Tot oder lebendig: Seegräser setzen nach ihrem Absterben weiterhin Methan frei

Seegräser bedecken weltweit flache Küstenregionen der gemäßigten und tropischen Meere. Seegraswiesen bilden die Grundlage eines lebenswichtigen Ökosystems, das zahlreiche Tiere beherbergt, darunter gefährdete Arten von Meeresschildkröten, Seepferdchen und Fischen. Außerdem schützen sie die Küsten vor Erosion und binden jedes Jahr Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Seegraswiesen stoßen aber auch Treibhausgase aus, vor allem Methan, das eine viel stärkere Wirkung auf unser Klima hat als Kohlendioxid.

Woher kommt das Methan?

Sina Schorn und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie und Hydra Marine Sciences untersuchten zunächst, woraus das Methan in den Seegraswiesen gebildet wird. Seegräser bilden, wie viele Landpflanzen, große Torfablagerungen unter der Sedimentoberfläche. Es ist bekannt, dass terrestrische Torfablagerungen bei der Zersetzung des organischen Materials große Mengen an Methan freisetzen. Daher gingen die Forscher davon aus, dass die Mechanismen der Methanproduktion in Seegraswiesen ähnlich sind. Doch das Gegenteil war der Fall: Das Gegenteil war der Fall. „Hier erlebten wir die erste Überraschung“, erklärt Schorn, der Erstautor der Studie.

„In Seegrassedimenten wird Methan ausschließlich aus einer Klasse von organischen Verbindungen gebildet“, sagt Schorn. „Diese sogenannten methylierten Verbindungen werden von der Seegraspflanze selbst produziert. Spezialisierte Mikroorganismen, die methanogenen Archaeen, wandeln diese Verbindungen dann in Methan um.“ Zu den Verbindungen gehört unter anderem Betain: eine Verbindung, die den Seegräsern hilft, mit Veränderungen des Salzgehalts im Meerwasser fertig zu werden. Da die methanogenen Archaeen diese Verbindungen direkt nutzen können, ist die Methanproduktion in Seegraswiesen sehr effizient und robust gegenüber Umweltbelastungen.

Und noch etwas ist in Seegraswiesen anders als an Land: Die Freisetzung von Methan in die Wassersäule erfolgt sehr schnell. Zunächst einmal wirkt das Pflanzengewebe wie ein Strohhalm, der dem Gas hilft, vom Meeresboden ins Wasser zu entweichen. Da Seegräser nur in flachem Wasser wachsen, haben pelagische Mikroorganismen kaum Gelegenheit, das Methan zu verbrauchen, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Außerdem wäscht das Meerwasser, das durch die Sande fließt, auf denen diese Seegräser wachsen, das Methan schnell aus dem Sediment aus.

Auch tote Seegraswiesen sind Quellen von Methan

Im Rahmen ihrer Studie beprobten die Bremer Forscher eine abgestorbene Seegraswiese. „Hier stießen wir auf eine weitere Überraschung“, berichtet Jana Milucka, Seniorautorin der Studie und Leiterin der Forschungsgruppe Treibhausgase am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie. „Die Raten der Methanproduktion waren ähnlich hoch wie in der intakten Seegraswiese.“ Offensichtlich wird in abgestorbenen Seegrassedimenten noch Methan gebildet. „Wir glauben, dass der Grund für diese anhaltende Methanproduktion darin liegt, dass methylierte Verbindungen sehr lange im Pflanzengewebe verbleiben“, sagt Milucka. Sie konnten sogar in Pflanzengewebe nachgewiesen werden, das vor mehr als zwei Jahrzehnten abgestorben war.

Methanemissionen gleichen den Blue Carbon-Effekt teilweise aus

„Derzeit erleben wir weltweit ein Absterben von Seegraswiesen, was verheerende Auswirkungen auf die Küstenökosysteme hat. Unsere Ergebnisse geben zu bedenken, dass nach dem Absterben der Pflanze zwar kein Kohlendioxid mehr aus der Atmosphäre gebunden und im Sediment als ‚blauer Kohlenstoff‘ gespeichert wird, aber Methan weiterhin freigesetzt werden kann“, erklärt Milucka.

Die Arbeit unterstreicht die Bedeutung von Seegraswiesen für unser Klima und macht deutlich, wie wichtig es ist, diese Ökosysteme besser zu verstehen und zu erhalten. Seegraswiesen sind küstennahe Lebensräume, und die Küstenregionen sind am stärksten von anthropogenen Veränderungen betroffen. „Wir müssen verstehen, wie das Ökosystem Seegraswiese funktioniert, um die Auswirkungen des fortschreitenden globalen Wandels auf sie zu bestimmen“, betont Schorn.

Als nächstes wollen die Forscher am Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie ihre Messungen auf andere Regionen und andere Seegrasarten ausweiten. Außerdem wollen sie die an der Methanproduktion beteiligten Mikroorganismen genauer untersuchen, da diese erstaunlich vielfältig und weitgehend unerforscht sind.

Begriffe

  1. Methan ist eine chemische Verbindung mit der Summenformel CH4. Es ist der einfachste Kohlenwasserstoff und ein starkes Treibhausgas.
  2. Methanogenese ist die Bildung von Methan durch Mikroorganismen, die Methanogene genannt werden.
  3. Methanogene sind Mikroorganismen (Archaeen), die Methan in Abwesenheit von Sauerstoff produzieren.

Datum: Februar 14, 2022

Quelle: Max Planck Institute for Marine Microbiology


Sina Schorn, Soeren Ahmerkamp, Emma Bullock, Miriam Weber, Christian Lott, Manuel Liebeke, Gaute Lavik, Marcel M. M. Kuypers, Jon S. Graf, Jana Milucka. Diverse methylotrophic methanogenic archaea cause high methane emissions from seagrass meadowsProceedings of the National Academy of Sciences, 2022; 119 (9): e2106628119 DOI: 10.1073/pnas.2106628119

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