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Wenn die Netze den Meeresboden pflügen

Die Ozeane – unsere stillen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel. Sie nehmen rund ein Viertel des vom Menschen verursachten CO₂ auf und speichern es teils über Jahrhunderte in ihren Tiefen. Doch unter der Oberfläche brodelt es: Eine neue Studie des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigt, dass genau dieser Speicher durch Grundschleppnetzfischerei gefährlich ins Wanken gerät.

Was passiert da unten wirklich? Und warum betrifft uns das alle?


Sediment aufgewühlt – Kohlenstoff freigesetzt

Jedes Mal, wenn ein Schleppnetz über den Meeresboden gezogen wird, passiert mehr als nur der Fang von Fischen:

  • Sedimente werden aufgewirbelt – und mit ihnen der darin gebundene organische Kohlenstoff.
  • Ein weiterer Übeltäter: Pyrit (Eisendisulfid). Sobald dieser mit Sauerstoff in Berührung kommt, oxidiert er und setzt CO₂ frei.

Das ist mehr als nur eine lokale Störung – das ist eine massive Kohlenstofffreisetzung, die bislang oft übersehen wurde.


Die Kieler Bucht: Ein Testlabor für das Unsichtbare

Die Kieler Bucht – auf den ersten Blick ein unscheinbares Küstengewässer der Ostsee. Doch genau hier untersuchten die Forscher:innen, was passiert, wenn Grundschleppnetze die schlammigen, kohlenstoffreichen Böden aufwühlen.

Ergebnis: Die Region wird von einer Kohlenstoffsenke (CO₂-Aufnahmegebiet) kurzfristig zu einer Kohlenstoffquelle. Das bedeutet: Statt CO₂ zu binden, wird es freigesetzt – direkt in die Atmosphäre.

Ein Phänomen, das auch anderswo lauert.


Globale Ausmaße: Ein Klimafaktor, der kaum jemand auf dem Schirm hat

Die Auswirkungen dieser Fischereimethode sind weltweit spürbar:

  • 370 Millionen Tonnen CO₂ – das ist die geschätzte Menge, die jedes Jahr durch Schleppnetzfischerei freigesetzt wird.
  • Vergleichbar mit den Emissionen großer Industrienationen.
  • Besonders betroffen: Regionen wie die Nordsee, das Ostchinesische Meer oder die Grönlandsee.

Man könnte sagen: Während wir über Autoabgase streiten, pflügen wir unbemerkt am Meeresboden riesige Mengen CO₂ frei.


Mehr als nur CO₂: Die doppelte Bedrohung

Die CO₂-Freisetzung ist schlimm genug. Doch die Schleppnetzfischerei richtet noch mehr Schaden an:

  • Benthische Lebensräume zerstört: Korallen, Schwämme, Schnecken – alles, was auf dem Meeresboden lebt, wird regelrecht umgepflügt.
  • Meerwasser versauert: Durch die Oxidation von Pyrit entsteht Schwefelsäure, die den pH-Wert des Wassers senkt. Das macht es für kalkbildende Organismen wie Muscheln oder Korallen schwer, ihre Schalen zu bilden.
  • Biologische Kohlenstoffpumpe gestört: Die Fähigkeit der Meere, langfristig Kohlenstoff zu binden, wird durch die Zerstörung des Sedimentsystems geschwächt.

Was muss passieren?

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache – jetzt braucht es Taten. Drei Maßnahmen, die helfen könnten:

  1. Schutzgebiete einrichten: Besonders empfindliche Regionen sollten für die Schleppnetzfischerei tabu sein – zum Schutz der Kohlenstoffspeicher.
  2. Strengere Regeln und Kontrollen: Internationale Abkommen könnten helfen, das Problem global anzugehen. Ohne Kontrolle wird weiter gepflügt.
  3. Nachhaltige Fischereimethoden fördern: Es gibt Alternativen zum Schleppnetz – Fangmethoden, die den Meeresboden nicht zerstören.

Ein Denkanstoß zum Schluss

Der Meeresboden – oft übersehen, meist unterschätzt – spielt eine entscheidende Rolle für das Klima. Wenn wir ihn weiterhin so massiv stören, sägen wir am Ast, auf dem wir sitzen.

Vielleicht ist es an der Zeit, auch beim Fisch auf dem Teller zu fragen: Wie wurde er gefangen?