11) Klimawandel, Meereis, Gletscher und steigende Meeresspiegel

Neben den sich verändernden Niederschlags- und Dürremustern ist eines der deutlichsten Signale des Klimawandels die Veränderung in der Kryosphäre: Das Verschwinden der Meereisgletscher und der kontinentalen Eisschilde.

Das Eis in seinen verschiedenen Formen, Meereis, Gletscher und Eisschilde, schwindet weltweit.

Beginnen wir mit der Betrachtung des Meereises in der Arktis. Historische Aufzeichnungen, die bis ins neunzehnte Jahrhundert zurückreichen, zeigen den Rückgang des arktischen Sommer-Meereises. Und wenn wir uns den jüngeren Zeitraum ansehen, für den wir über umfangreichere satellitengestützte Messungen verfügen, sehen wir, dass die Meereismenge in der Arktis am Ende der sommerlichen Schmelzsaison seit den 1980er Jahren um den Faktor zwei abgenommen hat.

2016 wurden mit nur etwa 3 Millionen Quadratmeilen Sommer-Meereis nur noch die Hälfte oder sogar weniger der Fläche als noch in den 1980er Jahren gemessen. Dies liegt deutlich unter den Projektionen vieler Klimawissenschaftler und ist ein prominentes Beispiel für die Auswirkungen der “Unsicherheit” in der Klimawissenschaft. Die Modelle sind nicht perfekt, aber in diesem Fall scheinen die Modelle die Geschwindigkeit, mit der wir das sommerliche Meereis verlieren, eindeutig zu niedrig vorherzusagen. Was darauf hindeutet, dass die Prozesse, die in den Modellen nicht richtig dargestellt werden, uns wahrscheinlich tatsächlich dazu bringen, die Auswirkungen des Klimawandels eher zu unterschätzen statt zu überschätzen.

Besonders wichtig ist das so genannte mehrjährige Eis, das dicke Eis, das nicht mit jedem Jahr kommt und geht, sondern den ganzen Sommer über und bis in den Winter hinein bestehen bleibt. Dieses dicke Eis ist zum Beispiel für Walrosse und Eisbären wichtig, es ist ein entscheidender Teil ihrer Jagdumgebung.

Einer der alarmierendsten Trends ist, dass vor allem das mehrjährige Eis in den letzten Jahrzehnten geringer wurde. Tatsächlich gibt es nur noch sehr wenig mehrjähriges Eis, das meiste Eis, das wir in der Arktis sehen, ist das saisonale Meereis, das dünne Eis, das mit den Jahreszeiten kommt und geht und oft nicht dick genug wird, um die jagenden Eisbären zu tragen.


Auch bei den Gletschern sehen wir einen ähnlichen Trend. Es gibt das Gletscherwachstum, das durch Akkumulation von Schneefall den Gletscher wachsen lässt, und die Ablation, die den Verlust von Eis, entweder durch Abschmelzen oder durch direkte Sublimation von Eis in die Atmosphäre, beschreibt.

Betrachtet man den Trend der Messdaten, so zeigt sich, dass die Gebirgsgletscher rund um den Globus im letzten Jahrhundert in dramatischem Tempo zurückgegangen sind. Aber warum passiert das? Nun, insbesondere wärmere Sommer führen zu einem höheren Eisverlust, der die Winterakkumulation, das durch Schneefall sich neu bildende Eis, übersteigt.

Aber Achtung: Die Veränderungen an den Gletschern sind deutlich regionaler Natur, und tatsächlich gibt es einige Regionen, in denen die Gletscher in den letzten Jahrzehnten sogar wieder zugenommen haben, wie man am Beispiel des Jakobshavn-Gletschers in Grönland sehen kann.

Was könnte die Ursache für diese Zunahme sein? Es hat sich herausgestellt, dass es sich bei diesen Gletschern in der Regel um Gletscher in Regionen handelt, die an einen Ozean grenzen und in denen die Winter relativ mild sind, und es hat sich herausgestellt, dass bei einer Erwärmung der Meerestemperaturen, beispielsweise im Nordatlantik, in Teilen Skandinaviens mehr Schnee fällt. Und diese verstärkte Winterakkumulation kann den Eisverlust im Sommer tatsächlich in manchen Gegenden übertreffen.

Grönlands Jakobshavn-Gletscher hat in den Jahren 2016 – 2019 tatsächlich an Stärke zugenommen.

Wie sieht es aber mit dem Gesamttrend aus? Nun, wenn wir alle Gletscher der Welt in einer einzigen Massenbilanz zusammenfassen, also die Gesamtmenge an Eis, die in all diesen Gletschern enthalten ist, sehen wir einen sehr deutlichen globalen Rückgang, einen Trend zum Gletscherschwund.

Kommen wir nun zu den beiden größten Gletschern der Welt. Diese Gletscher sind so groß, dass sie einen eigenen Namen haben. Wir nennen sie kontinentale Eisschilde, das sind Gletscher in kontinentalem Maßstab, der arktische und der antarktische Eisschild.

Wie bei allen anderen Gletschern auch, hängt bei ihnen die Masse ihres Eises vom Gleichgewicht zwischen der Akkumulation und der Ablation, dem Verlust durch das Schmelzen ab. Die Akkumulation findet eher im kalten Inneren der Kontinente statt, während das Schmelzen und Kalben von Eisbergen an den Rändern erfolgt, wo die Eisschilde auf die relativ warmen Ozeane treffen.

Auf Satellitenbildern können wir sehen, dass die Sommerschmelze sowohl beim grönländischen Eisschild als auch beim antarktischen Eisschild zunimmt. Dies ist insbesondere beim niedrig gelegenen westantarktischen Eisschild, der am ehesten schmelzen und zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen wird, der Fall.

NASA: Abschmelzen der Eismasse in der Arktis

Werfen wir einen Blick auf die aggregierten Daten aus Satellitenmessungen, die uns Aufschluss über die Gesamtveränderungen der Eismasse dieser beiden kontinentalen Eisschilde, des arktischen und des antarktischen Eisschildes, geben. Und wir sehen, dass diese Eisschilde bereits beträchtliche Mengen an Eis verloren haben.

Wenn man noch vor einem Jahrzehnt Experten auf diesem Gebiet gefragt hätte, was sie erwarten würden, hätten sie gesagt, dass wir wahrscheinlich bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts keinen nennenswerten Verlust an Eis bei diesen beiden kontinentalen Eisschilden sehen würden. Und zwar deshalb, weil die Modelle mit der Erwärmung der Ozeane höhere Niederschläge und damit eine verstärkte Ansammlung von Schnee im Zentrum der Eisschilde vorhersagten, was den verstärkten Verlust an der Peripherie der Eisschilde durch die Erwärmung der Ozeane ausgleichen würde.

Leider zeigen uns jedoch neuere Beobachtungen, dass wir bereits einen erheblichen Eisverlust sowohl beim arktischen als auch beim westantarktischen Eisschild feststellen (siehe Grafik).

Auch dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Ungewissheit nicht unser Freund ist. Erst seit die Wissenschaft die Prozesse, die beim Zusammenbruch der Eisschilde eine Rolle spielen, immer besser versteht und diese Prozesse inzwischen in die Modelle einfließen lässt, stellen wir erstaunt fest, dass die Abnahme der Eisschilde tatsächlich schneller vonstatten gehen wird, als wir noch vor wenigen Jahrzehnten dachten.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle Bereiche der Kryosphäre, von den Gebirgsgletschern bis hin zu den kontinentalen Eisschilden, in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an Eis verloren haben.

Ist ja eigentlich auch logisch und leicht zu verstehen: Während sich die Erde weiter erwärmt, schmilzt auch das Eis weiter.

Was sind die Folgen dieser Eisschmelze? Nun, die Tatsache, dass die Eisschilde früher als von den meisten Modellen der Wissenschaftler vorhergesagt zu kollabieren beginnen, bedeutet, dass wir den Beitrag des schmelzenden Eises beim Anstieg des Meeresspiegels früher als erwartet erleben werden.

Und tatsächlich steigt auch der Meeresspiegel schneller, als noch vor einem Jahrzehnt vorhergesagt.


Anstieg des Meeresspiegels – Karte der Gebiete, die in Deutschland betroffen sind (TransitionsBlog).

Es gibt zwei wichtige Faktoren, die zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen: Das Abschmelzen der Gletscher und der kontinentalen Eisschilde und die thermische Ausdehnung des Meerwassers bei seiner Erwärmung.

Wenn man sich die Messungen des realen Meeresspiegelanstiegs ansieht, die natürlich schon all diese Faktoren enthalten, stellt man fest, dass der Meeresspiegel jetzt bereits am oberen Ende des Wahrscheinlichkeitsbereichs ansteigt, den die Wissenschaftler noch vor etwas mehr als einem Jahrzehnt vorhergesagt haben.

Noch ein weiterer Hinweis darauf, dass die Unsicherheit nicht unser Freund ist, sondern gegen uns arbeitet, wenn es um die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Auswirkungen des Klimawandels geht.

Vor diesem Hintergrund muss man leider sagen: Haltet euch in etwa 50 Jahren von den Küsten fern – es könnte nass und ungemütlich werden. Auf alle Fälle sollten Besitzer von Liegenschaften in unmittelbarer Küstennähe mit einem einsetzenden Wertverlust in den kommenden Jahrzehnten rechnen, der gegen Ende des 21. Jahrhunderts auch ein Totalverlust werden könnte.

Und das ist nur ein Beispiel dafür, welche immensen Kosten der Klimawandel unserer Gesellschaft bringen wird.

Aber, sagen einige Zweifler, das ist doch alles nicht gesichert. Haben wir nicht gerade gesehen, dass es in den Modellen noch grosse Unsicherheits-Spannen gibt? Und ja, das stimmt. Aber, Unsicherheit ist keine positive Nachricht. Unsicherheit ist nicht unser Freund bei der Betrachtung einer möglichen Zukunft und die Berufung auf eine solche Unsicherheit zeigt nur, dass man sich einer negativen Aussicht auf die Zukunft nicht stellen möchte. Leider zeigen die neuesten Daten aber recht eindrücklich, dass sich das Klima, die Natur, nicht an Durchschnittswerte in Klimamodellen hält, sie entwickelt ihre eigene Dynamik. Und diese Dynamik zwingt uns zum Handeln – Jetzt!

Denn das sind wir unseren Mitmenschen und kommenden Generationen, die in Gebieten leben, die “unvorhergesehen und plötzlich” zu Risikogebieten werden, schuldig.

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