Ein Weckruf aus den Bergen
273 Milliarden Tonnen – so viel Eis verlieren die Gletscher weltweit jedes Jahr. Das entspricht dem fünfeinhalbfachen Volumen des Bodensees. Seit dem Jahr 2000 sind bereits rund fünf Prozent des globalen Gletschereises verschwunden. Besonders dramatisch: In den letzten zehn Jahren stieg die jährlich abgeschmolzene Eismenge um 36 Prozent – von 231 auf 314 Milliarden Tonnen.
Diese Zahlen sind nicht nur abstrakte Statistiken. Sie sind ein lauter Hilfeschrei der Natur. Und sie betreffen uns alle – unmittelbar.
Wasser, das uns zwischen den Fingern zerrinnt
Gletscher sind nicht nur beeindruckende Naturwunder, sie sind auch gigantische Süßwasserspeicher. Gemeinsam mit den Eisschilden der Antarktis und Grönlands speichern sie etwa 70 Prozent der globalen Süßwasserressourcen. Ihr Schmelzen bedroht die Trinkwasserversorgung von Millionen Menschen weltweit und trägt zum Anstieg des Meeresspiegels bei.
Seit Mitte der 1970er-Jahre haben die Gletscher knapp 9200 Gigatonnen Eis verloren. Um das greifbarer zu machen: Das entspricht einem 25 Meter dicken Eisblock, der so groß ist wie ganz Deutschland. Diese Masse hat den Meeresspiegel bereits um 18 Millimeter steigen lassen – und gefährdet damit das Leben von bis zu 300.000 Menschen zusätzlich durch Überflutungen.
Regionale Unterschiede – globale Konsequenzen
Die Verluste verteilen sich nicht gleichmäßig. In den antarktischen und subantarktischen Inseln gingen etwa zwei Prozent des Gletschereises verloren. In Mitteleuropa dagegen sind es satte 39 Prozent – seit dem Jahr 2000!
In den Alpen schmelzen die Gletscher so schnell, dass sich jedes Jahr neue Felsflächen zeigen, wo früher Eis lag. Wanderwege müssen verlegt werden, Hänge werden instabil. Was bedeutet das für die Zukunft unserer Bergregionen?
Ein Jahr für das Eis
2025 wurde offiziell zum „Jahr zur Erhaltung der Gletscher“ erklärt. Ein symbolisches Zeichen – aber auch ein Aufruf zum Handeln. Denn längst geht es nicht mehr nur um den Erhalt majestätischer Landschaften. Es geht um Lebensgrundlagen. Trinkwasser. Landwirtschaft. Energiegewinnung.
Kann ein symbolisches Jahr tatsächlich etwas bewegen? Wenn es als Katalysator für konkrete Maßnahmen dient – ja, unbedingt.
Jedes Zehntelgrad zählt
Wissenschaftler zeigen klar: Wenn es gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, könnten noch rund 54 Prozent der heutigen Gletscher erhalten bleiben. Bei einem Temperaturanstieg von 2,7 Grad schrumpft dieser Anteil auf unter die Hälfte. Das ist keine bloße Zahlenspielerei – das ist das Schicksal ganzer Ökosysteme.
Was viele nicht wissen: Selbst wenn wir die Temperatur sofort stabilisieren könnten, würden noch viele Gletscher weiter schmelzen – sie reagieren träge, wie riesige Eisschiffe im Klimastrom. Umso wichtiger ist es, den Kurs sofort zu ändern.
Verlust, der bleibt
Gletscher sind nicht einfach nur große Eisblöcke. Sie sind Archive der Erdgeschichte, sie beeinflussen lokale Klimasysteme, sie sind Teil kultureller Identitäten. Wenn sie schmelzen, verlieren wir mehr als nur Wasser – wir verlieren ein Stück unserer Welt.
Was würde es bedeuten, wenn unsere Kinder nie wieder einen Gletscher mit eigenen Augen sehen könnten? Eine erschreckende Vorstellung, oder?
Handeln statt warten
Die Gletscherschmelze ist nicht aufzuhalten – aber sie lässt sich verlangsamen. Dafür braucht es mutige politische Entscheidungen, neue technologische Lösungen und einen gesellschaftlichen Wandel im Umgang mit Ressourcen. Jeder Einzelne zählt. Vom politischen Parkett bis zur heimischen Heizung.
Es reicht nicht, betroffen zu sein. Es braucht Konsequenz. Und Mut. Viel Mut.
Von Andreas M. B.