Hoffnung
Manchmal frage ich mich, warum so wenig passiert, obwohl so viel auf dem Spiel steht. Warum sich die Debatten wieder und wieder im Kreis drehen, während draußen die Welt glüht. Vielleicht liegt es daran, dass die Folgen oft abstrakt wirken. Oder zu weit weg.
Aber 2025 zeigt: Die Klimakrise ist hier. Sie ist real. Sie ist messbar. Und sie wird nicht verschwinden, wenn wir sie ignorieren.
Und trotzdem: Ich glaube daran, dass wir die Kurve kriegen können. Nicht aus naivem Optimismus, sondern weil die Werkzeuge längst auf dem Tisch liegen. Weil Menschen weltweit an Lösungen arbeiten. Und weil jedes Zehntelgrad zählt.
Wir stehen an der Kreuzung
Die nächsten Jahre werden entscheidend. Gehen wir weiter wie bisher, dann steuern wir auf eine Zukunft zu, die niemand wollen kann. Aber entscheiden wir uns für eine echte Transformation – sozial, ökologisch, wirtschaftlich – dann liegt auch eine Chance in dieser Krise.
Eine Chance auf mehr Gerechtigkeit. Auf mehr Resilienz. Auf ein besseres Miteinander mit dem Planeten, der uns trägt.
Vielleicht, ganz vielleicht, wird 2025 dann nicht nur als eines der heißesten Jahre in die Geschichte eingehen – sondern als das Jahr, in dem wir endlich umgelenkt haben.
Von Andreas M. Brucker

