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Ein politischer Donnerschlag erschüttert Frankreichs Energielandschaft: Am 19. Juni 2025 hat die Nationalversammlung ein Moratorium für neue Wind- und Solarprojekte verabschiedet. Ein Bündnis aus rechten und rechtsextremen Abgeordneten drückte die Maßnahme gegen den Widerstand der Regierung durch – ein enges Votum, mit weitreichenden Folgen.

Energiepolitik im Rückwärtsgang?

Der Änderungsantrag kam von Jérôme Nury aus der Partei Les Républicains. Seine Forderung: alle neuen Wind- und Solaranlagen sofort auf Eis legen – bis eine unabhängige Studie klärt, welcher Energiemix für Frankreich „optimal“ sei. Das Ergebnis fiel knapp aus: 65 Ja-Stimmen, 62 Nein-Stimmen. Auffällig viele Abgeordnete aus der Mitte und der linken Opposition glänzten durch Abwesenheit.

So konnte der Rassemblement National (RN), der den Erneuerbaren seit Jahren kritisch gegenübersteht, einen strategischen Erfolg verbuchen. Jean-Philippe Tanguy (RN) feierte das Ergebnis mit den Worten: „Ein zentraler Punkt aus Marine Le Pens Programm ist damit erfüllt.“

Regierung empört – Opposition alarmiert

Das Wirtschaftsministerium reagierte wütend. Marc Ferracci, zuständig für Industrie, sprach von einer „unverantwortlichen“ Entscheidung und warnte vor einem möglichen Kollaps der gesamten Branche. Auch Antoine Armand von der Regierungspartei Renaissance, der die ursprüngliche Gesetzesvorlage mitentwickelte, fand klare Worte: „Das ist wirtschaftlich und industriell eine Katastrophe.“

Die Empörung der ökologisch ausgerichteten Parteien ließ nicht lange auf sich warten. Sandrine Rousseau (EELV) warf der Rechten vor, die Zukunft junger Generationen aufs Spiel zu setzen. Matthias Tavel von La France Insoumise nannte das Votum gar einen „organisierten Sabotageakt“ gegen alle bisherigen Klimaschutzbemühungen der Regierung.

Windstille für die Energiewende?

Das Moratorium trifft Frankreich in einer sensiblen Phase. Das Land verfolgt das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Dafür sind massive Investitionen in Solar- und Windkraft unumgänglich. Und jetzt? Wird der Stecker einfach gezogen?

Branchenverbände schlagen Alarm: Der Ausbau erneuerbarer Energien droht zum Erliegen zu kommen – mit Folgen für Jobs, Innovationen und internationale Klimaverpflichtungen. Rund 200 Terawattstunden Ökostrom bis 2030 waren das erklärte Ziel. Doch wie soll das gehen, wenn künftig keine neuen Anlagen mehr genehmigt werden?

Man fragt sich: Was wiegt schwerer – ideologische Kämpfe oder wissenschaftlich fundierte Klimapolitik?

Das Votum offenbart tiefe Risse im politischen Gefüge Frankreichs. Dass RN, LR und Teile anderer konservativer Gruppen diese Vorlage durchbringen konnten, liegt nicht zuletzt an der Mobilisierungsschwäche der Regierungsparteien – ein taktisches Eigentor.

Und es zeigt: Die Rechtspopulisten sind längst keine Randerscheinung mehr. Sie beeinflussen aktiv Gesetzgebungsverfahren, verschieben Debatten, nutzen jedes Machtvakuum.

Am 24. Juni steht die entscheidende Abstimmung über das gesamte Energiegesetz an. Die Regierung muss sich entscheiden: Frisst sie die Kröte des Moratoriums – oder lässt sie die Vorlage scheitern und riskiert politische Turbulenzen?

Windkraft gegen Windstille: Was steht auf dem Spiel?

Wer sich heute gegen Windräder stellt, stellt sich morgen gegen das Weltklima. Klingt pathetisch – ist aber die Realität. Der Rückzug aus dem Ausbau erneuerbarer Energien steht im krassen Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen wie dem Pariser Klimaabkommen.

Erinnern wir uns: Frankreich wollte ursprünglich Vorreiter in Sachen grüner Energiewende sein. Und nun? Spielt das Land politisches Roulette mit seiner Zukunft – ausgerechnet in einer Zeit, in der Europa dringend auf Solidarität im Klimaschutz angewiesen ist.

Wer profitiert von dieser Kehrtwende? Sicher nicht die Beschäftigten im Sektor. Und ganz bestimmt nicht die Menschen, die unter Hitzewellen, Dürren und Energieproblemen leiden.


Die eigentliche Frage lautet:

Wie kann ein Land, das sich öffentlich zu Klimaneutralität bekennt, gleichzeitig neue Projekte im Bereich Wind und Solar blockieren?


Hoffnung auf Kurskorrektur?

Ganz ehrlich: Diese Entscheidung hat mich wütend gemacht. Es fühlt sich an, als ob Jahrzehnte an Aufklärung, Forschung und Umweltengagement plötzlich nichts mehr zählen. Aber vielleicht – nur vielleicht – steckt in dieser Krise auch ein Weckruf.

Denn eines ist klar: Solche Beschlüsse bleiben nicht unbemerkt. Die Zivilgesellschaft, Wissenschaftler:innen, Unternehmen und engagierte Abgeordnete werden nicht tatenlos zusehen, wie eine ganze Branche gegen die Wand gefahren wird. Frankreichs Energiewende steht auf der Kippe – aber sie ist noch nicht verloren.

Und wer weiß? Vielleicht gibt es am 24. Juni doch noch eine Überraschung.

Von Andreas M. Brucker