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Nizza, 2025. Die Sonne brennt über der Côte d’Azur, doch in den Konferenzräumen geht es heißer zu als draußen. Beim dritten UN-Ozeangipfel steht der Planet auf dem Prüfstand – mit über 60 Staats- und Regierungschefs, hunderten Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen, die eines vereint: der Kampf gegen die Plastikverseuchung der Meere.

Jedes Jahr landen rund acht Millionen Tonnen Plastik im Meer. Acht. Millionen. Man stelle sich eine Müll-Lawine vor, die Tag für Tag, Welle für Welle, unsere Ozeane erstickt. Und trotzdem geht das Leben vieler Menschen weiter, als gäbe es kein Morgen – oder als wäre der Ozean unendlich belastbar. Ist er aber nicht. Punkt.

95 Länder, ein Appell – und endlich der Mut, das Übel an der Wurzel zu packen

Recycling? Nette Idee. Aber Hand aufs Herz: Kann man mit ein bisschen Mülltrennung wirklich die Plastikflut stoppen? Nein. Deshalb haben sich in Nizza 95 Länder für ein internationales Abkommen ausgesprochen, das deutlich weiter geht. Ziel: Die weltweite Produktion und der Konsum von Plastik sollen drastisch gesenkt werden. Und zwar verbindlich.

Die französische Umweltministerin brachte es auf den Punkt. Die Mär vom Recycling als Allheilmittel – eine gefährliche Illusion. Es geht nicht mehr nur darum, das Plastik zu verwalten, sondern es zu vermeiden. Komplett.

Drei Milliarden Gründe, Hoffnung zu schöpfen

Geld redet, sagt man. Und diesmal redet es laut. Eine Koalition von Entwicklungsbanken will drei Milliarden Euro locker machen, um Projekte zur Plastikvermeidung zu finanzieren. Von neuen Abwassersystemen bis hin zu Initiativen für die Kreislaufwirtschaft.

Klingt gut – aber reicht das? Denn wenn alles so weiterläuft wie bisher, könnten im Jahr 2040 jährlich 37 Millionen Tonnen Plastik ins Meer geraten. Eine Vorstellung, die selbst hartgesottenen Forschenden den Magen umdreht.

Start-ups, Schiffe, Systeme – Technik trifft Idealismus

Auch auf dem Gipfel zu sehen: erstaunlich kreative Lösungen. „The Ocean Cleanup“ fischt mit Hightech-Barrieren Plastik aus den Flüssen, bevor es ins Meer gelangt. Bisher wurden schon über 21.000 Tonnen eingesammelt. Ein Tropfen auf den heißen Stein? Vielleicht. Aber ein wichtiger.

Ein anderes Projekt: „Plastic Odyssey“. Dieses Schiff verwandelt Plastikmüll in Treibstoff – und bringt Aufklärung direkt in die Häfen der Welt. Innovation trifft Aufklärung. Technik trifft Herzblut.

Schutz für die Hohe See: ein Vertrag steht kurz bevor

Und dann gibt es da noch den großen juristischen Coup. Der sogenannte „Hochsee-Vertrag“, der 2023 beschlossen wurde, steht kurz vor seiner Umsetzung. Noch elf Länder fehlen – dann tritt er in Kraft. Ziel: 30 Prozent der Ozeane bis 2030 unter Schutz zu stellen. Heute sind es magere 2,7 Prozent.

Mit dem Vertrag könnten endlich auch internationale Gewässer besser geschützt werden – also jene weiten, rechtlich kaum kontrollierten Räume, in denen derzeit munter gefischt, gebohrt und geplündert wird. Wenn alles klappt, könnten ab 2026 erstmals großflächige Schutzgebiete auf Hoher See Realität werden.

Und was ist mit dem Tiefseebergbau?

Ein heißes Eisen, das vielen unter den Nägeln brennt. Der Tiefseebergbau – also das Abgrasen des Meeresbodens nach Metallen – droht, das nächste große Desaster zu werden. Mehrere Länder, angeführt von Frankreich, fordern nun ein Moratorium. Solange es keine rechtlich belastbare Regulierung gibt, soll kein einziger Roboter auf dem Meeresgrund abgesetzt werden. Und ganz ehrlich – wäre das nicht das Mindeste?

Wer fehlt? Die USA.

Auffällig still bleibt ein Land, das sonst gerne vorneweg marschiert: die Vereinigten Staaten. Keine offizielle Delegation, keine Ratifizierung des Hochsee-Vertrags. Nur einzelne Wissenschaftler auf Privatmission. Ob das ausreicht, um mitzureden, wenn es um globale Verantwortung geht?

Und Europa?

Europa hingegen zeigt Kante. Neben den drei Milliarden der Banken gab es weitere Milliardenversprechen in Nizza. Auch die EU selbst hat zusätzliche Mittel für die Umsetzung des Hochseevertrags bereitgestellt. Damit trägt sie eine zentrale Rolle – und das mit Rückgrat.

Rhetorische Frage Nummer 1: Reicht das?

Klingt alles vielversprechend, oder? Aber was nützen gute Pläne, wenn sie nur auf dem Papier stehen? Die nächsten Monate werden zeigen, ob den schönen Worten auch mutige Taten folgen.

Denn die Uhr tickt.

Rhetorische Frage Nummer 2: Und was können wir tun?

Ein globaler Vertrag, Milliarden-Investitionen, Hightech-Schiffe – schön und gut. Aber Plastik landet nicht zufällig im Meer. Es beginnt beim Einkauf, beim Coffee-to-go-Becher, beim Snack unterwegs. Verantwortung beginnt im Alltag – bei jedem von uns.

Die Ozeane sind mehr als nur Wasser. Sie sind Klimamaschine, Lebensquelle, kulturelles Erbe. Wer sie zerstört, sägt an seinem eigenen Ast. Und wer sie schützt, rettet mehr als Wale und Fische – er rettet die Zukunft.

Von Andreas M. Brucker