Die globale Erwärmung wirkt sich besonders stark auf den Alpenraum aus. Wie die Arktis wird auch dieses europäische Gebirge immer grüner. In der Fachzeitschrift Science zeigen Forscher der Universität Lausanne und der Universität Basel jetzt anhand von Satellitendaten, dass die Vegetation oberhalb der Baumgrenze in fast 80 % der Alpen zugenommen hat. Auch die Schneedecke nimmt ab, wenn auch bisher nur leicht.
Das Schmelzen der Gletscher ist zum Symbol für den Klimawandel in den Alpen geworden. Der Rückgang der Schneedecke ist bereits jetzt aus dem Weltraum sichtbar, aber das ist bei weitem nicht die größte Veränderung. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam unter der Leitung von Professorin Sabine Rumpf von der Universität Basel sowie Professor Grégoire Mariéthoz und Professor Antoine Guisan von der Universität Lausanne.
In Zusammenarbeit mit Kollegen in den Niederlanden und Finnland untersuchten die Forscher die Veränderung der Schneedecke und der Vegetation anhand hochauflösender Satellitendaten von 1984 bis 2021. In diesem Zeitraum nahm die pflanzliche Biomasse oberhalb der Baumgrenze auf mehr als 77 % der beobachteten Fläche zu. Dieses Phänomen der „Begrünung“ infolge des Klimawandels ist in der Arktis bereits gut dokumentiert und beginnt auch in den Gebirgen festzustellen.
Größere Pflanzenbiomasse in drei Vierteln der Alpen
„Das Ausmaß der Veränderung ist in den Alpen absolut massiv“, sagt Sabine Rumpf, Hauptautorin der Studie und seit Februar Assistenzprofessorin an der Universität Basel. Die Alpen werden grüner, weil die Pflanzen neue Gebiete besiedeln und die Vegetation generell dichter und höher wird.
Bisherige Studien haben sich vor allem mit dem Einfluss der Klimaerwärmung auf die Biodiversität in den Alpen und mit Veränderungen in der Verteilung der Pflanzenarten beschäftigt. Eine so umfassende Analyse der Veränderungen der Vegetationsproduktivität in den Alpen wurde bisher jedoch noch nicht durchgeführt. Die Autoren zeigen, dass die Zunahme der pflanzlichen Biomasse vor allem auf veränderte Niederschläge und längere Vegetationsperioden als Folge der steigenden Temperaturen zurückzuführen ist.
„Alpenpflanzen sind an raue Bedingungen angepasst, aber sie sind nicht sehr konkurrenzfähig“, sagt Rumpf. Wenn sich die Umweltbedingungen ändern, verlieren diese spezialisierten Arten ihren Vorteil und werden verdrängt: „Die einzigartige Artenvielfalt der Alpen steht daher unter erheblichem Druck“.
Bereits leichte Abnahme der Schneedecke
Im Gegensatz zur Vegetation hat sich die Schneedecke oberhalb der Baumgrenze seit 1984 nur leicht verändert. Für ihre Analyse schlossen die Forscher Regionen unterhalb von 1.700 Metern, Gletscher und Wälder aus. In den verbleibenden Regionen stellten sie fest, dass die Schneedecke auf fast 10 % der Fläche deutlich abgenommen hat. Das mag nicht viel klingen, aber die Forscher möchten betonen, dass es sich dennoch um einen besorgniserregenden Trend handelt.
„Frühere Analysen von Satellitendaten hatten einen solchen Trend nicht festgestellt“, erklärt Antoine Guisan, einer der beiden Hauptautoren der Studie. „Das mag daran liegen, dass die Auflösung der Satellitenbilder unzureichend war oder dass die betrachteten Zeiträume zu kurz waren.“
„Lokale Messungen am Boden zeigen seit Jahren einen Rückgang der Schneehöhe in niedrigen Lagen“, fügt Grégoire Mariéthoz hinzu. „Dieser Rückgang hat bereits dazu geführt, dass einige Gebiete weitgehend schneefrei sind.“ Anhand der Satellitendaten kann man zwar erkennen, ob ein bestimmtes Gebiet mit Schnee bedeckt ist oder nicht, aber es lassen sich keine Rückschlüsse auf die Schneehöhe ziehen.
Bei fortschreitender Erderwärmung werden die Alpen immer mehr von weiß zu grün werden, was einen Teufelskreis in Gang setzt: „Grünere Berge reflektieren weniger Sonnenlicht und führen daher zu einer weiteren Erwärmung – und damit zu einem weiteren Schrumpfen der reflektierenden Schneedecke“, sagt Rumpf. Die Erwärmung führt auch zum weiteren Abschmelzen der Gletscher und zum Auftauen des Permafrosts, was zu mehr Erdrutschen, Steinschlägen und Muren führen kann. Außerdem betont Rumpf die wichtige Rolle von Schnee und Eis aus den Alpen für die Trinkwasserversorgung und nicht zuletzt für Erholung und Tourismus.
Datum: Juni 2, 2022
Quelle: Universität Basel
Journal Reference:
- Sabine B. Rumpf, Mathieu Gravey, Olivier Brönnimann, Miska Luoto, Carmen Cianfrani, Gregoire Mariethoz, Antoine Guisan. From white to green: Snow cover loss and increased vegetation productivity in the European Alps. Science, 2022; 376 (6597): 1119 DOI: 10.1126/science.abn6697