Wärmeliebhaber sind die Gewinner: Insekten und der Klimawandel

Libelle

Aufgrund spärlicher Daten ist es oft schwierig zu verfolgen, wie sich der Klimawandel auf die Populationen von Insektenarten auswirkt. Eine neue Studie der Technischen Universität München (TUM) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) hat nun eine umfangreiche Artenschutzkartierung (ASK) des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) ausgewertet und die Bestandsentwicklung von Schmetterlingen, Libellen und Heuschrecken in Bayern seit 1980 untersucht. Die wichtigste Erkenntnis: Wärmeliebende Arten haben zugenommen.

Der Klimawandel ist in Mitteleuropa schon lange im Gange, und es ist kein Geheimnis, dass er sich auf die Populationen und die Verbreitung von Tieren und Pflanzen auswirkt. Vor allem die Entwicklung der Insekten gibt zunehmend Anlass zur Sorge, da ihr Rückgang in mehreren Studien nachgewiesen wurde. Wie sich die Populationen unserer Insektenarten in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben, ist eine Frage, die das BioChange Lab der TUM untersucht. „Es ist nicht nur das Klima, das sich verändert, sondern auch die Art und Intensität der Landnutzung. Dazu gehören Land- und Forstwirtschaft, urbane Räume und Verkehrsinfrastruktur“, sagt Dr. Christian Hof, Leiter der Forschungsgruppe BioChange an der TUM.

Während Veränderungen in der Flora und Fauna in bestimmten Gebieten oder für bestimmte Arten gut dokumentiert sind, liegen für Insekten und vor allem über längere Zeiträume nur sehr wenige Daten vor. Dies macht es schwierig, allgemeine Schlussfolgerungen über die Veränderungen in den Populationen von Insektenarten und die Faktoren, die den Wandel der biologischen Vielfalt vorantreiben, zu ziehen. Dabei sind es gerade die Erkenntnisse über die zeitliche Entwicklung der Artenpopulationen, die zusammen mit Faktoren wie Landnutzung und Klima in die Erhaltungspläne zum Schutz von Arten, Biotopen und Klima einfließen.

Ein reichhaltiges Netz von Daten

Dank des unermüdlichen Einsatzes von ehrenamtlichen und professionellen Naturbeobachtern verfügen wir über Datensätze zum Vorkommen verschiedener Arten in Deutschland. Eine besonders nützliche Quelle ist die Artenkartierungsdatenbank (ASK) des Bayerischen Landesamtes für Umwelt. Die ASK ist das landesweite Register der Tier- und Pflanzenarten in Bayern und umfasst derzeit rund 3,1 Millionen Arten. Sie bildet eine zentrale Datengrundlage für die tägliche Arbeit der Naturschutzbehörden und für die Erstellung der Roten Listen der bedrohten Arten durch das LfU.

Mit komplexen statistischen Methoden werteten Forscher des TUM-Lehrstuhls für Terrestrische Ökologie die wertvollen ASK-Daten aus und analysierten die Bestandsentwicklung von mehr als 200 Insektenarten in Bayern – rund 120 Schmetterlinge, 50 Orthopteren und 60 Libellen. In Zusammenarbeit mit vielen anderen Experten zeigten sie, dass über alle diese Insektengruppen hinweg eine Zunahme der Bestände wärmeliebender Arten und ein Rückgang der an kühlere Temperaturen angepassten Arten zu verzeichnen ist.

Arten wie die wärmeliebende Scharlachlibelle profitieren vom Klimawandel

Die Einteilung der Insekten in wärmeliebende und kälteliebende Arten erfolgte auf der Grundlage empirischer Daten. „Wir haben die Temperaturpräferenzen der einzelnen Arten anhand von Daten über ihre Verbreitung in Europa und die dortige Durchschnittstemperatur ermittelt. Das heißt, Arten mit einer überwiegend nördlichen Verbreitung sind kälteangepasste Arten, Arten mit einer überwiegend südeuropäischen Verbreitung sind wärmeangepasste Arten“, sagt Eva Katharina Engelhardt, Doktorandin am TUM BioChange Lab.

Zu den wärmeangepassten Arten gehören der Stabschreckenbläuling, die Europäische Laubheuschrecke und die Scharlachlibelle. „Die Scharlachlibelle ist einer der bekanntesten Nutznießer der globalen Erwärmung. Die Libelle, die vor allem im Mittelmeerraum vorkommt, tauchte Anfang der 1990er Jahre erstmals in Bayern auf und ist inzwischen weit verbreitet“, berichtet Hof.

Zu den kälteangepassten Arten gehören der Thorsfritillar, die Grüne Gebirgsschrecke und die Weißgesichtige Heidelibelle.

Populationen von Schmetterlingen, Orthopteren und Libellen vom Klimawandel betroffen

„Unsere Vergleiche der verschiedenen Insektengruppen ergaben signifikante Unterschiede“, sagt Engelhardt. „Während bei den Schmetterlings- und Orthopterenarten mehr Rückgänge als Zunahmen zu verzeichnen waren, waren die Trends bei den Libellen weitgehend positiv. Ein möglicher Grund dafür ist die Verbesserung der Wasserqualität in den letzten Jahrzehnten, eine Veränderung, von der vor allem Libellen profitieren, die auf aquatische Lebensräume angewiesen sind. Lebensraumspezialisten, d. h. Arten, die an ganz bestimmte Ökosysteme angepasst sind, verzeichneten einen Rückgang. Schmetterlinge wie die Große Heidelibelle oder der Moosbeerbläuling sind beispielsweise Spezialisten, da sie auf ganz bestimmte Lebensräume angewiesen sind.

„Unsere Studie verdeutlicht die komplexen Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Insektenfauna. Unsere Arbeit ist auch ein Beispiel dafür, wie man mit modernen Ansätzen der Datenanalyse faszinierende Ergebnisse aus vorhandenen Datensätzen gewinnen kann. Ehrenamtliche und behördliche Naturschutzarbeit generiert zwar oft Daten, diese werden aber selten systematisch ausgewertet. Das sollte durch Kooperationen wie die unsere viel häufiger geschehen“, sagt Dr. Diana Bowler vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).

Johannes Voith, Entomologe im Bayerischen Artenschutzzentrum am LfU, fügt hinzu: „Insbesondere im Rahmen der Zusammenarbeit mit der TUM profitieren wir von den gewonnenen Erkenntnissen. Als nächstes planen wir, dynamische Verbreitungskarten für einzelne Arten zu erstellen.“

Datum: Juni 3, 2022
Quelle: Technische Universität München (TUM)


Journal Reference:

  1. Eva Katharina Engelhardt, Matthias F. Biber, Matthias Dolek, Thomas Fartmann, Axel Hochkirch, Jan Leidinger, Franz Löffler, Stefan Pinkert, Dominik Poniatowski, Johannes Voith, Michael Winterholler, Dirk Zeuss, Diana E. Bowler, Christian Hof. Consistent signals of a warming climate in occupancy changes of three insect taxa over 40 years in central EuropeGlobal Change Biology, 2022; DOI: 10.1111/gcb.16200

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