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Grasland. Für viele bloß die grüne Fläche zwischen Städten und Feldern. Für Wissenschaftler hingegen ist es ein echtes Klimatalent – eine natürliche Kohlenstoffsenke, Lebensraum für zahllose Arten, Schutzschild gegen Bodenerosion.

Doch die Klimakrise macht auch vor diesen Landschaften keinen Halt. Längere Dürreperioden setzen ihnen zu, mindern ihr Wachstum und schwächen ihre Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Eine neue internationale Studie bringt nun überraschende Einsichten: Mit gezielter Nährstoffgabe könnten Graslandschaften robuster gegen extreme Wetterlagen gemacht werden.

Klingt gut? Jein. Denn die Wahrheit hat – wie so oft – zwei Seiten.


Wenn der Regen ausbleibt

Dürre – ein Wort, das Landwirte schaudern lässt. Für Graslandschaften bedeutet es: weniger Biomasse, geringere Photosynthese, weniger Kohlenstoffbindung. In der Studie wurde der Effekt konkret gemessen: Minus 19 Prozent beim Pflanzenwachstum infolge von Trockenheit.

Ein echtes Problem – nicht nur für die Weidetiere, die auf Gras als Futterquelle angewiesen sind, sondern auch für den globalen Kohlenstoffspeicher Boden. Denn weniger Wachstum bedeutet auch: weniger organische Substanz, die in den Boden eingebracht wird.


Düngung als Klimakleber?

Die Forscher setzten an 26 Orten weltweit ein: Von Nordamerika bis Asien, von trockenen Savannen bis zu gemäßigten Wiesen. Sie testeten, wie sich zusätzliche Nährstoffe – Stickstoff, Phosphor, Kalium und Spurenelemente – auf das Pflanzenwachstum auswirken.

Und siehe da: Die Düngung steigerte das Wachstum im Schnitt um 24 Prozent – sogar unter Trockenbedingungen. Das bedeutet: Nährstoffreiche Böden können bestimmte Gräser in die Lage versetzen, auch bei Wassermangel noch gut zu wachsen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer im Kampf gegen klimatische Extreme.

Aber ist das die Lösung? Einfach mehr Dünger – und alles ist gut?


Der Haken an der Sache

So verlockend die Ergebnisse klingen – ganz so einfach ist es nicht. Düngemittel haben Nebenwirkungen: Sie sind teuer, können Gewässer belasten, Böden überdüngen und Biodiversität gefährden. Außerdem funktioniert ihr Einsatz nicht überall gleich gut.

Die Studie mahnt deshalb zur Vorsicht: Düngung darf kein Dauerpflaster für ein viel tiefer liegendes Problem sein. Denn der wahre Schlüssel zur Resilienz liegt – Überraschung! – in der Vielfalt.

Graslandschaften mit hoher Artenvielfalt überstehen Dürreperioden oft besser als monotone Bestände. Unterschiedliche Pflanzenarten nutzen Ressourcen unterschiedlich, bilden stabilere Ökosysteme und reagieren flexibler auf Stress. Warum also nicht diesen natürlichen Puffer stärker nutzen?


Biodiversität: Mehr als nur Blümchenvielfalt

Verschiedene Gräser, Kräuter, Leguminosen – sie alle spielen ihre Rolle im Ökosystem Grasland. Manche wurzeln tief, andere flach. Einige speichern Wasser effizient, andere können bei Trockenheit schnell wachsen. Dieses funktionale Mosaik macht den Unterschied.

Ein artenreiches Grasland ist wie ein gut eingespieltes Orchester – fällt ein Instrument aus, kompensieren die anderen. In einem monotonen System hingegen führt jedes Ungleichgewicht schnell zum Chaos.

Also doch keine Hightech-Düngestrategie, sondern ein alter Bekannter: die Natur selbst.


Landwirtschaft neu gedacht?

Für die Landwirtschaft könnte dieser Forschungsansatz ein echter Gamechanger sein. Denn er zeigt: Mit gezielter Nährstoffstrategie – ja. Aber vor allem mit intelligenter Artenwahl, Bodenpflege und langfristigem Denken lässt sich mehr Klimarobustheit erreichen.

Könnte es sein, dass unser Grasland nicht nur ein ökologischer Schatz ist, sondern auch eine unterschätzte Antwort auf die Klimakrise?

Vielleicht liegt die Zukunft nicht in weiteren chemischen Inputs, sondern im bewussten Zurück zur Vielfalt.


Was nun?

Klar ist: Die Klimakrise trifft unsere Ökosysteme mitten ins Herz. Und Grasland – diese oft übersehene Landschaftsform – spielt dabei eine weit größere Rolle, als man ihr zutraut.

Gezielte Nährstoffzugabe kann kurzfristig helfen. Aber auf lange Sicht braucht es ein ganzes Bündel an Maßnahmen: Vielfalt fördern, Böden pflegen, lokale Lösungen stärken. Nur so lässt sich aus einer potenziell schwächelnden Kohlenstoffsenke wieder eine starke Klimapartnerin machen.

Am Ende stellt sich nicht die Frage, ob Grasland helfen kann – sondern, ob wir es klug genug behandeln.

Andreas M. Brucker