Klimakrise: Welche Präsidentschaftskandidaten halten das Pariser Abkommen ein?

Wer die Präsidentschaftswahlen gewinnt, muss wichtige Entscheidungen treffen, um die globale Erwärmung zu begrenzen. In Zusammenarbeit mit dem Verein Les Shifters bietet Franceinfo heute eine detaillierte Analyse der von den Elysee-Anwärtern vorgeschlagenen Maßnahmen.

Sind die Programme der Kandidaten mit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar? Diese Frage wollte Franceinfo wenige Tage vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 2022 beantworten. Hier Überblick über die Bewertung der Programme und für jeden Kandidaten eine Zusammenfassung der Analyse des Vereins Les Shifters. Die vollständige Bewertung findet man auf dieser Website.

Kein Kandidat erfüllt die Ziele des Pariser Abkommens vollständig

Die Analyse der zwölf Wahlprogramme zeigt, dass die Kandidaten insgesamt weit von den Zielen des Pariser Klimaabkommens entfernt sind. kein Kandidat präsentiert einen Plan mit Maßnahmen, die kohärent und detailliert genug sind, um dem Pariser Abkommen “sehr nahe” zu kommen. Diejenigen, die am besten abschneiden, sind Jean-Luc Mélenchon (La France insoumise) und Yannick Jadot (Europe Ecologie-Les Verts).

In einer Bewertung der Programme, die nach sieben Sektoren der Nationalen Kohlenstoffarmen Strategie (Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Wälder, Industrie, Energie und Abfall) aufgeschlüsselt ist, bleibt die Mehrheit der Kandidaten hinter den Anstrengungen zurück, die zur Einhaltung der Klimaziele erforderlich sind. Drei Kandidaten – Marine Le Pen (Rassemblement National), Nicolas Dupont-Aignan (Debout la France) und Jean Lassalle (Résistons) – präsentieren sogar Maßnahmen, die im Widerspruch zu den Klimazielen stehen, insbesondere im Energiebereich.

Einschätzung der Wahlprogramme:

Nathalie Arthaud. Das Programm der Kandidatin von Lutte Ouvrière ist nicht einfach zu analysieren: Sie präsentiert kein wirklich definiertes Regierungsprogramm als vielmehr eine Anklage gegen die Praktiken der Regierungsparteien und des kapitalistischen Systems. In Bezug auf das Klima prangert sie zum Beispiel den Mangel an verbindlichen Maßnahmen für die Industrie und die Steuern an, die das Budget der Geringverdiener belasten. Insgesamt schlägt sie “die Übernahme des Wirtschaftssystems durch die Arbeitnehmer” vor, was ihrer Meinung nach dazu führen würde, dass Umweltfragen “im Interesse aller” behandelt werden. Ohne weitere Details zu nennen.

Nicolas Dupont-Aignan. Die globale Erwärmung ist keine Priorität für den Kandidaten, dessen Programm in vielen Punkten von der französischen CO2-armen Strategie abweicht. Nicolas Dupont-Aignan möchte beispielsweise ein auf dem Auto basierendes Gesellschaftsmodell verlängern und erwähnt kaum den öffentlichen Nahverkehr. Einige Maßnahmen, wie die kostenlose Nutzung der Autobahnen ab 2027 oder die Senkung der Preise für Flugtickets zwischen den Übersee-Gebieten und Frankreich, werden sogar den Ausstoß von Treibhausgasen erhöhen, obwohl sich Frankreich zu deren Reduzierung verpflichtet hat. Sein Wahlprogramm enthält dennoch einige Maßnahmen, die mit den Klimazielen Frankreichs in Einklang stehen, wie z. B. die energetische Sanierung.

Anne Hidalgo. Die sozialistische Kandidatin deckt alle Bereiche der Nationalen Kohlenstoffarmen Strategie ab und bezieht sich mehrfach auf die Senkung der CO2-Emissionen. Unter den Maßnahmen, die mit den Klimazielen Frankreichs übereinstimmen, ist eine Entwicklung hin zur Agrarökologie, die Entwicklung des Eisenbahnsektors und von Fahrgemeinschaften sowie ein umfassender Plan zur energetischen Renovierung von Privatwohnungen hervorzuheben. Hidalgo erwähnt jedoch nicht die Verringerung des Fleischkonsums, die Reduzierung des Reiseverkehrs und macht keine Vorschläge zur Dekarbonisierung der Schwerindustrie. Eine ihrer Maßnahmen, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom und zeitweise auch auf Kraftstoffe, könnte zudem die Treibhausgasemissionen Frankreichs erhöhen.

Yannick Jadot. Der Kandidat der Grünen deckt alle wichtigen Punkte der französischen Klimaziele ab und plant Maßnahmen, die damit übereinstimmen. Als Beispiel ist die Erzeugung von Energie aus 100% erneuerbaren Quellen, die allgemeine Berechnung der CO2-Bilanz großer Unternehmen, um deren Entscheidungen zu lenken, oder auch die Anpassung der Arbeitsplätze zu nennen. Der grüne Kandidat geht manchmal sogar noch weiter, wie etwa mit seinem Ziel, die importierten Emissionen im Vergleich zu 2005 bis 2050 um 65% zu reduzieren. Notiert werden jedoch zwei Versäumnisse im Hinblick auf die nationalen Klimaziele. In Jadots Programm ist nicht die Rede davon, dass Gebäude nicht mehr mit Öl oder fossilem Gas beheizt werden sollen. Ein weiteres Manko: Die “besonders emissionsintensiven” Industriesektoren Chemie und Bauwesen werden in seinem Programm nicht behandelt.

Jean Lassalle. Das Programm des Abgeordneten aus dem Departement Pyrénées-Atlantiques fügt sich nicht in den Weg der Dekarbonisierung der französischen Wirtschaft ein. Während einige Maßnahmen mit der nationalen CO2-armen Strategie übereinstimmen, wie der Ausbau der Kernenergie und der erneuerbaren Energien, sind wichtige Sektoren überhaupt nicht im Programm enthalten, wie etwa die energetische Renovierung von Gebäuden. Einige Maßnahmen, wie die Senkung der Mehrwertsteuer auf CO2 haltige Brennstoffe, stehen sogar im Widerspruch zu den Klimazielen Frankreichs.

Marine Le Pen. Das Programm von Marine Le Pen geht nur zum Teil auf die französischen Klimaziele ein. Einige Wahlversprechen folgen den Klima-Leitlinien, wie die Dekarbonisierung der Energieproduktion, die Förderung des Schienenverkehrs und der Bio-Landwirtschaft, oder das Vorhaben, Wohnungen zu sanieren. Andere Themen, wie die Bodenbewirtschaftung oder die Senkung der Emissionen aus der Industrie, werden jedoch kaum behandelt. Weitere Maßnahmen widersprechen klar den französischen Klimazielen, wie etwa der Stopp von Windkraftprojekten und die Senkung der Mehrwertsteuer auf alle Energieträger.

Emmanuel Macron. Die Vorschläge des scheidenden Präsidenten sind im Allgemeinen mit den Klimazielen kohärent, wie seine Bereitschaft, neue Atomreaktoren zu bauen oder die Schwerindustrie zu dekarbonisieren. Doch während der Kandidat klare Ziele setzt, werden die Mittel und Wege zur Erreichung dieser Ziele nur selten angegeben. Er setzt vor allem auf die Weiterentwicklung der Technologie, insbesondere im Verkehrswesen, was Unsicherheiten hinsichtlich einer fristgerechten Umsetzung der Klimaziele schürt. Der Ausbau des Schienenverkehrs fehlt in seinem Programm ebenso wie die Umlenkung klimaschädlicher Subventionen und Investitionen, die soziale Begleitung des Übergangs oder auch die Erhaltung und nachhaltigere Bewirtschaftung der Böden.

Jean-Luc Mélenchon. Sein Programm ist in Bezug auf die Umwelt recht umfassend und übereinstimmend mit den Klimazielen Frankreichs. Das Wahlprogramm Mélenchons enthält einen umfassenden Investitionsplan, ein Regelwerk und die Einführung einer abgestimmten Planung zur Förderung der Umsetzung dieser Klimaziele. Der Kandidat von La France insoumise ist einer der wenigen, die sich mit dem Fleischkonsum befassen und schlägt insbesondere den Ausstieg aus der Massentierhaltung vor. Insgesamt zeichnet sich sein Programm durch die starke Integration der Herausforderung der sozialen Gerechtigkeit in die Herausforderung der Reduzierung von CO2-Emissionen aus. Es enthält eine Vielfalt an Vorschlägen rund um die klimatischen Herausforderungen auf internationaler Ebene.

Valérie Pécresse. Ihr Programm deckt die meisten Bereiche der Nationalen Kohlenstoffarmen Strategie ab. Mehrere Ziele, die mit dem französischen Fahrplan übereinstimmen, werden in dem Text angekündigt: die Umstellung der Stromerzeugung, die Dekarbonisierung des Verkehrs, die Renovierung von Wohnungen, die Veränderung der landwirtschaftlichen Praktiken. Ihr Programm enthält allerdings relativ wenige Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und einer sparsameren Energienutzung und man muss feststellen, dass sich Valérie Pécresse nicht für eine Dekarbonisierung der Industriezweige mit den höchsten Emissionen interessiert. Insgesamt scheint die Fähigkeit der Kandidatin, das Ziel einer CO2-Neutralität zu erreichen, fraglich.

Philippe Poutou. Das Programm des antikapitalistischer Kandidaten und Gewerkschafters ist zwar knapp, vergisst aber nicht, Fragen der Dekarbonisierung zu behandeln. Mehrere Ziele stimmen mit der Nationalen Kohlenstoffarmen Strategie überein, wie etwa die Planung und Zentralisierung der Umsetzung eines ökologischen Übergangs. Ein Fokus auf den Verkehr, starken Ziele für die Isolierung von Wohngebäuden und ein Stopp der Landgewinnung oder der Schutz landwirtschaftlicher Böden gehen ebenfalls in die Richtung der französischen Klimaziele. Das Programm deckt jedoch nur ungenügend die Grundzüge des französischen Fahrplans zur Einhaltung des Pariser Abkommens ab. Es werden Themen wie Abfall und Forschung nicht behandelt.

Fabien Roussel. Das Programm von Fabien Roussel kann als kontrastreich bezeichnet werden. Auf der einen Seite steht ein starker Wille zur Dekarbonisierung und ein weitreichender Plan auf europäischer Ebene, der die Grundzüge der nationalen Strategie für einen niedrigen Kohlenstoffausstoß respektiert. Der kommunistische Kandidat will zum Beispiel 140 Milliarden Euro pro Jahr für den Klimaschutz einsetzen. Auf der anderen Seite erwähnt er den Ausstieg aus den fossilen Energien im Verkehrssektor nicht, obwohl dieser in Frankreich der Sektor mit den meisten Treibhausgasemissionen ist, und will bei den erneuerbaren Energien den Schwerpunkt auf die Wasserkraft legen, obwohl das Land bereits nahe an der maximal möglichen Anzahl von Staudämmen liegt. Schließlich machen einige Aussagen stutzig, etwa wenn Roussel behauptet, dass der Benzinverbrauch mit der Senkung der Kraftstoffpreise zurückgehen wird.

Eric Zemmour. Der Kandidat der Partei “Reconquête!” deckt nur teilweise die Ziele ab, die in der Nationalen Kohlenstoffarmen Strategie festgelegt wurden. Einige Maßnahmen gehen in die Richtung des von Frankreich aufgestellten Klimaplans: Maßnahmen zugunsten der Reindustrialisierung, die Einführung einer Kohlenstoffsteuer an den Grenzen, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder Maßnahmen gegen den Bau neuer Supermärkte an den Stadträndern. Einige Hauptachsen fehlen jedoch: die Reduzierung fossiler Energieträger, die Dekarbonisierung der Industrie, der sparsame Umgang mit Energie oder Sensibilisierungsmaßnahmen für diese Herausforderungen. Andere Vorhaben könnten als kontraproduktiv angesehen werden, wie etwa die geplante Unterstützung der Automobilindustrie.

Der vollständige Artikel in französischer Sprache kann hier eingesehen werden.

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