Hurrikane bedrohen kohlenstoffspeichernde Wälder in Neuengland: Eine unterschätzte Gefahr?

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Stellen Sie sich vor, ein einziger Sturm könnte das Ausmaß der Klimaschutzmaßnahmen um Jahre zurückwerfen. Genau das könnte in Neuengland passieren, wo Wälder eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen, indem sie Kohlenstoff binden. Doch eine neue Studie des Dartmouth College warnt, dass Hurrikane diese Bemühungen zunichtemachen könnten.

Naturbasierte Lösungen und ihre Achillesferse

Viele amerikanische Unternehmen und öffentliche Politiken setzen auf Kohlenstoffkompensationen, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern. Ein beliebter Ansatz ist dabei die Sequestrierung von Kohlenstoff in Wäldern. Diese Methode gilt als eine effektive, naturbasierte Lösung zur Bekämpfung des Klimawandels. Die jüngsten Ergebnisse aus Neuengland zeigen jedoch, dass diese Strategie erhebliche Risiken birgt: Ein einziger Hurrikan könnte 5% bis 10% des oberirdischen Waldkohlenstoffs durch Baumschäden vernichten.

Das unterschätzte Risiko von Stürmen

Die Studie, veröffentlicht in „Global Change Biology“, legt nahe, dass die Kohlenstoffkompensationsprogramme in den USA die Risiken durch Hurrikane nicht ausreichend berücksichtigen. Die forschungsleitende Assistentprofessorin Shersingh Joseph Tumber-Dávila von der Umweltwissenschaftlichen Fakultät des Dartmouth College und Ermittlerin am Harvard Forest, hebt hervor, dass selbst die für katastrophale Risiken reservierten 3% eines Kohlenstoffoffsetprojekts durch einen einzigen Sturm zunichte gemacht werden könnten.

Trotz der seltenen Vorkommen schwerer Hurrikane in den letzten Jahrzehnten bleibt die potenzielle Gefahr bestehen. Die Studie unterstreicht, dass mit steigenden Meerestemperaturen Hurrikane stärker werden und weiter ins Landesinnere sowie nach Norden ziehen könnten – direkt in die waldreichen Gebiete von Neuengland.

Ein Blick in die Zukunft

Das Forschungsteam untersuchte die zehn stärksten Hurrikane der letzten hundert Jahre und deren Auswirkungen auf Neuenglands Wälder, sollte einer dieser Stürme heute zuschlagen. Ihre Analyse ergab, dass eine Erhöhung der Hurrikanwindgeschwindigkeiten um 8% und 16% zu einer fast 11- bzw. 25-fachen Zunahme schwerer Schäden führen würde, die wahrscheinlich umfangreiche Baumschäden verursachen würden.

Die Notwendigkeit einer kritischen Überprüfung

Jonathan Thompson, leitender Ökologe und Forschungsdirektor am Harvard Forest, betont, dass bei der Betrachtung von Wäldern als Kohlenstoffsenken häufig nur die Absorption des Kohlenstoffs berücksichtigt wird. Die Möglichkeit, dass Kohlenstoff durch Hurrikane wieder in die Atmosphäre freigesetzt wird, bleibt oft unberücksichtigt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, sowohl die Langlebigkeit als auch die Risiken solcher klimabezogenen Lösungen kritisch zu bewerten.

Die Ergebnisse zeigen, dass es fast 19 Jahre dauert, bis die durch einen Hurrikan umgestürzten Bäume eine Nettoemission werden, und 100 Jahre, bis der größte Teil des abgelagerten Kohlenstoffs (90%) freigesetzt wird. Ein Hurrikan könnte jedoch den Kohlenstoff freisetzen, der dem Zehnjahresäquivalent der in Neuenglands Wäldern gespeicherten Menge entspricht.

Diese Erkenntnisse fordern dazu auf, die Rolle von Neuenglands Wäldern bei der Kohlenstoffbindung kritisch zu hinterfragen und sicherzustellen, dass diese Strategie tatsächlich effektiv zum Klimaschutz beiträgt. Ohne eine angemessene Berücksichtigung der Risiken könnten wir uns auf eine Lösung verlassen, die letztendlich mehr Schaden als Nutzen bringt. Wie sicher können wir also sein, dass unsere Bemühungen, das Klima zu retten, nicht durch die nächste große Sturmflut zunichtegemacht werden?


Reference:

  1. Shersingh Joseph Tumber‐Dávila, Taylor Lucey, Emery R. Boose, Danelle Laflower, Agustín León‐Sáenz, Barry T. Wilson, Meghan Graham MacLean, Jonathan R. Thompson. Hurricanes pose a substantial risk to New England forest carbon stocksGlobal Change Biology, 2024; 30 (4) DOI: 10.1111/gcb.17259