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Die Nachricht klingt fast wie aus einem utopischen Roman: Im Juni 2025 lieferte Solarenergie erstmals mehr Strom als jede andere Quelle in der EU. 22,1 Prozent – das ist nicht nur eine Zahl, sondern ein Symbol. Ein Symbol für eine Zukunft, in der wir mit der Sonne statt mit Kohle heizen.

Krass, oder?

Ein Meilenstein – aber warum jetzt?

Warum genau jetzt dieser Sprung? Ganz einfach: Weil die EU in den letzten Jahren kräftig Photovoltaik-Kapazitäten zugebaut hat. Panels auf Fabrikdächern, Freiflächenanlagen auf alten Kiesgruben, Solarparks entlang Autobahnen – das alles trägt Früchte.

Und natürlich spielte das Wetter mit. Viel Sonne, wenig Regen. Ein wenig ist es allerdings auch beängstigend, dass genau diese „guten Bedingungen“ auch eine Folge der Klimakrise sein könnten.

Länderrekorde: Deutschland als Solarschwergewicht

Deutschland hat’s wieder mal allen gezeigt. Im Juni 2025 knackten deutsche Solaranlagen erstmals die Zehn-Milliarden-Kilowattstunden-Marke – ein Plus von fast 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Frankreich, Belgien und Polen legten ebenfalls kräftig zu.

Kurze Zwischenfrage: Hättest du vor zehn Jahren gedacht, dass Polen eines Tages Solarweltmeister-Städte wie Rzeszów oder Krakau hätte? Ich nicht.

Die Kohle bröckelt

Die Kohle steht am Abgrund – und das nicht erst seit gestern. Ihr Anteil an der europäischen Stromerzeugung sackte im Juni auf mickrige 6,1 Prozent. Selbst Deutschland und Polen, die lange am Kohlenstaub gehangen haben wie ein Baby an der Milchflasche, reduzieren kräftig.

Manchmal frage ich mich: Wie lange kann sich dieser alte Energiedinosaurier noch am Leben halten, wenn doch inzwischen jeder weiß, dass sein Aussterben unausweichlich ist?

Fossile Energien: Gas bleibt

Aber bevor wir hier den Champagner entkorken: Der Anteil fossiler Energien insgesamt blieb mit 23,6 Prozent nahezu unverändert. Grund dafür? Die Wasserkraft schwächelte und Gas sprang in die Bresche.

Klar, weniger Regen bedeutet weniger Wasser in den Speicherseen. Das ist der bittere Beigeschmack der Solarrekorde – Trockenheit in Südeuropa und massive Dürreperioden. Auch das eine kurze Erinnerung daran, wie sehr Klima- und Energiekrise zusammenhängen.

Speicher und Flexibilität – die ewigen Hausaufgaben

Die Solarenergie hat bewiesen, dass sie führen kann. Doch was nützt der schönste Sonnenstrom, wenn er abends fehlt? Ohne Speicherkapazitäten bleibt das System wacklig wie ein Stuhl mit drei Beinen.

Und genau hier liegt die große Aufgabe der nächsten Jahre: Mehr Batteriespeicher, auch dezentral in Wohnhäusern. Ausbau von Power-to-X-Technologien, etwa grüner Wasserstoff. Flexibilisierung der Stromnetze, damit Überschüsse verteilt statt verschwendet werden.

Ein Bild, das Hoffnung macht – und drängende Fragen aufwirft

Ich stelle mir oft vor, wie Satellitenaufnahmen der Erde eines Tages aussehen: Keine Rauchwolken über Kohlekraftwerken mehr, dafür Millionen funkelnder Solarpanels. Ein Meer aus Glas und Silizium, das unser Überleben sichert.

Aber – und das ist die Gretchenfrage – haben wir dafür genug gesellschaftlichen Rückhalt? Werden wir es schaffen, alle Menschen mitzunehmen, auch jene, die heute noch im Bergbau arbeiten oder in Regionen leben, die massiv vom Kohleausstieg betroffen sind?

Persönliche Reflexion: Wut, Hoffnung, Verantwortung

Manchmal wache ich nachts auf und denke an all die Chancen, die wir schon verpasst haben. Die verpassten Klimaziele. Die immer heißeren Sommer. Die Menschen, die jetzt schon ihr Zuhause an steigende Meere verlieren.

Doch dann lese ich Zahlen wie diese hier – Solarenergie ist erstmals Nummer eins – und spüre, dass es geht, wenn wir nur wollen. Es ist wie beim Marathon: Die letzten Kilometer tun am meisten weh, aber gerade dann trennt sich Scheitern von Erfolg.

Vielleicht ist es genau jetzt an der Zeit, unsere Bequemlichkeit gegen echte Tatkraft einzutauschen. Denn die Sonne schenkt uns täglich mehr Energie, als wir je verbrauchen könnten. Alles, was fehlt, ist der Wille, sie zu nutzen.

Von Andreas M. Brucker


Quellen