Manchmal kippt das Wetter einfach aus den Latschen. Was sich derzeit über Teilen der USA abspielt, lässt einen wirklich schlucken: Von Texas bis Ohio – eine Schneise der Zerstörung. Tornados, Überflutungen, Sturmwarnungen im Dauerbetrieb. Mindestens 16 Menschen sind gestorben, ganze Städte stehen unter Wasser. Wie kann das sein? Und vor allem – was bedeutet das langfristig?
Wenn Regen zur Waffe wird
Seit Tagen fallen die Wassermassen wie aus einem undichten Eimer auf die zentralen US-Bundesstaaten. In Kentucky beispielsweise sind in nur wenigen Tagen über 30 Zentimeter Regen gefallen – das entspricht etwa einem Drittel des durchschnittlichen Jahresniederschlags mancher Regionen.
Ein 9-jähriger Junge wird auf dem Schulweg mitgerissen, ein 74-jähriger Mann ertrinkt in einem Auto, das völlig unter Wasser steht. Tragödien, die berühren – und wütend machen. Denn vieles davon ließe sich verhindern.
Ein Hochwasser allein ist schon gefährlich. Aber wenn es in Serie kommt, wenn die Flüsse noch vom letzten Regen voll sind und dann gleich die nächste Sintflut folgt, dann droht das System zu kippen. Genau das passiert gerade.
Was geht da ab in der Atmosphäre?
Ein kurzer Exkurs – verständlich, versprochen.
Damit sich so ein Chaos entwickeln kann, braucht es ein paar Zutaten: viel warme Luft, ordentlich Feuchtigkeit (vor allem aus dem Golf von Mexiko), eine instabile Atmosphäre und Wind, der in unterschiedlichen Höhen aus verschiedenen Richtungen bläst – sogenannter Windscherung.
Das Ergebnis? Eine hochaktive Wetterlage, die sich quasi selbst befeuert. Aus dieser explosiven Mischung entstehen Tornados und Dauerregen wie am Fließband. In Arkansas erreichte ein Tornado eine Höhe von 25.000 Fuß – das sind über 7,5 Kilometer. Einfach irre.
Erinnerungen an die 90er – Falmouth kämpft erneut
Falmouth in Kentucky. Ein verschlafenes Städtchen an einem Flussknick des Licking River. Nun wieder in den Schlagzeilen – und nicht zum ersten Mal. Bereits vor fast 30 Jahren riss derselbe Fluss dort fünf Menschen in den Tod und zerstörte über 1000 Häuser. Jetzt droht erneut eine Katastrophe, Evakuierungsbefehle sind erlassen.
Das zeigt: Die Geschichte wiederholt sich – wenn sich an den Ursachen nichts ändert.
Infrastruktur unter Wasser – wortwörtlich
Nicht nur Häuser und Straßen sind betroffen. Auch Eisenbahnbrücken werden unterspült, wie die bei Mammoth Spring in Arkansas. Ein Zug entgleist, zum Glück ohne Verletzte. Und der Verkehr? Über 500 Flüge wurden gestrichen, fast 6500 verspätet – das hat Auswirkungen weit über die Region hinaus.
Der Logistik-Hub Louisville – lahmgelegt. Auch Memphis – ein wichtiges Drehkreuz – kämpft mit überfluteten Zufahrten. Das trifft den Warenverkehr, die Lieferketten, die Wirtschaft.
Und jetzt?
Die Behörden arbeiten auf Hochtouren, doch es fehlen Menschen. Fast jede zweite Wetterstation des Nationalen Wetterdienstes ist unterbesetzt – Folge von Sparmaßnahmen der Trump-Ära. Wenn Warnsysteme nicht schnell genug reagieren, werden Leben riskiert. Das ist keine Panikmache – das ist Realität.
Der Elefant im Raum: der Klimawandel
Jetzt mal ehrlich: Wie oft müssen wir diese Geschichten noch erzählen, bis alle den Zusammenhang sehen? Heftiger Regen, schnellere Wetterwechsel, extremere Ausschläge – das sind klare Fingerabdrücke des Klimawandels.
Wer jetzt denkt: „Das gab’s doch früher auch schon“, hat nur teilweise recht. Natürlich gab es auch früher Unwetter. Aber sie kamen nicht so oft, nicht so heftig und nicht so langanhaltend wie heute. Und – sie trafen nicht auf so dichte Besiedlungen, auf so versiegelte Böden, auf so komplexe Infrastrukturen.
Soziale Ungleichheit im Fokus
Und wie immer trifft es nicht alle gleich. Menschen mit weniger Geld leben oft in schlechter gesicherten Häusern, in hochwassergefährdeten Lagen, mit schlechteren Möglichkeiten zur Evakuierung. Auch im Sturm ist soziale Gerechtigkeit kein Luxus – sondern eine Überlebensfrage.
Ein älterer Mann in Tennessee packt seine wichtigsten Dinge in eine Tasche: Medikamente, Technik, Unterlagen. Alles, was er nicht verlieren darf, falls sein Haus verschwindet. So sieht Alltag im Ausnahmezustand aus.
Ein System am Limit – und trotzdem Hoffnung
Ich kann’s nicht schönreden. Es fühlt sich manchmal so an, als ob die Natur uns eine Rechnung präsentiert, die wir jahrzehntelang ignoriert haben. Aber es gibt auch Lichtblicke: Moderne Vorhersagemodelle sind präziser als je zuvor, Frühwarnsysteme funktionieren besser – wenn sie denn voll besetzt sind.
Wissenschaftler*innen arbeiten interdisziplinär, Meteorologie, Klimaforschung, Stadtplanung, Soziologie – alle an einem Tisch. Das ist der einzige Weg. Kein Fachgebiet kann diese Krise allein stemmen.
Und jetzt du: Was wäre, wenn…?
Was wäre, wenn wir diesen Sturm als Weckruf nutzen? Wenn wir uns die Frage stellen, wie wir in Zukunft leben wollen – und was wir ändern müssen, damit das möglich bleibt? Es geht nicht nur um Klima. Es geht um Sicherheit. Gerechtigkeit. Zukunft.
Zeit zu handeln – nicht zu zaudern
Diese Unwetter sind kein Einzelfall, kein „Pech gehabt“-Moment. Sie sind Teil eines größeren Bildes. Die Antwort darauf muss groß gedacht werden – mutig, schnell und gerecht. Denn das nächste Tiefdruckgebiet wartet nicht, bis wir bereit sind.
Von Andreas M. Brucker