Böden speichern mehr Kohlenstoff als die gesamte Vegetation auf der Erdoberfläche. Doch welche Prozesse genau die Anreicherung im Boden begünstigen, ist noch weitgehend ungeklärt. Unter der Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) hat ein Team von Bodenwissenschaftlern eine neue Methode entwickelt, um zu zeigen, wo und unter welchen Bedingungen Kohlenstoff im Boden gespeichert wird. Wie sie in Nature Communications schreiben, ist es vor allem das Netzwerk der Bodenporen, das die räumliche Verteilung des Kohlenstoffs steuert.
In der öffentlichen Diskussion um den Klimaschutz wird die Bedeutung des Bodens oft vergessen. Dabei speichern Böden weltweit deutlich mehr Kohlenstoff als Wälder oder die Atmosphäre. Die langfristige Speicherung von Kohlenstoff kann recht komplex sein. Einerseits hängt sie davon ab, wie viel atmosphärischer Kohlenstoff durch Wurzelwachstum, verschiedene Vermischungsprozesse (z. B. Bodenbearbeitung oder die Aktivität von Regenwürmern) und das Versickern gelöster organischer Verbindungen in den Boden gelangt. Andererseits hängt es davon ab, ob der vorhandene Kohlenstoff im Boden stabilisiert werden kann oder von Bakterien und Pilzen abgebaut wird. Welcher Prozess effizienter ist – Speicherung oder Zersetzung -, hängt in erster Linie von der Struktur des Bodens ab (z. B. von der Größe des Porennetzes, das den Transport von Luft, Wasser und Nährstoffen unterstützt). „Der in Pflanzenresten und Humus gespeicherte Kohlenstoff wird nicht abgebaut, wenn die Bakterien oder Pilzhyphen größer sind als die Poren im Boden, in denen er gespeichert ist“, sagt Dr. Steffen Schlüter, UFZ-Bodenphysiker und Hauptautor der Studie. Und mehr noch: Sind die Poren dauerhaft mit Wasser und damit ohne Sauerstoffzufuhr gefüllt (z.B. in intakten Torfböden), haben es Bakterien schwerer, den Kohlenstoff zu verwerten. „Einer der entscheidenden Faktoren dafür, wo der Kohlenstoff im Boden gespeichert wird, ist also die räumliche Verteilung der Poren“, sagt Schlüter. Bisher war es nicht möglich, das Verteilungsmuster des organischen Kohlenstoffs innerhalb der millimeter- und mikrometergroßen Poren zu untersuchen.
Das ist den Wissenschaftlern am UFZ nun gelungen. Mit ihrer neuen Methode können sie den Kohlenstoff im Boden genau lokalisieren. Sie basiert auf der Anfärbung der organischen Verbindungen mit Osmiumtetroxid, das sich an die kohlenstoffhaltigen Doppelbindungen anlagert und dann mit Hilfe der Röntgen-Computertomographie (CT) sichtbar gemacht wird. Indem die Forscher die Bodenprobe vor und nach der Färbung scannen, können sie aus den Unterschieden in den Bildern auf die Verteilung des Kohlenstoffs schließen. Bislang war dies nur mit Hilfe aufwändiger Synchrotron-CT-Methoden möglich. Da es in Deutschland aber nur zwei derartige Teilchenbeschleuniger gibt, ist der Zugang stark eingeschränkt. Dagegen ist die Röntgen-CT an bodenkundlichen Instituten in Deutschland weiter verbreitet. Der neue Ansatz erleichtert also die Forschung. „Normalerweise kann man nicht in den Boden hineinschauen. Aber diese methodische Neuerung erlaubt es uns, Rückschlüsse darauf zu ziehen, wo und wie stark der Kohlenstoff im Boden in Abhängigkeit vom Porensystem und organischem Material wie Wurzeln und Streu angereichert ist“, sagt Prof. Hans-Jörg Vogel, Leiter des Departments Bodensystemwissenschaften am UFZ. Das liefert wichtige Informationen über die Prozesse im Boden und damit auch über die Folgen, die sie für die Stabilisierung und den Abbau von Kohlenstoff im Boden haben.
Exemplarisch testeten die Bodenwissenschaftler ihre Methodik an drei Standorten mit unterschiedlichen Bodentypen und verschiedenen Feuchtigkeitsregimen: einem Chernozem-Standort mit geringen Jahresniederschlägen an der UFZ-Forschungsstation in Bad Lauchstädt, einem feinstrukturierten Luvisol-Standort mit saisonaler Staunässe im Alpenvorland und einem grundwasserbeeinflussten, dauerfeuchten Gleysol-Standort bei Gießen. Das Ergebnis: In unmittelbarer Nähe der Poren (d. h. in einem Randbereich von 50 bis 100 Mikrometern) ist die Kohlenstoffkonzentration niedriger als im übrigen Boden. Das liegt vor allem daran, dass die mikrobielle Aktivität mit zunehmender Entfernung von den Poren abnimmt. „Dieses Muster wurde an allen drei Standorten unabhängig vom Feuchtigkeitsregime beobachtet. Die Nähe zum Porensystem begünstigt also den Abbau organischer Substanz, und der Abstand zu diesen Poren fördert die Stabilisierung des Kohlenstoffs im Oberboden – der Schicht, die für die Landwirtschaft besonders wichtig ist“, so Schlüter. Dagegen gibt es Unterschiede im Kohlenstoffgehalt in der Umgebung von organischem Material wie Pflanzenresten. Im trockenen Tschernozemer Boden nimmt der Kohlenstoffgehalt mit dem Abstand zu den Pflanzenresten ab. Die Bakterien und Pilze sind an die Pflanzenreste gebunden, so dass sie leicht an den Kohlenstoff gelangen und ihn verstoffwechseln können. Die Zersetzungsprodukte reichern sich dann um die Pflanzenreste herum an. Im Gleysol war das Gegenteil der Fall. Die Wissenschaftler fanden keine Anreicherung von Produkten um die Pflanzenreste herum. Eine Erklärung dafür ist, dass gelöste Zersetzungsprodukte unter den feuchten Bedingungen leichter über längere Strecken transportiert werden können. „Das Feuchtigkeitsregime hat einen starken Einfluss auf die Stabilisierungsmuster des Kohlenstoffs im Boden, da es das Ausmaß der Verlagerung von Kohlenstoff aus den Pflanzenresten in den umgebenden Boden steuert“, sagt Schlüter.
Der neue methodische Ansatz eröffnet nun interessante Forschungsperspektiven, etwa wie sich der Kohlenstoff im Unterboden (d.h. in den tieferen Bodenschichten bis zu einem Meter) verteilt. Bislang gibt es nur Indizien dafür, dass die Verteilungsmuster des Kohlenstoffs im Unterboden anders sind als im Oberboden. Das liegt daran, dass letzterer nicht von der Bodenbearbeitung beeinflusst und nicht so intensiv von grabenden Tieren durchmischt wird. Kohlenstoff kann nur durch Anreicherung an den wenigen Wurzeln oder durch Diffusion gelöster organischer Stoffe in tiefere Schichten gelangen. „Es wäre spannend, mehr über diese Prozesse herauszufinden. Aufgrund des Klimawandels und der daraus resultierenden häufigen Dürreperioden im Oberboden fehlt den Pflanzen zunehmend Wasser. „Die Bedeutung des Unterbodens für das Pflanzenwachstum nimmt also zu“, sagt Vogel. Mit der neuen Methode wollen die Forscher die Prozesse der Kohlenstoffspeicherung in tieferen Schichten sowie die Ursachen für die Unterschiede in der Kohlenstoffbilanz zwischen verschiedenen Formen der Landbewirtschaftung (z.B. Grünlandnutzung und Ackerbau) besser verstehen.
Datum: April 21, 2022
Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Journal Reference:
- Steffen Schlüter, Frederic Leuther, Lukas Albrecht, Carmen Hoeschen, Rüdiger Kilian, Ronny Surey, Robert Mikutta, Klaus Kaiser, Carsten W. Mueller, Hans-Jörg Vogel. Microscale carbon distribution around pores and particulate organic matter varies with soil moisture regime. Nature Communications, 2022; 13 (1) DOI: 10.1038/s41467-022-29605-w