Paros. Mykonos. Zwei Namen, die nach Sommer, Sonne und glasklarem Wasser klingen. Doch am 31. März war nichts davon zu sehen. Statt Meeresrauschen: reißende Bäche in den Gassen. Statt Urlaubsfreude: Chaos, Matsch und zerstörte Straßen.
Auf Paros, besonders in der Stadt Naoussa, wurde die Hauptstraße binnen Minuten zu einem tosenden Fluss. Autos trieben wie Nussschalen Richtung Meer, blieben verkeilt unter Brücken hängen oder landeten in Schlammlawinen. Videos von Einheimischen zeigen Szenen, die man sonst aus Katastrophenfilmen kennt – aber sicher nicht aus einem Ferienort in der Ägäis.
„So was hab ich noch nie erlebt“
Ein Satz, den man an diesem Sonntag oft hörte. Bewohnerinnen und Bewohner filmten mit zitternden Händen das Unfassbare. Ein Tourist aus Belgien brachte es auf den Punkt: „Der Regen war unvorstellbar. Es kam alles auf einmal.“ Minutenlange Sturzfluten, begleitet von Hagel, ließen Bäche überlaufen, Häuser mussten evakuiert werden. Ganze Straßenzüge waren noch Tage später von Matsch bedeckt.
Und was war auf Mykonos los? Weniger dramatisch, aber auch dort: überflutete Straßen, weiß getünchte Cafés an der Uferpromenade im Wasser und Strände, auf denen Hagelkörner wie kleine Murmeln glänzten. Keine Party, kein Luxus – nur Sand, Sturm und Schlamm.
Wenn der Touristentraum zum Albtraum wird
Natürlich waren die Schulen geschlossen. Kindergärten auch. Die Zivilschutzbehörde schickte Warnmeldungen an die Bevölkerung, forderte sie auf, zu Hause zu bleiben – was blieb ihnen auch anderes übrig? Die Straßen waren nicht mehr befahrbar, die Infrastruktur komplett lahmgelegt. Bagger kamen zum Einsatz, um zumindest provisorische Wege für das abfließende Wasser freizulegen.
Der Bürgermeister von Paros stand buchstäblich im Regen. Und im Fernsehen. Sichtlich betroffen schilderte er die Situation, bat um Hilfe und forderte zusätzliche Ressourcen für Aufräumarbeiten und Wiederaufbau. Verständlich – denn wie soll eine kleine Insel solche Schäden alleine stemmen?
Extremwetter? Zufall war das keiner
Manche fragen sich: „War das einfach nur Pech?“ Nein. Dieses Ereignis war kein Ausreißer, kein launischer Wettergott. Solche Unwetter häufen sich in Griechenland – und nicht nur dort. Was früher einmal in Jahrzehnten passierte, wiederholt sich nun in immer kürzeren Abständen. Und ja, das liegt am Klimawandel. Die Luft kann heute mehr Feuchtigkeit speichern als noch vor einigen Jahrzehnten. Kommt es dann zu einem Temperatursturz, entlädt sich diese Feuchtigkeit plötzlich und heftig – wie am 31. März.
Und hier beginnt das größere Problem: Städte, Straßen, Häuser – sie sind nicht für diese neuen Realitäten gebaut. Wer denkt beim Bau einer Promenade auf Mykonos an eine Flutwelle, die sie plötzlich wegreißt? Wer kalkuliert für eine Gasse in Naoussa ein Wasservolumen, das sonst eher zu einem Flussbett gehört?
Die Kykladen – verwundbarer als man denkt
Griechenlands Inseln sind längst keine isolierten Paradiese mehr. Sie sind Teil eines vernetzten Klimasystems, in dem auch kleine Veränderungen große Wirkung zeigen. Die zunehmende Urbanisierung, gepaart mit dem touristischen Boom, hat die Versiegelung von Flächen massiv erhöht. Wo früher Olivenhaine waren, sind heute Hotels. Und wo Wasser früher versickern konnte, trifft es heute auf Asphalt.
Das ist ein gefährlicher Cocktail. Denn ohne natürliche Pufferflächen schießt das Wasser ungehemmt durch die Ortschaften. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur Sachschäden – sondern Menschenleben.
Und jetzt? Aufräumen, hoffen, lernen
Na klar, die Bagger rollen, die Feuerwehr schaufelt Matsch, die Menschen helfen einander – das ist berührend. Aber was kommt danach? Wird das nächste Hotel höher gebaut? Oder fängt man endlich an, Inselinfrastruktur an die Realität anzupassen?
Vielleicht braucht es erst solche Katastrophen, um wachzurütteln. Doch wie viele „Weckrufe“ verträgt eine Gesellschaft, bis sie wirklich handelt? Und wer zahlt den Preis für das Zögern? Die Antwort ist oft: die sozial Schwachen, die nicht in erhöhten Luxusvillen leben, sondern in einfachen Häusern nahe der Küste oder in Senken, wo das Wasser zuerst hinströmt.
Zwischen Frust und Hoffnung
Es fällt schwer, nach so einem Ereignis nicht wütend zu sein. Auf politische Untätigkeit. Auf jahrelanges Ignorieren wissenschaftlicher Warnungen. Auf den bequemen Glauben, dass es einen schon nicht treffen wird.
Und doch gibt es Hoffnung – sie liegt in der Solidarität der Menschen vor Ort, in den Händen, die gemeinsam Schutt wegräumen, in den Stimmen, die sich erheben und Veränderung fordern.
Die Unwetter auf Paros und Mykonos sind ein Spiegel – sie zeigen uns, was passiert, wenn Natur auf Ignoranz trifft. Es liegt an uns, ob wir weiter wegsehen oder anfangen, ernsthaft umzudenken.
Von Andreas M. B.