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Klimapolitik ist ein heiß diskutiertes Thema – und das nicht erst seit gestern. Doch die Forschung dazu wächst geradezu explosionsartig: Ein Viertel aller jemals veröffentlichten Studien zu klimapolitischen Maßnahmen stammt aus den letzten vier Jahren. Eine neue Untersuchung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt nun, welche Themen besonders gut erforscht sind – und wo es noch große Lücken gibt.

Ein Überblick statt direkter Antworten

Die Studie, die im Fachjournal npj Climate Action erschienen ist, nutzt maschinelles Lernen, um eine gigantische Menge an Daten zu durchforsten: etwa eine Million potenziell relevante Studien wurden analysiert, von denen rund 85.000 als tatsächlich aussagekräftig identifiziert wurden.

Doch anstatt konkrete Antworten auf die Frage zu liefern, welche Maßnahmen am effektivsten sind, geht es in dieser Untersuchung vor allem darum, eine systematische Übersicht zu schaffen. „Unsere Studie zeigt, was bereits wissenschaftlich untersucht wurde und wo es noch Lücken gibt“, erklärt Max Callaghan, der Hauptautor der Studie.

Diese Erkenntnisse sind nicht nur für Forscher*innen interessant, sondern auch für politische Entscheidungsträger. Denn um eine fundierte Klimapolitik zu gestalten, braucht es eine solide Grundlage – und genau diese wird nun mit der neuen „Living Systematic Map“ geschaffen.

Wo geforscht wird – und wo nicht

Die Studie zeigt, dass die klimapolitischen Maßnahmen der beiden größten Emittenten von Treibhausgasen – China und die USA – besonders intensiv erforscht wurden. Das überrascht nicht: Beide Länder stehen im Zentrum der globalen Klimadebatte und beeinflussen mit ihren Entscheidungen maßgeblich die weltweiten Emissionen.

Doch ein Blick auf den globalen Süden zeigt eine ganz andere Realität. Besonders in Afrika ist die Diskrepanz zwischen den erlassenen Klimapolitiken und der dazugehörigen Forschung enorm. Während auf dem Kontinent zahlreiche Maßnahmen existieren, gibt es vergleichsweise wenige wissenschaftliche Analysen dazu. Auch kleinere Länder mit beeindruckenden Emissionsreduktionen wie Griechenland, Dänemark oder Island tauchen in der Forschung überraschend selten auf.

Warum ist das ein Problem? Weil ohne fundierte Forschung unklar bleibt, welche Maßnahmen tatsächlich funktionieren – und welche nicht. Wie sollen Staaten effektive Strategien entwickeln, wenn es kaum wissenschaftliche Belege dafür gibt, welche Instrumente die größten Hebelwirkungen entfalten?

Welche Politikinstrumente stehen im Fokus?

Ein weiterer spannender Befund der Studie: Die Forschung konzentriert sich stark auf wirtschaftliche Instrumente – insbesondere auf CO₂-Bepreisung. Kein Wunder, schließlich gilt der Emissionshandel als eine der wichtigsten Stellschrauben der internationalen Klimapolitik.

Doch regulatorische Maßnahmen wie Verbote oder Standards werden deutlich weniger untersucht. Das ist problematisch, denn häufig entfalten gerade diese Maßnahmen eine große Wirkung, insbesondere wenn sie klug mit wirtschaftlichen Anreizen kombiniert werden. Hier warnt die Studie vor „blinden Flecken“ – also Forschungslücken, die dazu führen könnten, dass wir wichtige Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Politikinstrumenten übersehen.

Und dann ist da noch die Industrie. Sie ist für rund 23 % der weltweiten Emissionen verantwortlich, doch nur 8 % der wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigen sich mit diesem Sektor. Eine gewaltige Diskrepanz. Dabei ist gerade hier eine fundierte Forschung entscheidend, um gezielt Maßnahmen zu entwickeln, die Emissionen reduzieren, ohne Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Künstliche Intelligenz als Gamechanger

Um mit der schieren Masse an Forschungsergebnissen Schritt zu halten, haben die Wissenschaftler*innen auf maschinelles Lernen gesetzt. Die Algorithmen wurden darauf trainiert, aus einer riesigen Menge an Texten die relevanten Informationen herauszufiltern.

Die daraus entstandene interaktive Forschungslandkarte wird laufend aktualisiert und kann somit in Echtzeit den Stand der Forschung abbilden. Doch das ist erst der Anfang: Die Forscher planen eine „Climate Solutions Evidence Bank“, die noch einen Schritt weitergehen soll. Sie soll nicht nur zeigen, welche Studien existieren, sondern auch gezielt beantworten, welche Klimapolitiken unter welchen Bedingungen funktionieren.

Das Ziel? Politiker*innen weltweit mit den besten verfügbaren Daten zu versorgen – und das möglichst schnell. Denn eines ist klar: Angesichts der Klimakrise können wir uns keine jahrelangen Verzögerungen in der Wissenschaft-Politik-Kommunikation leisten.

Wissen als Schlüssel zur effektiven Klimapolitik

Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie viel wir bereits über Klimapolitik wissen – und wo wir noch hinterherhinken. Sie legt offen, dass es große Unterschiede gibt, was erforscht wird und was nicht. Und sie unterstreicht die Rolle von Technologie, insbesondere von künstlicher Intelligenz, um dieses Wissen zugänglich zu machen.

Doch letztlich bleibt eine entscheidende Frage: Wird dieses Wissen auch genutzt? Denn Studien allein retten das Klima nicht – entscheidend ist, dass sie in mutige politische Entscheidungen münden.

Von Andreas M. B.