Wenn die Nacht nicht mehr kühlt.
Stell dir vor, du bist ein kleines, pelziges Wesen mit Flügeln, das tagsüber pausenlos von Blüte zu Blüte fliegt, Nahrung sammelt, die Welt bestäubt – und nachts endlich zur Ruhe kommt. Doch was passiert, wenn auch die Nächte heiß bleiben? Wenn selbst die Dunkelheit keine Abkühlung mehr bringt?
Genau das erleben Bienen zunehmend. Während viele von uns im Sommer über tropische Nächte stöhnen, bedeutet diese Hitze für Bienen echten Stress. Ihre Körper können sich schlechter regenerieren. Ihre Flugleistung sinkt. Die Erholungszeit schrumpft. Und damit steigt das Risiko für Krankheiten, Orientierungslosigkeit und letztlich den Tod ganzer Kolonien.
Ein bisschen klingt das, als ob man jeden Tag einen Marathon laufen müsste – ohne erholsamen Schlaf danach. Klingt hart? Ist es auch.
Doppelschlag: Hitze und Landnutzung
Die Klimakrise trifft die Natur nicht gleichmäßig. Es gibt Gewinner – und viele Verlierer. Bienen gehören leider zur zweiten Gruppe. Nicht nur wegen der steigenden Temperaturen. Sondern vor allem, weil diese Hitze auf ein zweites Problem trifft: die massive Veränderung ihrer Lebensräume.
Denn während die Temperaturen klettern, schrumpft das Angebot an Blühpflanzen und Nistplätzen. Große Flächen werden versiegelt, Monokulturen breiten sich aus, strukturreiche Landschaften verschwinden. Die Vielfalt, die Bienen brauchen, wird planiert – oft buchstäblich.
Und so entsteht ein fataler Cocktail: Hitze schwächt die Tiere. Fehlende Nahrung nimmt ihnen die Kraft. Und die letzten verbliebenen Flächen reichen kaum aus, um sich zu erholen.
Urbaner Lebensraum? Eher ein heißer Alptraum
Manche denken vielleicht: Na gut, dann ziehen die Bienen eben in die Stadt. Dort gibt’s ja Parks, Balkone, Gärten. Stimmt – ein bisschen. Doch die Städte sind Hitzepole. Asphalt, Beton und Glas speichern Wärme. Die sogenannten „urbanen Wärmeinseln“ machen es selbst nachts nicht mehr kühl.
Und genau da liegt das Problem: Stadtbienen leiden besonders unter der Hitze. Ihre Populationen schrumpfen. Ihre Lebensdauer nimmt ab. Ihre Flugaktivität reduziert sich. Kurz gesagt: Sie leben am Limit.
Wer leidet noch mit?
Nicht nur die Bienen selbst stehen unter Druck. Mit ihnen gerät ein ganzes System ins Wanken. Denn Bienen sind Schlüsselakteure für das Funktionieren von Ökosystemen. Sie bestäuben Wildpflanzen, sichern die Fortpflanzung unzähliger Arten – und sind unverzichtbar für unsere Ernährung.
Wenn Bienen verschwinden, hat das Folgen. Weniger Äpfel, Birnen, Erdbeeren. Schlechtere Qualität bei Gemüse. Geringere Erträge bei Ölfrüchten. Sogar Kaffee und Kakao sind betroffen – zwei Lieblingsprodukte vieler Menschen.
Klingt nach einem Luxusproblem? Dann stell dir vor, was das für Kleinbauern in tropischen Regionen bedeutet. Für sie sind Ernteausfälle existenzbedrohend.
Hoffnung wächst im Grünen
Aber – und das ist ein dickes Aber – es gibt auch Lichtblicke. In natürlichen Lebensräumen wie Wäldern und extensiv bewirtschafteten Wiesen sind Bienen deutlich robuster. Hier finden sie Schutz vor der Hitze. Hier gibt’s Vielfalt statt Einfalt. Und genau deshalb sind solche Flächen Gold wert.
Warum also nicht mehr davon? Warum nicht Flächen ent-siegeln, Blühstreifen anlegen, Hecken zurückbringen? Warum nicht das Rad der intensiven Landwirtschaft ein wenig zurückdrehen?
Na klar – das klingt einfacher als es ist. Aber es geht. Und es lohnt sich.
Und jetzt? Ärmel hoch!
Was kann man tun? Ganz ehrlich: Eine ganze Menge. Aber es braucht uns alle. Und zwar sofort.
1. Mehr Lebensraum schaffen: Ob auf dem Balkon, im Schrebergarten oder am Straßenrand – jeder Quadratmeter zählt. Wildblumenmischung säen, Totholz liegen lassen, keine Schottergärten mehr. So simpel, so effektiv.
2. Pestizide drastisch reduzieren: Viele Chemikalien wirken wie Nervengift für Bienen. Sie stören Orientierung, Kommunikation, Fortpflanzung. Es braucht klare Regeln und mehr Mut für ökologische Landwirtschaft.
3. Klimaschutz ernst nehmen: Wer Bienen retten will, muss auch CO₂ einsparen. Verkehr, Heizung, Konsum – überall liegt Potenzial. Klar ist das unbequem. Aber notwendig. Und es betrifft unser aller Zukunft.
4. Wissenschaft stärken: Die Forschung zeigt immer genauer, was Bienen brauchen – und was sie gefährdet. Diese Erkenntnisse müssen in die Praxis. Schnell, konkret, verbindlich.
Ganz ehrlich? Es nervt!
Manchmal, da sitze ich vor diesen Zahlen, lese von schrumpfenden Beständen, von kollabierenden Kolonien, und ich spüre richtig, wie sich Frust in mir breitmacht. Wir wissen so viel. Wir könnten so viel tun. Und trotzdem drehen sich zu viele Debatten immer noch im Kreis.
Warum dauert es so lange, bis sich etwas bewegt?
Aber dann sehe ich sie – die kleine Biene, wie sie auf einer winzigen Blüte tanzt, unbeirrbar, emsig, ein Wunder der Natur. Und ich denke: Wenn sie nicht aufgibt, warum sollten wir?
Und wie geht’s weiter?
Die Wahrheit ist: Die Bienen brauchen uns. Mehr denn je. Und wir brauchen sie. Das ist keine Einbahnstraße. Es ist ein Kreislauf. Eine Beziehung. Ein Pakt zwischen Mensch und Natur, der gerade zu reißen droht.
Doch wir können ihn flicken. Mit Wissen. Mit Taten. Mit Mut.
Denn wer heute Flächen schützt, Artenvielfalt fördert und das Klima bremst, sichert morgen das Summen der Zukunft – und unsere eigene Lebensgrundlage gleich mit.
Von Andreas M. Brucker