Erneuerbare Energien boomen. Windräder drehen sich in weiten Landschaften, Solaranlagen glitzern auf Millionen Dächern. Und doch: Die Produktion von Kohle, Öl und Gas sinkt nicht – zumindest nicht überall. Klingt widersprüchlich? Ist es auch. Aber eine neue Studie zeigt, warum der Anstieg erneuerbarer Energien allein nicht ausreicht, um fossile Brennstoffe zurückzudrängen.
Wenn mehr nicht weniger bedeutet
Zwischen 1997 und 2020 hat sich in den USA viel getan. Solarenergie, Windkraft, Wasserkraft – all das hat deutlich zugelegt. Doch eine umfassende Analyse von 33 US-Bundesstaaten mit fossiler Energieproduktion bringt Ernüchterung: Es gibt keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Ausbau erneuerbarer Energie und einem Rückgang der fossilen Energieproduktion.
Wie bitte?
Ja, tatsächlich: Selbst dort, wo kräftig in Wind und Sonne investiert wurde, pumpen die Förderanlagen weiter Öl, schaufeln Minen weiter Kohle. Grund dafür sind laut Studie vor allem statische Faktoren: Lagerstätten, vorhandene Infrastruktur, politische Traditionen. Wenn ein Staat reich an fossilen Ressourcen ist, wird dort auch gefördert – unabhängig davon, wie viel grüner Strom erzeugt wird.
Ein Strukturproblem mit politischen Wurzeln
Es zeigt sich: Ohne konkrete politische Eingriffe verändert sich wenig. Nur weil ein Windpark steht, heißt das nicht, dass ein Kohlekraftwerk abgeschaltet wird. Der Markt allein regelt hier gar nichts – vor allem nicht in einer hochsubventionierten Branche wie der fossilen Energie.
Notwendig wären also:
- CO₂-Steuern oder Preisaufschläge auf fossile Emissionen
- Produktionsobergrenzen für Öl, Gas und Kohle
- Moratorien für neue Infrastruktur wie Pipelines oder LNG-Terminals
Doch genau daran scheiden sich die Geister – politisch wie wirtschaftlich. Viele Bundesstaaten hängen am fossilen Tropf, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen inklusive. Und das macht echte Veränderungen schwierig.
Ein Lichtblick? Regionale Unterschiede
Aber es gibt auch Ausnahmen. In Staaten mit flexiblen Stromnetzen, wie Kalifornien oder Texas, verdrängen erneuerbare Energien tatsächlich fossile Stromquellen. Dort zeigen sich die Potenziale eines intelligenten Energiemanagements: Wenn das Netz Wind- und Sonnenstrom effektiv integriert, laufen Gaskraftwerke seltener. Das spart Emissionen – wenn auch vorerst nur im Stromsektor.
Anders sieht es in Regionen aus, die stark von Kohle abhängig sind. Dort hemmt die träge Infrastruktur die Integration erneuerbarer Energien. Kohlekraftwerke lassen sich nicht einfach an- und ausschalten, Speicher fehlen, politische Rückendeckung ebenso.
Illusion der „grünen Verdrängung“
Diese Erkenntnisse sind unbequem – aber notwendig. Wer glaubt, dass der Bau neuer Solaranlagen automatisch Kohlekraftwerke ersetzt, sitzt einem Irrtum auf. Ohne flankierende Maßnahmen entsteht eher eine Energiedopplung als eine Energiewende: Mehr Strom wird produziert, aber nicht zwingend umweltfreundlicher.
Muss das so bleiben?
Nicht unbedingt. Doch es braucht Mut zur klaren Entscheidung: Wollen wir die fossile Energieproduktion wirklich zurückfahren – oder uns nur grünrechnen?
Fazit: Technik reicht nicht – Politik muss handeln
Der technologische Fortschritt ist da. Erneuerbare sind billig, verfügbar, skalierbar. Doch sie allein schaffen den Ausstieg aus Kohle und Gas nicht. Es braucht politische Steuerung – klar, gerecht und konsequent.
Denn am Ende geht es nicht nur um Energieproduktion, sondern um Zukunftsgestaltung. Und die entscheidet sich nicht im Windpark, sondern in Parlamenten, Behörden und letztlich auch an der Wahlurne.
Autor: Andreas M. Brucker