Küstenmarsch auf Wanderschaft: Ein Klimawandelbeschleuniger?

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Aufgrund steigender Meeresspiegel wandern Marschlandschaften entlang der US-atlantischen Küste ins Landesinnere und könnten paradoxerweise zur Klimaerwärmung beitragen, anstatt sie zu bekämpfen. Eine neue Studie der Duke University prognostiziert erhebliche Veränderungen im Kohlenstoffkreislauf dieser Gebiete.

Bisherige Schätzungen gingen davon aus, dass sich ausdehnende Küstenmarschen mehr Kohlenstoff aufnehmen würden, der sonst als Treibhausgas in der Atmosphäre verbleibt. Doch der Vormarsch der Marschen führt zur Zerstörung von Wäldern und Süßwasserfeuchtgebieten, deren Verlust und Zersetzung wiederum mehr Kohlenstoff freisetzen, als die Marschen binden können.

Die Modellierungsergebnisse, die in Zusammenarbeit mit Naturschutzbehörden in sechs Staaten der mittleren Atlantikküste durchgeführt wurden, sollen künftige Küstenplanungen unterstützen. Sie zeigen auf, dass Landveränderungen durch den Meeresspiegelanstieg Küstenbereiche von einer Netto-Kohlenstoffsenke in eine Netto-Kohlenstoffquelle verwandeln könnten.

Katie Warnell, Hauptautorin der Studie, betont: „Diese Forschung wirft viele Fragen zu den Managementoptionen von Küstenlandschaften auf und unterstreicht die Dringlichkeit, Treibhausgasemissionen und den Meeresspiegelanstieg zu reduzieren – den Hauptfaktoren hinter diesen Veränderungen.“

In einigen Fällen könnten Maßnahmen wie Deiche und Pumpen dazu beitragen, wichtige Bereiche vor der Umwandlung zu schützen. Warnell schlägt vor, in gefährdeten Gebieten möglicherweise einen präventiven Forstabtrieb zu erwägen, um zu verhindern, dass Kohlenstoff durch Zersetzung in die Atmosphäre gelangt. Durch den Anstieg des Meeresspiegels und die dadurch bedingte Salzwasserintrusion sterben Bäume in niedrig gelegenen Gebieten ab und bilden so genannte „Geisterwälder“, die die Kohlenstoffspeicherung verringern und durch ihre Zersetzung Kohlenstoff freisetzen.

Emily Bernhardt, Professorin an der Nicholas School of the Environment der Duke University, die zu Geisterwäldern geforscht hat, unterstützt diese Einsichten: „Frühe Schätzungen deuten darauf hin, dass die durch den Meeresspiegelanstieg verursachten Habitatübergänge Küstenökosysteme ohne durchdachtes Eingreifen von Kohlenstoffsenken zu -quellen machen könnten.“

Diese Erkenntnisse fordern uns heraus, neu über die Rolle von Marschlandschaften im Klimaschutz nachzudenken. Sind sie Helden oder doch Bösewichte im Klimanarrativ? Die Studie legt nahe, dass ohne gezielte Maßnahmen die Klimakrise sich selbst verstärken könnte.

Die Forschung wurde durch einen Zuschuss der United States Climate Alliance unterstützt und macht deutlich, dass eine integrierte Betrachtung von Klima, Ökologie und Landnutzung entscheidend ist, um wirksame Strategien zur Bewältigung des Klimawandels zu entwickeln. Die Zusammenarbeit über disziplinäre Grenzen hinweg ist hierbei unerlässlich. Es bleibt zu hoffen, dass solche Studien auch den politischen Willen stärken, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen. Wir stehen vor einer globalen Herausforderung – und jede Handlung zählt.


CITATION: “Sea level rise drives carbon and habitat loss in the U.S. mid-Atlantic coastal zone,” Katie Warnell, Lydia Olander and Carolyn Currin. PLOS Climate, June 23, 2022. DOI: 10.1371/journal.pclm.0000044

This article originally appeared in Duke Today on June 23, 2022.