Das Rätsel der riesigen Eislücke in der Antarktis gelöst

Antarktis
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In den rauen, frostigen Weiten der Antarktis, wo das Meer im Winter zu einer nahezu undurchdringlichen Eisdecke gefriert, ereignete sich ein seltenes Phänomen, das Wissenschaftler jahrzehntelang vor ein Rätsel stellte. Ein großes Loch in der Eisdecke, das fast doppelt so groß wie Wales ist, bildete sich während der Wintermonate 2016 und 2017. Dieses Phänomen, bekannt als Polynja, erregte aufgrund seiner Größe und Beständigkeit große Aufmerksamkeit.

Ein geographisches und ozeanographisches Zusammenspiel

Ein Team von Forschern der University of Southampton, der University of Gothenburg und der University of California San Diego entdeckte nun die entscheidenden Prozesse, die hinter der Bildung dieser mysteriösen Eislücke stehen. Die Polynja, die über dem unterseeischen Gebirge Maud Rise im Weddellmeer entsteht, wird durch komplexe Wechselwirkungen zwischen Winden, Meeresströmungen und der einzigartigen Geographie des Meeresbodens verursacht, die Wärme und Salz an die Oberfläche transportieren.

Warum bilden sich Polynjas?

In Küstennähe sind Öffnungen im Meereis aufgrund starker Küstenwinde, die das Eis wegdrücken, eine jährliche Erscheinung. Doch die Entstehung von Polynjas in der offenen See, weit entfernt von der Küste, ist ein selteneres Ereignis. Aditya Narayanan, Postdoktorand an der University of Southampton und Leiter der Forschung, erklärte, dass die große und langlebige Polynja im Weddellmeer seit den 1970er Jahren, als sie erstmals von Satelliten erfasst wurde, nur sporadisch aufgetreten ist.

Die entscheidende Rolle des Ekman-Transport

Die Forscher entdeckten, dass die starken Meeresströmungen rund um das Maud Rise zu turbulenten Wirbeln führten, die Salz auf den Gipfel des Seebergs schoben. Ein Prozess namens Ekman-Transport, bei dem Wasser im rechten Winkel zur Windrichtung bewegt wird, spielte eine entscheidende Rolle beim Transport dieses Salzes an die Nordflanke des Maud Rise, wo die Polynja zuerst entstand. „Ekman-Transport war die entscheidende fehlende Zutat, die notwendig war, um das Salzgleichgewicht zu erhöhen und die Vermischung von Salz und Wärme an der Oberfläche zu fördern“, erklärte Professor Alberto Naveira Garabato, ebenfalls von der University of Southampton.

Langfristige Auswirkungen auf das Klima

Polynjas sind nicht nur einfache Lücken im Eis. Sie ermöglichen einen enormen Austausch von Wärme und Kohlenstoff zwischen Ozean und Atmosphäre und können das Wärme- und Kohlenstoffbudget einer Region erheblich beeinflussen. Professor Sarah Gille von der University of California San Diego betonte, dass die Spuren von Polynjas mehrere Jahre nach ihrer Entstehung im Wasser verbleiben können. Sie verändern die Wasserbewegungen und wie Strömungen Wärme zum Kontinent transportieren. Die dabei entstehenden dichten Wassermassen können sich über die globalen Ozeane ausbreiten.

Was bedeutet dies für die Zukunft?

Die gleichen Prozesse, die zur Bildung der Maud Rise Polynja beitragen, treiben auch eine generelle Abnahme des Meereises im Südlichen Ozean an. Seit 2016, dem Jahr, in dem die Beobachtungen begannen, zeigt sich ein negativer Trend beim Meereis im Südlichen Ozean, eine Entwicklung, die vorher als stabil galt.

Das Verständnis dieser komplexen Interaktionen zwischen Atmosphäre, Eis und Ozean ist entscheidend, um die Veränderungen im antarktischen Ökosystem und ihre globalen Auswirkungen besser zu begreifen. Solche Erkenntnisse sind unerlässlich, um auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren zu können. Wie werden wir auf diese sich verändernden Bedingungen reagieren? Werden wir die Weitsicht haben, diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in wirksame politische Maßnahmen umzusetzen?

Diese Studie zeigt nicht nur die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit in den Wissenschaften, sondern betont auch, dass wir, angesichts der zunehmenden Ungleichheiten durch den Klimawandel, inklusive Anpassungsstrategien entwickeln müssen, die sowohl den Umweltschutz als auch den sozialen Ausgleich fördern. Es bleibt zu hoffen, dass die Entdeckungen rund um die Polynjas uns nicht nur Aufschluss über die Naturphänomene geben, sondern auch Ansporn sind, entschlossen für eine nachhaltige und gerechte Zukunft zu handeln.


Reference:

  1. Aditya Narayanan, Fabien Roquet, Sarah T. Gille, Birte Gülk, Matthew R. Mazloff, Alessandro Silvano, Alberto C. Naveira Garabato. Ekman-driven salt transport as a key mechanism for open-ocean polynya formation at Maud RiseScience Advances, 2024; 10 (18) DOI: 10.1126/sciadv.adj0777