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Was haben ein lebendiger Mischwald und eine bunte Wohngemeinschaft gemeinsam? Beide funktionieren besser, wenn Vielfalt herrscht. Im Fall des Waldes bedeutet das: Mehr unterschiedliche Baumarten führen zu mehr gebundenem Kohlenstoff – also einem wirksameren Beitrag gegen den Klimawandel.

Die Mischung macht’s – und zwar richtig

Es klingt fast zu einfach, um wahr zu sein: Je vielfältiger die Baumarten, desto höher die Fähigkeit des Waldes, CO₂ zu speichern. Doch genau das zeigen inzwischen zahlreiche Studien. Besonders eindrücklich ist ein langfristiges Experiment in einem tropischen Wald, bei dem Mischwälder nach 16 Jahren ganze 57 Prozent mehr oberirdischen Kohlenstoff speicherten als Monokulturen. Was bedeutet das? Ein Wald mit verschiedenen Baumarten ist nicht nur schöner anzusehen – er ist auch ein viel effektiverer Klimaschützer.

Der Boden – der stille Mitspieler

Nicht nur die Bäume speichern Kohlenstoff, sondern auch der Boden. Und auch hier zeigt sich: Vielfalt wirkt. Wälder mit mehr Baumarten reichern Böden stärker mit Kohlenstoff und Stickstoff an. Das hat gleich mehrere Vorteile. Zum einen bleibt der Kohlenstoff länger im Ökosystem gebunden. Zum anderen wird der Boden fruchtbarer – ein positiver Nebeneffekt, der die Regeneration des Waldes unterstützt. Man könnte sagen: Der Wald atmet tiefer, wenn er vielfältiger ist.

Warum funktioniert das?

Die Erklärung steckt in der Art, wie verschiedene Baumarten zusammenarbeiten oder sich gegenseitig ergänzen. Die Fachleute sprechen von komplementärer Ressourcennutzung. Was heißt das konkret? Ein Baum mit tiefen Wurzeln zieht Wasser aus anderen Bodenschichten als einer mit flachen Wurzeln. Manche Arten sind Sonnenanbeter, andere kommen gut mit Schatten klar. So wird jeder Sonnenstrahl, jeder Tropfen Wasser und jedes Gramm Nährstoff optimal genutzt. Außerdem: Je bunter der Wald, desto robuster ist er. Mischwälder sind weniger anfällig für Schädlinge, Stürme oder Dürren. Sie erholen sich schneller – und speichern dabei auch langfristig mehr Kohlenstoff. Und nicht zuletzt: Die Vielfalt fördert das Leben im Boden. Mikroorganismen, Pilze, Insekten – sie alle profitieren von einer größeren Bandbreite an Baumarten. Und das wiederum kurbelt den Kohlenstoffkreislauf an.

Was heißt das für unsere Wälder?

Ganz klar: Monokulturen sind ein Auslaufmodell. Noch dominieren in vielen Regionen Fichten oder Kiefern, oft in Reih und Glied gepflanzt, auf maximalen Ertrag getrimmt. Doch der Preis ist hoch – anfälliger für Stürme, empfindlich bei Trockenheit und nur mäßig wirksam im Kampf gegen die Klimakrise. Dabei wäre die Lösung längst bekannt. Stell dir vor: Wiederaufforstungsprojekte, bei denen nicht einfach nur irgendwas Grünes gepflanzt wird, sondern gezielt eine Mischung aus einheimischen, klimaresilienten Baumarten. Wälder, die nicht nur wachsen, sondern auch CO₂ binden, Arten schützen, Wasser speichern und das Landschaftsbild verschönern. Klingt nach Utopie? Ist längst machbar.

Ein Aufruf an die Forstwirtschaft

Für Förster bedeutet das: Umdenken ist gefragt. Weg von der Einheitsfichte, hin zum intelligenten Mischwald. Natürlich ist das komplexer, langsamer und manchmal teurer. Aber auf lange Sicht nachhaltiger, stabiler und klimaschonender. Die Politik? Sie sollte das fördern. Mit gezielten Subventionen, klaren Biodiversitätszielen in Aufforstungsprogrammen und langfristigen Strategien, die Klimaschutz und Naturschutz nicht gegeneinander ausspielen, sondern gemeinsam denken. Denn klar ist: Artenvielfalt ist keine nette Beigabe. Sie ist der Schlüssel.

Und die Moral von der Geschichte?

Ein Baum ist gut. Viele unterschiedliche Bäume sind besser. Wälder sind keine CO₂-Staubsauger von der Stange. Ihre Wirkung hängt davon ab, wie klug wir sie gestalten. Vielleicht sollten wir dem Wald öfter mal zuhören. Er sagt uns: Vielfalt ist Stärke. Und das gilt – für Ökosysteme wie für Gesellschaften.

Von Andreas M. Brucker