Juli. Ferienzeit, Eis am Stiel, Sonnenbrand – und inzwischen ein fester Platz in der globalen Klimakrimi-Statistik. Der Juli 2025 hat es nun offiziell aufs Podest geschafft: Er war der drittwärmste Juli seit Beginn der Aufzeichnungen. Klingt fast schon wie eine Nachricht, an die man sich gewöhnt hat. Doch was steckt dahinter?
Ein paar Zehntelgrad – und die Welt gerät aus dem Gleichgewicht
Mit einer globalen Durchschnittstemperatur von rund 16,68 °C lag der Juli 2025 ganze 1,25 °C über dem Schnitt der vorindustriellen Zeit. Klingt harmlos? Ganz und gar nicht. Denn in der Welt der Klimawissenschaften zählt jedes Zehntelgrad. Je höher die globale Temperatur steigt, desto häufiger und heftiger treten Extremwetterereignisse auf: Monsterstürme, tödliche Hitzewellen, Überschwemmungen biblischen Ausmaßes und Flächenbrände, die Satellitenbilder wie aus einem Endzeitfilm liefern.
Gerade in diesem Juli haben sich viele Regionen der Erde wie im Treibhaus angefühlt – oder besser gesagt: wie im Backofen. Über 50 °C wurden in der Türkei gemessen – ein trauriger Rekord. In China und Pakistan sorgten sintflutartige Regenfälle für hunderte Tote. Kanada kämpfte erneut mit großflächigen Waldbränden. Und in Spanien hat die Hitze über 1.000 Menschenleben gefordert – in nur einem Monat.
Aber der Temperaturrekord wurde diesmal doch nicht gebrochen?
Richtig. 2023 und 2024 waren noch ein kleines Stück wärmer. Heißt das, die Klimakrise entspannt sich?
Ganz sicher nicht. Denn diese sogenannte „Pause“ – falls man sie überhaupt so nennen will – ist wie das kurzzeitige Verschnaufen eines Marathonläufers. Sie bedeutet keine Umkehr, sondern nur einen winzigen Ausschlag in einer anhaltenden Aufwärtskurve. Die Temperatur der Erde steigt weiter. Auch wenn’s mal kurz stockt, geht der Trend klar nach oben.
Die letzten zwölf Monate lagen im Schnitt um 1,53 °C über dem vorindustriellen Niveau. Und genau hier beginnt das Dilemma mit dem 1,5 °C-Ziel des Pariser Abkommens. Denn diese Schwelle gilt als rote Linie – wird sie dauerhaft überschritten, drohen Kipppunkte, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen.
Was ist eigentlich mit den Ozeanen?
Ach ja – unsere blauen Planetenhälften. Auch sie hatten im Juli ihre eigene Hitzewelle. Die Meeresoberflächen haben in vielen Regionen neue Rekorde aufgestellt. Vor Norwegen, in der Nordsee, im Nordatlantik – überall Temperaturen, die deutlich über dem lagen, was normal wäre.
Das hat Folgen. Denn warme Meere bedeuten mehr Verdunstung, mehr Energie für Stürme – und langfristig ein massives Problem für das marine Ökosystem. Korallen bleichen, Fischbestände wandern oder sterben ab, und das Gleichgewicht der Ozeane gerät ins Wanken.
Und was ist mit der Eiswelt?
Die Arktis zeigte sich im Juli mit 10 % weniger Meereisfläche als im Durchschnitt – nur 2012 und 2021 lagen noch tiefer. In der Antarktis war die Situation kaum besser. Auch dort wurden historische Negativrekorde verzeichnet.
Wir wissen, was passiert – und warum
Seit dem 19. Jahrhundert ist die globale Durchschnittstemperatur um 1,1 °C gestiegen. Und im Gegensatz zu früheren natürlichen Klimaschwankungen wissen wir heute sehr genau, wer der Hauptverursacher ist: wir. Oder genauer gesagt – unsere fossile Energieabhängigkeit. Kohle, Öl und Gas treiben diesen rapiden Wandel an.
Das Tempo ist beispiellos. Nie zuvor hat sich die Erde so schnell erhitzt. Und das bringt unsere Gesellschaften, unsere Städte, unsere Landwirtschaft – kurz: unser gesamtes System – an den Rand der Belastbarkeit.
Was können wir tun?
An dieser Stelle wird oft von Hoffnung gesprochen. Und ja – sie ist berechtigt, wenn wir entschlossen handeln.
Die Instrumente liegen längst auf dem Tisch: erneuerbare Energien, Gebäudedämmung, eine klügere Mobilität, weniger Fleischkonsum, mehr Kreislaufwirtschaft. Auch technologische Fortschritte und bessere Datenverfügbarkeit helfen, Risiken präziser vorherzusagen und Maßnahmen zielgerichtet zu gestalten.
Doch all das nützt wenig, wenn soziale Gerechtigkeit nicht mitgedacht wird. Denn die Klimakrise trifft nicht alle gleich. Wer arm ist, lebt oft in schlechter isolierten Häusern, hat schlechteren Zugang zu Kühlung oder Gesundheitsversorgung – und kann sich im Zweifel kein sicheres Rückzugsgebiet leisten.
Die Anpassung an den Klimawandel muss daher immer auch eine Frage der Fairness sein. Wenn wir es ernst meinen, dürfen wir niemanden zurücklassen.
Wissenschaft braucht Teamwork
Ein weiteres Puzzlestück: Interdisziplinarität. Die Klimakrise ist nicht nur ein Thema für Meteorolog:innen oder Ozeanograph:innen. Sie betrifft auch Soziologen, Ökonomen, Städteplaner, Agrarwissenschaftlerinnen, Ethiker, Psycholog:innen.
Nur wenn diese Disziplinen gemeinsam denken und handeln, können wir die komplexen Herausforderungen meistern. Die Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei – wir brauchen Netzwerke, Austausch, offene Daten und internationale Kooperationen.
Persönliche Gedanken
Es macht ehrlich gesagt müde. Diese Zahlen. Diese Warnungen. Diese immer wieder gleichen Schlagzeilen. Und dennoch – da ist sie noch, diese Hoffnung. Sie kommt nicht aus dem Optimismus, sondern aus dem Wissen: Veränderung ist möglich.
Ich sehe es in Kommunen, die ihre Energieversorgung umstellen. In jungen Menschen, die mutig auf der Straße protestieren. In Start-ups, die neue Wege gehen. In der Forschung, die sich nicht entmutigen lässt.
Vielleicht ist der Juli 2025 kein Wendepunkt. Aber er ist ein weiterer, lauter Weckruf. Und der sollte uns aufrütteln – bevor es zu spät ist.
Denn wer, wenn nicht wir? Und wann, wenn nicht jetzt?
Von Andreas M. Brucker