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Man stelle sich folgendes vor: Das Thermometer steigt weltweit um vier Grad, die Sonne brennt erbarmungslos, und irgendwo in einem klimatisierten Büro rechnet ein Ökonom die Folgen aus – mit Schweiß auf der Stirn, aber nicht wegen der Hitze. Denn was da auf dem Papier steht, lässt niemanden kalt: Ein Rückgang des globalen Bruttoinlandsprodukts um satte 40 Prozent bis zum Jahr 2100.

Das ist keine düstere Fiktion, sondern die nüchterne Prognose aktueller wissenschaftlicher Modelle. Und wenn man sich fragt, ob das wirklich so dramatisch ist, hilft vielleicht dieser Vergleich: Die Weltwirtschaft wäre dann um fast die Hälfte kleiner – als hätte man über Nacht das wirtschaftliche Rückgrat von zwei Erdteilen herausgerissen.

Warum frühere Modelle zu optimistisch waren

Lange galten ökonomische Modelle zur Bewertung der Klimakrise als beruhigende Stimmen im aufgeregten Chor der Wissenschaft. „Ein bisschen wärmer, ein bisschen weniger Wachstum – das kriegen wir schon hin“, so der Tenor vieler Berechnungen. Doch was fehlte? Die Härte der Realität.

Neue Modelle zeigen nun, was die alten übersehen haben: die immer häufigeren Extremwetterereignisse, das plötzliche Zusammenbrechen ganzer Lieferketten, das wiederkehrende Ausbleiben von Ernten – und die Art, wie sich all das gegenseitig verstärkt. Kurz gesagt: Der Schaden wächst nicht linear, sondern exponentiell.

Ein Temperaturanstieg um 2 Grad? Das hieße nicht nur ein paar Prozent weniger Wirtschaftskraft – sondern im Durchschnitt 16 Prozent weniger pro Kopf. Frühere Schätzungen lagen bei lediglich 1,4 Prozent. Ein gewaltiger Unterschied – oder?

Mehr Hitze = mehr Schaden – und zwar im Quadrat

Die neuen Daten zeigen: Jeder weitere Grad Erwärmung schlägt überproportional auf die Wirtschaft durch. Etwa 12 Prozent Einbußen beim globalen BIP – für jedes einzelne zusätzliche Grad. Und bei vier Grad plus? Da landen wir schnell bei einem wirtschaftlichen Szenario, das man fast schon als kollapsartig beschreiben muss.

Was heißt das konkret? Fabriken stehen still, weil Rohstoffe nicht mehr ankommen. Häfen werden durch Überschwemmungen lahmgelegt. Stromnetze brechen unter Hitzelasten zusammen. Städte investieren Milliarden in Kühlung, während gleichzeitig die Wasserversorgung versiegt. Und das alles kostet. Jeden Tag. Jeden Monat. Jedes Jahr.

Ungleich verteilt: Wer verliert am meisten?

Natürlich trifft diese Krise nicht alle gleich. Während wohlhabendere Staaten zumindest noch versuchen können, sich mit technischen Lösungen zu wappnen, stehen viele Länder des globalen Südens bereits jetzt mit dem Rücken zur Wand.

Besonders Afrika wird laut aktuellen Prognosen extrem betroffen sein: Bei vier Grad Erwärmung droht ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um rund 12 Prozent. Und das in Regionen, die ohnehin unter prekären Bedingungen wirtschaften und mit großen Entwicklungsherausforderungen kämpfen.

Ein Land, das heute schon um jeden Prozentpunkt BIP kämpft, kann einen solchen Schlag kaum verkraften. Die Folge? Mehr Armut, mehr Flucht, weniger Chancen auf Bildung und Stabilität. Der Klimawandel wird so zum Turbolader für globale Ungleichheit.

Handeln ist billiger als Abwarten

Jetzt kommt die Frage, die sich jede und jeder stellen sollte: Ist Klimaschutz teuer?

Die Antwort: Ja – aber Nichthandeln ist viel teurer.

Jede Investition in erneuerbare Energien, in klimaschonende Infrastruktur oder in soziale Gerechtigkeit zahlt sich doppelt aus. Zum einen verhindert sie extreme Schäden, zum anderen schafft sie Jobs und neue Chancen. Und – das sollte nicht vergessen werden – sie erhält schlichtweg die Lebensgrundlagen für Millionen von Menschen.

Klimapolitik ist also nicht nur ein grünes Hobby von Idealisten – sie ist knallharte wirtschaftliche Vernunft. Es geht um nichts weniger als darum, einen globalen wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern, dessen Ausmaß und Tiefe wir uns heute kaum vorstellen können.

Was also tun? Und wie schnell?

Ein Beispiel: Die Dürre in Kalifornien kostete 2015 über zwei Milliarden Dollar – in einem einzigen Jahr. Und das war erst der Anfang. 2021 wurde Texas von einem historischen Wintersturm heimgesucht – mit Stromausfällen, Wassermangel und über 190 Toten. Der wirtschaftliche Schaden? Über 100 Milliarden Dollar. Ein einziger Sturm – hundert Milliarden.

Diese Einzelfälle verdeutlichen das, was viele Studien nun belegen: Die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels steigen exponentiell – und treffen uns schneller als gedacht.

Und genau deshalb braucht es jetzt entschlossenes Handeln. Keine Alibi-Gipfel mehr. Keine Papierversprechen. Sondern echte Investitionen in ein klimafestes Morgen.

Wenn wir heute zögern, zahlen wir morgen drauf

Die gute Nachricht? Wir wissen, wie es geht. Wir haben Technologien, wir haben Wissen, wir haben Ideen. Was fehlt, ist der politische Mut – und manchmal auch der gesellschaftliche Wille.

Aber Hand aufs Herz: Wollen wir wirklich zusehen, wie unsere Kinder in einer Welt aufwachsen, in der Wirtschaftskrisen durch Hitze, Hunger und Wassermangel ausgelöst werden? Oder packen wir es endlich an – gemeinsam, global, gerecht?

Die Zeit der Rechenfehler ist vorbei. Jetzt zählen nur noch die Konsequenzen.

Andreas M. Brucker