Es gibt Studien, die brennen sich ein wie ein heißer Sommertag auf nackter Haut. Die aktuelle Veröffentlichung in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change gehört definitiv dazu. Seit 1990 tragen die reichsten 10 % der Weltbevölkerung rund zwei Drittel zur globalen Erwärmung bei. Zwei Drittel! Das ist keine Kleinigkeit. Es ist ein Donnerschlag in der Klimadebatte.
Und nein – es geht dabei nicht nur um Superreiche mit Privatjets. Wer in Deutschland oder Frankreich ein Durchschnittsgehalt bezieht, ist da schon mit im Boot.
Wer gehört eigentlich zu diesen 10 %?
Die Schwelle liegt laut Studie bei einem Jahreseinkommen von rund 42.980 €. Klingt für viele eher nach Mittelstand als nach Jetset. Doch global gesehen reicht das locker aus, um in den exklusiven Kreis der Top 10 % aufgenommen zu werden.
Krasser wird’s bei den obersten 1 % – also jenen mit Millionenvermögen, Aktienpaketen und dicken Immobilienportfolios. Diese kleine Gruppe allein verursacht 20 % der Erderhitzung. Und die obersten 0,1 %? Die blasen ein Vielfaches des globalen Durchschnitts in die Atmosphäre – das 76-Fache, um genau zu sein.
Ein bisschen absurd, oder? Während viele Menschen an der Klimakrise leiden, investieren andere fröhlich in Öl, Gas und Kohle.
Emissionen haben zwei Gesichter: Konsum und Kapital
Natürlich denkt man zuerst an CO₂ aus SUV-Auspuffen oder Flugzeugen. Klar – das spielt eine Rolle. Aber mindestens genauso klimaschädlich sind Investitionen: in fossile Brennstoffe, in Kohlekonzerne, in Gas-Infrastruktur.
Menschen mit hohem Einkommen besitzen nicht nur mehr Konsumkraft – sie besitzen auch Kapital. Und dieses Kapital wirkt im Verborgenen. Es befeuert Projekte, die unser Klima auf Jahrzehnte hinaus schädigen. Und ironischerweise: Die schlimmsten Folgen treffen nicht sie selbst.
Sondern Menschen in Regionen, die kaum Emissionen verursachen. Im globalen Süden, nahe des Äquators. Dort wird die Hitze unerträglicher, Dürreperioden häufiger, Stürme zerstörerischer. Die Emissionen des Nordens schaffen Katastrophen im Süden.
Wie nennt man das eigentlich – strukturelle Klimagewalt?
Wo die Reichen heizen, schwitzen die Armen
Die Zahlen sprechen für sich – und sie sprechen eine bittere Sprache. Laut Studie ist die Wahrscheinlichkeit extremer Hitzewellen in Folge der Emissionen der reichsten 10 % siebenmal höher als im weltweiten Durchschnitt.
Im Amazonasgebiet verdreifacht sich die Gefahr von Dürren. In Südostasien steigt die Belastung durch Hitzetage rasant. Und auch in Afrika oder Mittelamerika wird es Jahr für Jahr lebensfeindlicher.
Stell dir vor: Du trägst fast nichts zur Klimakrise bei – und trotzdem wird dein Land unbewohnbar. Wie bitte soll das gerecht sein?
Die Emissionen aus den USA und China, angeführt von ihren reichsten Bürgern, tragen besonders heftig zur Katastrophe in diesen Regionen bei. Während ein Hedgefonds-Manager in Manhattan seine Klimaanlage auf 18 Grad stellt, stirbt ein Kind in Mali an Hitzschlag.
Reichtum isoliert – Armut exponiert
Wir dürfen nicht vergessen: Klimafolgen treffen nicht alle gleich. Wer Geld hat, zieht sich in klimatisierte Wohnungen zurück, kauft sich Wasserfilter und Notstromaggregate. Wer kein Geld hat, leidet.
Die Klimakrise ist also nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein zutiefst soziales Problem. Sie verschärft die Ungleichheiten, die ohnehin schon gigantisch sind. Und sie schafft neue: zwischen denen, die emittieren, und denen, die dafür den Preis zahlen.
Was lässt sich politisch tun?
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Wir brauchen gezielte Maßnahmen, die die Klimaverantwortung der Reichen adressieren. Und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt.
Dazu zählen:
- Vermögenssteuern – klimagerecht ausgestaltet.
- Abgaben auf CO₂-intensive Investitionen.
- Einschränkungen für fossile Kapitalanlagen.
- Transparente CO₂-Bilanzen großer Vermögen.
Natürlich ruft das Widerstand hervor – gerade von denjenigen, die am meisten profitieren. Doch der Preis des Nichtstuns wäre höher. Und mal ehrlich: Wenn der Planet brennt, kann man sich dann noch auf das Argument „Freiheit des Kapitals“ berufen?
Die Moralfrage hinter den Zahlen
Wir reden hier über konkrete Verantwortung. Über reale Menschen mit realen Möglichkeiten. Wer ein hohes Einkommen hat, hat auch Macht – und sollte auch Verantwortung übernehmen.
Das ist kein Aufruf zur Selbstgeißelung, sondern zur Ehrlichkeit. Wenn unser Wohlstand auf Kosten anderer erkauft wurde – wie wollen wir dann in den Spiegel schauen?
Die gute Nachricht: Es gibt Alternativen. Klima-Investments. Gemeinwohlorientiertes Wirtschaften. Ein neues Verständnis von Reichtum, das nicht auf Ausbeutung beruht.
Die Frage ist nur: Wollen wir das wirklich?
Persönlicher Zwischenruf: Ich bin Teil des Problems
Ich geb’s zu: Auch ich fliege manchmal. Auch ich habe ein Sparkonto, auf dem irgendwo in einem Fonds fossile Unternehmen stecken könnten. Auch ich esse hin und wieder Produkte mit einem miesen CO₂-Fußabdruck.
Aber ich möchte es besser machen. Weil ich weiß, dass Veränderung möglich ist – wenn man hinschaut, wenn man nicht wegläuft. Wenn man nicht wartet, bis Gesetze greifen, sondern selbst beginnt.
Klar, das klingt pathetisch. Aber hey – wenn uns die Wissenschaft sagt, dass 10 % der Menschen unser Klima massiv beeinflussen, dann sollte man sich fragen: Bin ich einer davon?
Und wenn ja – was fange ich mit dieser Erkenntnis an?
Investieren in Klimagerechtigkeit
Die Studie schlägt konkrete politische Instrumente vor – aber auch auf individueller Ebene lässt sich einiges bewegen. Hier ein paar Ideen:
- Umstieg auf ethische Banken, die keine fossilen Anlagen tätigen.
- Investitionen in Solar-, Wind- oder Recyclingunternehmen.
- Unterstützung von Klimainitiativen im globalen Süden.
- Politisches Engagement für faire Klimapolitik.
Ein besseres Klima braucht nicht nur Technologie – es braucht Haltung.
Hoffnung trotz aller Wut
Ja, es macht wütend, dass wir seit Jahrzehnten wissen, was schiefläuft – und trotzdem weiter Öl ins Feuer gießen. Ja, es frustriert, dass Wohlstand so oft gegen Natur und Menschen ausgespielt wird.
Aber Hoffnung gibt es trotzdem.
Weil jede Erkenntnis eine Chance ist. Weil jedes Umdenken in einem Kopf ein Anfang sein kann. Weil wir längst wissen, was zu tun ist.
Die eigentliche Frage lautet nicht mehr ob, sondern wann und wie entschlossen.
Von Andreas M. Brucker