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Ein trockener Sommer – und das Imperium stolpert

Wer hätte gedacht, dass ein paar dürrere Sommer das mächtige Römische Reich ins Straucheln bringen könnten? Und doch zeigt eine aktuelle Studie der Universität Cambridge genau das: In den Jahren 364 bis 366 n. Chr. erlebte Britannien eine Serie extremer Dürrejahre, die nicht nur die Felder verdorren ließen, sondern auch die Grundfesten römischer Herrschaft erschütterten.

Das Ergebnis? 367 n. Chr. griffen die sogenannten Barbaren – Pikten, Scotti und Sachsen – koordiniert die römische Provinz an. Was oberflächlich wie eine militärische Invasion aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als das Ergebnis einer fatalen Wechselwirkung zwischen Klimakatastrophe und politischer Instabilität.

Doch wie genau konnte das Klima solch gravierende Auswirkungen haben?


Bäume als stille Chronisten der Katastrophe

Die Antwort liegt in den Jahresringen alter Eichen. Dendrochronologie nennt sich die Methode, mit der Forscher:innen anhand der Dicke dieser Ringe das Klima vergangener Jahrhunderte rekonstruieren. In diesem Fall lieferten die Bäume aus Südengland einen klaren Befund: In den Sommermonaten zwischen April und Juli fielen in den betroffenen Jahren nur etwa 28 bis 37 Liter Regen – weit unter dem langjährigen Mittel von 51 Litern.

Klingt nach einer kleinen Zahlenspielerei? Für die damalige Landwirtschaft bedeutete das den Super-GAU. Missernten, leere Speicher, Hunger. Wer nichts zu essen hat, denkt nicht an Loyalität gegenüber fernen Kaisern. Man könnte sagen: Das Klima hat das Fundament aus Brot und Spielen erodiert, auf dem Rom seine Macht stützte.


Hungersnot, Meuterei, Überläufer – das Militär zerbricht

Die Auswirkungen auf die römischen Truppen entlang des Hadrianswalls waren dramatisch. Historische Berichte sprechen von Meutereien, Desertionen und Soldaten, die sich sogar den angreifenden Stämmen anschlossen.

Wie verzweifelt muss jemand sein, der lieber zum Feind überläuft, als in den Reihen des Imperiums zu verharren? Das Bild, das sich hier zeichnet, ist das eines zerbrechenden Systems, in dem die militärische Ordnung ebenso ausgetrocknet war wie die Felder.

Der römische Historiker Ammianus Marcellinus schrieb über diese Zeit, die Bevölkerung Britanniens sei von Hungersnot gezeichnet gewesen – eine Not, die Barbaren und Römer gleichermaßen betraf, aber den Unterschied zwischen Verteidigern und Angreifern verwischte.


Klimawandel als unsichtbarer Spieler auf dem historischen Schachbrett

War das Römische Reich also ein Opfer des Wetters? Nein, so einfach ist es nicht. Vielmehr zeigt diese Episode, wie Umweltbedingungen wie ein letzter Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen können – nicht allein ursächlich, aber eben der letzte Stoß, der ein ohnehin fragiles Gebilde kippen lässt.

Die Dürre war der Funke, der ein Pulverfass entzündete, das längst bereitstand. Politische Spannungen, militärische Überdehnung, soziale Ungleichheiten – all das lag schon in der Luft. Aber ohne das Klima hätte es vielleicht noch Jahre gebraucht, bis alles zusammenbrach.

Ist das nicht auch heute eine drängende Frage? Wie stabil sind unsere Systeme, wenn sie von außen unter Druck geraten? Der Klimawandel von heute ist weit mehr als nur eine Umweltkrise – er ist ein Risikofaktor für politische Instabilität weltweit. Die Geschichte lehrt uns: Wird das Klima zum Stressfaktor, wanken selbst scheinbar unerschütterliche Mächte.


Ein Echo der Vergangenheit: Lehren für die Gegenwart

Dass Natur und Gesellschaft untrennbar miteinander verwoben sind, ist keine neue Erkenntnis. Aber selten wird es so plastisch wie in dieser Studie. Wer das Klima ignoriert, übersieht einen stillen, aber mächtigen Akteur, der Politik und Geschichte mitgestaltet.

Damals war es die Dürre, die das römische Britannien schwächte – heute sind es Hitzewellen, Überschwemmungen und schmelzende Pole, die unsere moderne Welt herausfordern. Der Blick zurück macht deutlich: Auch Hochkulturen scheitern, wenn sie nicht resilient genug sind.

Fragt sich nur: Sind wir bereit, diese Lektion wirklich ernst zu nehmen?

Andreas M. Brucker