Schmelzwasserseen als Auslöser für das Brechen von Eisschelfen

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Neue Forschungen, geleitet vom Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (CIRES) an der University of Colorado Boulder, zeigen, dass Schmelzwasserseen auf den schwimmenden Eisschelfen der Antarktis nicht nur zu einer Belastung führen, sondern auch zu Brüchen in der Eisstruktur, die letztendlich den Kollaps von Eisschelfen verursachen können. Diese Erkenntnisse könnten erklären, wie der dramatische Kollaps des Larsen B Eisschelfs im Jahr 2002 zustande kam.

Ein erster Blick auf die Frakturierung von Eisschelfen

Bislang hatten Wissenschaftler lediglich vorhergesagt und modelliert, dass die Beladung von Oberflächen-Schmelzwasser Eisschelfe zum Brechen bringen könnte. „Jetzt haben wir diesen Prozess zum ersten Mal im Feld beobachtet“, erklärt Alison Banwell, CIRES-Wissenschaftlerin und Hauptautorin der in der Journal of Glaciology veröffentlichten Studie.

Untersuchungen unter extremen Bedingungen

Im November 2019 reiste Banwell zusammen mit Kollegen von den Universitäten Cambridge, Oxford und Chicago zur George VI Eisschelf auf der Antarktischen Halbinsel, um die Auswirkungen von Oberflächen-Schmelzwasser auf die Stabilität von Eisschelfen zu untersuchen. Sie installierten hochpräzise GPS-Stationen, Wasserdrucksensoren und ein Zeitrafferkamerasystem, um die Veränderungen im Eis zu dokumentieren.

Bemerkenswerte Ergebnisse trotz Herausforderungen

Die COVID-19-Pandemie unterbrach 2020 die Forschungsarbeit, aber im November 2021 konnten die Forscher wichtige Daten sammeln. GPS-Daten zeigten, dass das Eis im Zentrum des Beckens unter dem Gewicht des Schmelzwassers um etwa 30 Zentimeter nachgab. Zudem vergrößerte sich der horizontale Abstand zwischen dem Rand und dem Zentrum des Schmelzwasserbeckens um über 30 Zentimeter, was wahrscheinlich auf die Bildung und/oder Erweiterung von kreisförmigen Rissen um den See herum zurückzuführen ist.

Ein entscheidender Durchbruch

„Das ist eine aufregende Entdeckung“, sagt Banwell. „Wir glauben, dass diese Arten von kreisförmigen Rissen entscheidend in der kettenreaktionsartigen Abflussprozess waren, die dazu beitrugen, das Larsen B Eisschelf zu zerbrechen.“

Diese Arbeit unterstützt Modellergebnisse, die zeigen, wie das immense Gewicht von Tausenden von Schmelzwasserseen und deren anschließendes Abfließen dazu führten, dass das Larsen B Eisschelf sich bog und brach. Diese Beobachtungen sind von entscheidender Bedeutung, da sie verwendet werden können, um Modelle zu verbessern und besser vorherzusagen, welche antarktischen Eisschelfe in Zukunft am anfälligsten und am meisten gefährdet sind.

Die Studie beleuchtet die dringende Notwendigkeit, die Auswirkungen des Klimawandels auf antarktische Eisschelfe genauer zu verstehen und unterstreicht die potenziellen Konsequenzen für den globalen Meeresspiegelanstieg.


Reference:

  1. Alison F. Banwell, Ian C. Willis, Laura A. Stevens, Rebecca L. Dell, Douglas R. MacAyeal. Observed meltwater-induced flexure and fracture at a doline on George VI Ice Shelf, AntarcticaJournal of Glaciology, 2024; 1 DOI: 10.1017/jog.2024.31