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Stell dir vor, dein Haus steht in Flammen – und die Feuerwehr bittet dich, ihr zu vertrauen, während sie mit einem Gartenschlauch löscht. Du schaust sie an, schüttelst den Kopf und fragst dich: Meinen die das ernst? Genau so geht es vielen Menschen bei Klimapolitik.

Ohne Vertrauen läuft nichts. Selbst die klügsten, wissenschaftlich abgesicherten Klimaschutzmaßnahmen scheitern, wenn sie auf Misstrauen treffen. Klingt dramatisch? Ist es auch.

Vertrauen – der unsichtbare Pfeiler der Klimapolitik

Es ist kein Bauchgefühl, sondern wissenschaftlich messbar: Wo Menschen ihren Regierungen vertrauen, unterstützen sie Klimaschutz deutlich eher. Studien zeigen, dass die Zustimmung zu CO₂-Steuern, Subventionen für Elektroautos oder Gebäudesanierung besonders hoch ist, wenn die Bevölkerung ihre Entscheidungsträger als kompetent und integer wahrnimmt.

Veröffentlichungen auf ResearchGate belegen, dass Vertrauen in die Leistungsfähigkeit und Aufrichtigkeit von Institutionen direkt die Akzeptanz klimabezogener Maßnahmen erhöht. Klartext: Wer glaubt, dass Politiker*innen wissen, was sie tun – und nicht nur ihren eigenen Vorteil suchen –, der macht auch bei unbequemen Maßnahmen mit.

Doch das Gegenteil wirkt genauso stark – nur eben destruktiv.

Wenn Vertrauen kippt: Das französische Lehrstück

Erinnern wir uns an die „Gilets Jaunes“, die Gelbwesten in Frankreich. Eine eigentlich sinnvolle Steuer auf Diesel führte zu massiven Protesten. Warum? Weil viele Franzosen die Maßnahme als sozial ungerecht empfanden. Da halfen auch rationale Erklärungen nichts – das Vertrauen war einfach weg.

Menschen fühlten sich übergangen, bevormundet, bestraft. Statt gemeinsam für den Klimaschutz zu arbeiten, entzündete sich ein Flächenbrand des Widerstands.

Diese Geschichte zeigt brutal deutlich: Ohne ein Gefühl der Fairness und Transparenz werden Klimapläne zu politischen Brandbeschleunigern.

Deutschland, 2023: Ein Gesetz, ein Aufschrei

Auch hierzulande gibt es Beispiele. Die Heizungsdebatte rund um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) zeigte, wie schnell Vertrauen kippen kann. Es war nicht der Inhalt des Gesetzes allein, der für Unmut sorgte – viele hatten schlicht das Gefühl, dass politische Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen werden.

Verwunderlich ist das nicht. Wer sich nicht gehört fühlt, misstraut.

Und was passiert, wenn dieses Misstrauen auf politische Bewegungen trifft, die genau davon leben?

Populismus als Brandbeschleuniger

Populistische Kräfte gießen Öl ins Feuer. Sie malen ein Bild von einer „grünen Elite“, die sich abgehoben und praxisfern durchsetzt – während der „kleine Mann“ blecht. Ob das stimmt oder nicht, ist zweitrangig. Der Eindruck reicht.

Populismus funktioniert über Misstrauen. Und Klimapolitik – so komplex sie auch sein mag – wird da schnell zum Spielball. Plötzlich geht es nicht mehr um CO₂-Bilanzen oder die Zukunft der Enkel, sondern um Macht, Identität und gefühlte Ungerechtigkeit.

Wie also kann dieses fragile Fundament des Vertrauens gestärkt werden?

Fünf Wege, um Vertrauen zurückzugewinnen

  1. Klartext statt Floskeln

Politik darf nicht klingen wie ein Verwaltungsakt. Menschen wollen verstehen, was auf sie zukommt. Ehrlich, direkt, verständlich. Wer mit Zahlen um sich wirft, aber das Warum und Wie nicht erklärt, verliert.

  1. Beteiligung statt Belehrung

Warum nicht Bürger*innen in die Gestaltung von Klimaschutzmaßnahmen einbinden? Beteiligungsformate wie Klimaräte oder regionale Dialoge zeigen, dass das möglich ist – und das Vertrauen stärkt.

  1. Fairness zählt

Wenn die Kosten des Klimaschutzes ungleich verteilt werden, bröckelt der Konsens. Es braucht soziale Ausgleichsmechanismen, Förderungen für Haushalte mit geringen Einkommen – und ein klares Zeichen: Niemand wird allein gelassen.

  1. Erfolg sichtbar machen

Klimapolitik wirkt oft abstrakt. Doch wo sie konkret greifbar wird – sauberere Luft, neue Jobs in der Solartechnik, Energieeinsparungen – steigt die Akzeptanz. Politik muss ihre Erfolge besser erzählen.

  1. Vertrauensanker nutzen

Nicht jeder vertraut der Regierung – aber viele vertrauen lokalen Akteuren, Kirchen, Sportvereinen oder NGOs. Diese Gruppen als Botschafter für Klimaschutz einzubinden, ist nicht Kür, sondern Pflicht.

Warum redet eigentlich niemand mit uns?

Diese Frage höre ich oft, wenn ich mit Menschen über neue Klimagesetze spreche. Die Antwort ist ernüchternd: Weil Kommunikation oft als nachrangig gilt. Dabei entscheidet sie über Erfolg oder Scheitern.

Wir brauchen keine PR-Offensiven – sondern ehrliche, kontinuierliche Dialoge.

Der lange Schatten der Geschichte

Vertrauen entsteht nicht im Vakuum. Es ist geprägt durch Erfahrungen, Enttäuschungen, Erfolge. In postindustriellen Regionen, die wirtschaftlichen Wandel oft als Verlust erlebt haben, ist die Skepsis besonders groß. Hier muss Klimapolitik mehr leisten – und nicht nur mit Verboten kommen.

Auch das Narrativ zählt. Wer vom „Verzicht“ redet, statt von Zukunftschancen, verliert Menschen, bevor der Dialog beginnt.

Klimaschutz ist kein Elitenprojekt

Noch so ein Satz, der häufiger fallen sollte. Denn viele fühlen sich ausgeschlossen, wenn es um die Energiewende geht. Zu teuer, zu kompliziert, zu akademisch – das sind echte Sorgen. Wer sie ignoriert, handelt fahrlässig.

Klimapolitik muss mehr sein als Technik und Ziele. Sie ist ein Gesellschaftsvertrag – und der braucht Vertrauen, Augenhöhe und Respekt.

Blick in die Zukunft: Was tun?

Es wäre vermessen zu glauben, dass Vertrauen per Verordnung entsteht. Es braucht Geduld, ehrliches Bemühen und Fehlerkultur. Politik darf Fehler eingestehen. Sie darf dazulernen. Und sie muss aufhören, Menschen zu unterschätzen.

Ein konkreter Vorschlag? Statt über Heizungen zu diskutieren, könnten wir viel mehr über Wohnqualität, Energiesicherheit und Lebensqualität sprechen. Das ist nicht nur semantisch – es ist ein Perspektivwechsel.

Hoffnung? Unbedingt.

Ja, es gibt Rückschläge. Ja, es gibt Misstrauen, Desinformation und politische Instrumentalisierung. Aber es gibt auch Beispiele, wo Klimapolitik funktioniert, weil Vertrauen da ist. Skandinavische Länder zeigen, wie es gehen kann. Dort sind Klimaziele ehrgeizig – und gesellschaftlich breit getragen.

Warum also nicht auch hier? Warum nicht eine Klimapolitik, die wir gemeinsam gestalten – statt gegeneinander?

Die Klimakrise wartet nicht. Und sie lässt sich nicht mit Misstrauen lösen.

Von Andreas M. Brucker