20,49 Grad.
Diese Zahl klingt fast belanglos, oder? Ein lauer Frühlingstag, ein angenehmer Frühsommer. Doch wer so denkt, liegt weit daneben. Denn sie steht für den heißesten Juni in Westeuropa seit Beginn der Aufzeichnungen. Ganze 2,81 Grad lag die Durchschnittstemperatur über dem Mittelwert der Jahre 1991 bis 2020. Damit hat dieser Juni den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2003 gnadenlos gebrochen.
Ich erinnere mich noch an 2003 – damals galt die Hitzewelle als Ausnahme. Heute dagegen? Sie ist zur traurigen Regel geworden.
In Spanien und Portugal kletterten die Temperaturen auf bis zu 46 Grad. Stell dir vor, du wachst mitten in der Nacht auf, Schweiß auf der Stirn, und siehst aufs Thermometer: immer noch 30 Grad. Keine Abkühlung. Keine Luftbewegung. Solche Nächte werden in Wetterstatistiken „tropische Nächte“ genannt – ein schöner Begriff für etwas, das vielen Menschen den Schlaf raubt und sie an den Rand ihrer Kräfte treibt.
Zwei intensive Hitzewellen trafen Europa innerhalb dieses einen Monats. Wer das erlebt hat, weiß, wie gnadenlos brennende Hitze sein kann, wenn sie mit hoher Luftfeuchtigkeit zusammenkommt und alles in eine flirrende, klebrige, atemlose Atmosphäre hüllt.
Global betrachtet rangierte der Juni 2025 auf Platz drei der wärmsten Juni-Monate seit Beginn der weltweiten Messungen. 16,46 Grad betrug die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur – 0,47 Grad über dem Mittelwert von 1991 bis 2020.
Vielleicht denkst du: Was macht schon ein halbes Grad? Doch dahinter verbirgt sich eine fundamentale Veränderung – wie der erste Riss in einer Fensterscheibe, der sich unaufhaltsam ausbreitet, bis das ganze Glas zerbricht.
Die Folgen dieser Hitze waren drastisch. In vielen Ländern stieg die Sterblichkeit spürbar an. Kliniken füllten sich mit dehydrierten, kollabierten oder überhitzten Menschen. Feuerwehrleute kämpften gegen Waldbrände, die ganze Landstriche verschlangen und die Luft mit beißendem Rauch füllten. Stromnetze ächzten unter der Last unzähliger Klimaanlagen, die rund um die Uhr liefen, um Wohnungen, Büros und Pflegeheime überhaupt noch bewohnbar zu halten.
Wie lange soll das noch gutgehen?
Natürlich beeinflussen viele Faktoren das Wetter. Doch der übergeordnete Motor ist eindeutig – der Klimawandel. Mehr Treibhausgase in der Atmosphäre bedeuten mehr Wärmeenergie, die sich immer häufiger in extremen Wetterereignissen entlädt. Ob Starkregen, Hitzewellen oder Dürren: All das sind Facetten derselben Krise.
Die Wahrscheinlichkeit, dass immer wieder ein Monat wie dieser Juni eintritt, hat sich durch menschliche Einflüsse vervielfacht. Jeder einzelne Rekordtag ist Teil eines größeren Bildes, in dem das Klima zunehmend aus seinen gewohnten Bahnen gerät.
Besonders bitter ist, dass Hitze nicht alle gleich trifft. Ältere Menschen, Kinder, chronisch Kranke, Menschen ohne festen Wohnsitz oder solche, die in Dachgeschosswohnungen ohne Klimaanlage leben, leiden am stärksten. Während einige im kühlen Homeoffice sitzen, kämpfen andere im Freien um ihre Gesundheit. Bauarbeiter, Erntehelfer:innen, Paketboten – sie alle spüren, was es heißt, wenn der Körper an seine Grenzen kommt.
Wir müssen die Anpassung an den Klimawandel auch immer als Frage der sozialen Gerechtigkeit sehen!
Manchmal frage ich mich beim Blick auf die Wetterkarten: Wie viele solcher Rekorde braucht es noch, bis Politik und Gesellschaft endlich kompromisslose Schritte zur Reduzierung der Emissionen gehen? Und warum investieren wir lieber Milliarden in Notfallpläne und Klimaanpassung, statt die Ursachen konsequent anzugehen?
Gleichzeitig zeigen die aktuellen Daten aber auch, wie weit die Klimawissenschaft heute ist. Dank präziser Satellitenmessungen, ausgefeilter Klimamodelle und jahrzehntelanger Forschung lässt sich genau nachvollziehen, wie sich Temperaturen, Wetterextreme und Ozeanströmungen verändern. Das Wissen ist da – was fehlt, ist der Mut, danach zu handeln.
Ich gebe zu, manchmal bin ich frustriert. Wenn ich an Sommer denke, sehe ich die langen Tage meiner Kindheit vor mir, mit Grillenzirpen am Abend und kühlen Nächten unter dünnen Decken. Werden kommende Generationen jemals wieder solche Sommer erleben?
Und doch bleibt meine Hoffnung ungebrochen. Ich glaube fest daran, dass wir als Gesellschaft das Ruder herumreißen können, wenn wir Klimaschutz nicht länger als Bürde, sondern als Chance begreifen. Nicht als Kostenfaktor, sondern als Investition in unsere Lebensgrundlage. Wer will schon in einer Welt leben, in der 46 Grad im Juni als „normal“ gelten?
Letztlich geht es darum, Städte in Oasen zu verwandeln, Asphalt durch Grünflächen zu ersetzen, kühlende Architektur zu schaffen, die Menschen schützt, statt sie aufzuheizen. Es geht darum, den Ausstoß von Treibhausgasen so schnell wie möglich zu verringern und die hohen Emissionen der Reichsten nicht länger zu tolerieren.
Vor allem aber geht es darum, endlich zu erkennen, dass Klimaschutz, Gesundheit und soziale Gerechtigkeit untrennbar miteinander verbunden sind.
Vielleicht sollten wir aufhören zu fragen, wie heiß es noch werden könnte. Vielleicht sollten wir lieber fragen, wie cool unsere Lösungen endlich sein werden.
Autor: MAB
Quellen:
Copernicus (2025). Climate Bulletins. climate.copernicus.eu
t-online.de (2025). Heißester Juni in Westeuropa seit Beginn der Aufzeichnungen.
zeit.de (2025). Juni in Westeuropa war der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen.
vienna.at (2025). Juni seit drei Jahren in Folge mit Hitze-Rekord.
welt.de (2025). 46 Grad im Juni – Neuer Hitzerekord in Spanien aufgestellt.
cadenaser.com (2025). España y Portugal batieron récords de calor.