Sie stehen knorrig im Salzwasser, trotzen den Gezeiten, speichern Kohlenstoff und schützen Küsten – Mangroven sind wahre Naturwunder. Doch sie stehen unter Druck. Ein unsichtbarer Gegner greift sie an, periodisch, weltweit – und sein Name ist bekannt: El Niño. Und auch sein kaltes Pendant La Niña.
Was viele nicht wissen: Diese Klimaphänomene, zusammengefasst unter dem Begriff ENSO (El Niño-Southern Oscillation), bedrohen nicht nur Wetter und Ernten – sie gefährden ganze Ökosysteme. Und eines davon ist besonders sensibel: die Mangrovenwälder unserer Tropen.
Klimawippen, die Wurzeln erschüttern
Ein Forschungsteam hat 20 Jahre lang globale Satellitendaten analysiert – von 2001 bis 2020. Das Ergebnis? Fast die Hälfte aller Mangroven weltweit ist vom ENSO-Zyklus betroffen. Das bedeutet: Dürre hier, Überflutung dort. Mal wächst der Wald, mal stirbt er – je nachdem, ob gerade El Niño oder La Niña das Zepter schwingt.
Und was passiert da genau?
El Niño sorgt im westlichen Pazifik für fallende Meeresspiegel. Der Boden wird trockener, salziger – ein Todesurteil für Mangroven, deren empfindliche Wurzeln salzarmes Wasser bevorzugen. Im östlichen Pazifik hingegen steigen die Meeresspiegel – dort freut sich der Mangrovenwald über bessere Bedingungen.
La Niña kehrt das Spiel um. Plötzlich geht’s den Mangroven im Westen wieder gut, während die östlichen Bestände unter Wassermangel leiden.
Ein globales Hin und Her, eine natürliche Klimawippe – nur dass am unteren Ende der Balance keine Kinder sitzen, sondern Millionen Tonnen gespeichertes CO₂. Und Lebensräume unzähliger Arten.
2015 – als Australien seine Mangroven verlor
Ein besonders drastisches Beispiel lieferte Nordaustralien im Jahr 2015. Damals führte ein starker El Niño zu einem beispiellosen Mangrovensterben: mehr als 40 Millionen Bäume verdorrten entlang eines Küstenstreifens von fast 2.000 Kilometern. Der Schock saß tief – nicht nur bei Ökologen.
Denn diese Wälder sind mehr als nur Landschaft.
Sie bieten Schutz vor Sturmfluten. Sie verhindern Erosion. Sie sind Brutstätten für Fische, Krebse und Vögel. Und – ganz entscheidend – sie speichern mehr Kohlenstoff pro Fläche als viele andere Wälder.
Wenn das Meer kommt, aber der Wald geht
Mangroven sind Natur-Ingenieure. Sie filtern Sedimente, bauen Land auf, stabilisieren das Ufer. Doch mit dem Klimawandel steigen die Herausforderungen: stärkere Stürme, extremere Niederschläge – und eben die zunehmende Häufigkeit und Intensität von ENSO-Ereignissen.
Was, wenn die Mangroven irgendwann nicht mehr mitspielen? Wenn sie zu oft aus dem Gleichgewicht geraten? Können wir es uns leisten, diese natürlichen Klimaschützer zu verlieren?
Zeit zu handeln – lokal und global
Die Studie ist mehr als ein Warnsignal – sie ist ein Appell. Denn Mangroven können überleben. Aber sie brauchen Hilfe:
- Schutzmaßnahmen müssen verstärkt werden – etwa durch gesetzlich geschützte Küstenzonen.
- Wiederaufforstung funktioniert – vor allem, wenn sie gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften geschieht.
- Wissenschaftliche Überwachung via Satellit und vor Ort hilft, frühzeitig Veränderungen zu erkennen.
- Globale Klimapolitik muss ENSO und seine Auswirkungen stärker berücksichtigen – Mangroven dürfen dabei nicht übersehen werden.
Warum uns das alle betrifft
Mangroven sind nicht exotische Feuchtgebiete am Rande der Welt. Sie sind Bollwerke gegen den Klimawandel. Jeder Mangrovenbaum, der stirbt, bedeutet nicht nur verlorene Biodiversität – sondern auch eine Rückgabe von gespeichertem CO₂ an die Atmosphäre.
Kann ein paar Grad wärmeres Wasser wirklich Wälder vernichten? Ja. Kann ein entferntes Klimaphänomen wie El Niño das Leben von Millionen Menschen beeinflussen? Ebenfalls ja.
Und genau deshalb dürfen wir nicht länger wegschauen.
Autor: MAB