Es ist ein Bild, das man nicht mehr vergisst: Ein Frosch sitzt im langsam erhitzten Kochtopf, merkt die Gefahr zu spät – und stirbt. Was lange als Metapher für schleichende Krisen galt, ist für viele Amphibien inzwischen Realität. Eine neue Studie der University of New South Wales (UNSW) zeigt: Der Topf kocht längst – und Millionen Tiere sitzen mittendrin.
Wenn es einfach zu heiß wird
2 % aller Amphibienarten leben schon heute in Regionen, in denen die Temperaturen über ihre physiologische Toleranz hinausgehen. Das bedeutet: Diese Tiere können sich nicht mehr kühlen, nicht mehr normal fressen oder fortpflanzen – und das, obwohl sie noch in ihrem natürlichen Lebensraum leben.
Die Studie analysierte über 2.600 Hitzetoleranzwerte von 524 Arten – und projizierte diese Daten auf rund 60 % aller weltweit bekannten Amphibienarten. Das Ergebnis? Erschreckend konkret.
Und schlimmer noch: Bleibt alles wie bisher, könnten in naher Zukunft bis zu 7,5 % der Arten unter lebensfeindlichen Temperaturen leiden. Klingt nach einer kleinen Zahl? Bei über 8.000 bekannten Amphibienarten reden wir hier von Hunderten Spezies – und unzähligen betroffenen Ökosystemen.
Amphibien: Die empfindlichen Frühwarnsysteme
Frosch, Salamander & Co. sind weit mehr als nächtliche Quaker im Teich. Sie gelten als ökologische Indikatoren – biologische Seismografen, die uns zeigen, wenn ein System aus dem Gleichgewicht gerät.
Mit ihrer dünnen, durchlässigen Haut reagieren sie empfindlich auf Veränderungen in Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Schadstoffen. Sie leben oft in eng umgrenzten Habitaten, viele sind endemisch – sie existieren nur an einem Ort auf der Welt. Und genau dort wird es ihnen nun zu heiß.
Manche Arten schaffen es vielleicht noch, sich in kühlere Gebiete zurückzuziehen. Doch was ist, wenn es keinen Rückzugsort gibt? Oder wenn der Weg dahin durch Städte, Straßen oder Landwirtschaft versperrt ist?
Wenn der Frosch fehlt, kippt das Gleichgewicht
Ein Amphibienverlust ist nie nur der Verlust einer Tierart. Es ist ein Bruch im ökologischen Netz.
Amphibien fressen Unmengen an Insekten – darunter auch Schädlinge. Ihre Kaulquappen reinigen Gewässer, ihre Ausscheidungen bringen Nährstoffe zurück ins Ökosystem. Und sie selbst sind Nahrung für Vögel, Fische, Säugetiere. Stirbt eine Art, reißt sie andere mit.
Was passiert, wenn dieses Gleichgewicht kippt?
Plötzlich explodieren Mückenpopulationen, Krankheiten breiten sich aus, Ökosysteme verlieren ihre Struktur. Und damit auch wir Menschen – die ja bekanntlich Teil dieses Systems sind.
Der blinde Fleck in der Naturschutzpolitik
Die Ergebnisse der UNSW-Studie zeigen deutlich: Es reicht nicht, Lebensräume zu schützen, wenn die Temperaturen darin tödlich werden. Schutzgebiete, die früher als sichere Rückzugsräume galten, verwandeln sich in Hitzefallen.
Was fehlt, sind dynamische Konzepte:
- Wanderkorridore, die Arten helfen, klimatisch geeignete Regionen zu erreichen.
- Mikrohabitate, also gezielt geschaffene Schatten- und Feuchtzonen innerhalb von Schutzgebieten.
- Künstliche Gewässer, die in Dürreperioden überlebenswichtig sind.
Und natürlich: Maßnahmen, die das Hauptproblem anpacken – den Klimawandel selbst.
Ein Weckruf, der nicht überhört werden darf
Die UNSW-Forschenden sprechen von einem „boiling point“ – einem Kipppunkt, der nicht rückgängig zu machen ist. Genau dorthin bewegen sich viele Amphibienarten gerade. Und mit ihnen eine Welt, die leiser, leerer und ärmer wird.
Was wir brauchen, ist keine Symbolpolitik, sondern echte Transformation:
- Globale Emissionsreduktion mit klaren, kontrollierten Zielen.
- Investitionen in Forschung, um Toleranzgrenzen und Anpassungsstrategien besser zu verstehen.
- Bildung, die schon bei Kindern vermittelt, wie verletzlich und wertvoll Amphibien sind.
Denn wer heute den Frosch ignoriert, wird morgen die Mücke nicht mehr los.
Hoffnung im Schatten
Gibt es auch Lichtblicke? Ja. Einige Arten passen sich überraschend gut an neue Bedingungen an. Manche entwickeln Hitzetoleranz, andere finden neue Mikroklimate. Doch diese Ausnahmen sind keine Ausrede für Untätigkeit – sie sind nur das stille Versprechen, dass es sich lohnt, für jede Art zu kämpfen.
Ob das gelingt, liegt an uns.
Von Andreas M. B.
Quellen:
- University of New South Wales (UNSW): https://www.sciencedaily.com/releases/2025/03/250305134758.htm
- Earth Wise: https://earthwiseradio.org/podcast/amphibians-and-climate-change
- Mongabay: https://news.mongabay.com/2023/10/frogs-in-the-pot-two-in-five-amphibian-species-at-risk-amid-climate-crisis
- Nature / Frontiers in Ecology and Evolution