Wie Klimawandel, Wissenschaft und Politik in den Aprilstürmen 2025 in den USA aufeinanderprallen.
Der Mississippi trat über die Ufer. Wieder einmal.
Doch diesmal war etwas anders. Im April 2025 standen ganze Landstriche des zentralen Mississippi-Tals unter Wasser. Menschen verloren ihr Zuhause – manche auch ihr Leben. Und während die Fluten stiegen, blieb eine Frage im Raum hängen: Hätte man das verhindern können?
Laut der renommierten Forschungsgruppe World Weather Attribution (WWA) war der menschengemachte Klimawandel der zentrale Mitspieler in diesem Drama. Und nicht nur das – politische Entscheidungen, vor allem massive Stellenkürzungen beim National Weather Service (NWS), entpuppten sich als gefährliche Schwachstellen im Schutzschild gegen Naturgewalten.
Klimawandel als Brandbeschleuniger – wissenschaftlich bestätigt
Die Analyse der WWA ist eindeutig: Die extremen Regenfälle, die den Süden und Mittleren Westen der USA im April trafen, waren 9 % intensiver als sie es in einer Welt ohne Klimawandel gewesen wären. Und die Wahrscheinlichkeit, dass solche Starkregenereignisse überhaupt auftreten, hat sich um 40 % erhöht.
Aber wie lässt sich das überhaupt feststellen?
Die Forscherinnen und Forscher der WWA nutzen sogenannte Attributionsstudien – hochentwickelte statistische und klimatologische Modelle, die reale Wetterereignisse mit historischen Klimadaten und einer hypothetischen „vorindustriellen“ Welt vergleichen. Ihre Methode hat sich inzwischen als Goldstandard etabliert, wenn es darum geht, den Einfluss des Klimawandels auf konkrete Ereignisse zu quantifizieren.
Die Wärme des Golfes von Mexiko spielte dabei eine entscheidende Rolle. Das Wasser dort war im April um rund 1,2 °C wärmer als im langjährigen Durchschnitt – ein Temperaturanstieg, der ohne Klimawandel 14-mal unwahrscheinlicher wäre. Und diese zusätzliche Wärme sorgte für mehr Verdunstung, mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre und damit für gewaltigere Regenmengen.
Die logische Kette ist glasklar: Wärmeres Wasser → mehr Feuchtigkeit → stärkere Stürme → verheerendere Überschwemmungen.
Und dann kam die Politik – mit dem Rotstift
Während sich die Atmosphäre aufheizt, kühlte das politische Klima in Washington gegenüber der Wissenschaft deutlich ab. Über 1.000 Stellen beim National Weather Service wurden gestrichen – das entspricht etwa 10 % der gesamten Belegschaft.
In Büros wie denen in Boston und Omaha bedeutete das: Wetterballonstarts – also essentielle Datenlieferanten für Wettermodelle – mussten gestrichen werden. Kein Scherz. Man schickte einfach keine Ballons mehr in den Himmel, weil Personal fehlte. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der präzise Daten dringender gebraucht werden denn je.
Meteorologiestudenten bekommen keine Praktikumsplätze mehr. Nachwuchsprogramme wurden gestrichen. Wissen – wegrationalisiert. Dabei wäre gerade das jetzt von unschätzbarem Wert.
Wie kann es sein, dass wir in einer Ära eskalierender Extremwetterereignisse ausgerechnet bei der Wettervorhersage sparen?
Ein politischer Bumerang
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Besonders laut: Demokratische Abgeordnete aus Houston, einer Stadt, die weiß, wie sich Wasserfluten anfühlen. Sie forderten die Trump-Administration auf, unverzüglich Personal beim NWS nachzubesetzen – besonders mit Blick auf die kommende Hurrikansaison.
Doch selbst abgesehen von parteipolitischen Spielchen – der Grundkonflikt bleibt: Wenn Warnsysteme schwächeln, stehen Menschenleben auf dem Spiel.
Und genau das war im April 2025 der Fall. Zwar versandte der NWS beeindruckende 728 Warnmeldungen in kurzer Zeit – aber wie viel effizienter hätte das Team arbeiten können, wenn es nicht unterbesetzt gewesen wäre?
Die Ungleichheit der Katastrophen
Was oft übersehen wird: Naturkatastrophen treffen nicht alle gleich. Wohlhabende Stadtviertel haben bessere Infrastruktur, mehr Informationszugang, oft auch Fluchtpläne und besseren Versicherungsschutz. In armen, ländlichen Gebieten fehlt all das.
Das bedeutet im Klartext: Wenn der NWS schwächelt, sind es vor allem sozial benachteiligte Menschen, die den Preis zahlen.
Und das ist kein abstrakter Gedanke – das ist gelebte Realität im Mississippi-Tal. In Trailerparks, die weggeschwemmt wurden. In Kleinstädten, in denen der Alarm zu spät kam. In Notunterkünften, in denen Familien auf Matratzen lagen, weil ihre Häuser im braunen Wasser versunken waren.
WWA liefert harte Zahlen – und eine klare Botschaft
Die Stärke der WWA-Studie liegt nicht nur in ihrer Methodik, sondern auch in ihrer Aussagekraft. Sie belegt messbar, dass der Klimawandel kein „künftiges Problem“ ist – er beeinflusst unser Wetter heute. Jetzt. Und zwar in einer Weise, die gefährlich wird, wenn wir nicht entsprechend vorbereitet sind.
Der Bericht zeigt auch: Es ist nicht alles Zufall, was uns als „Naturkatastrophe“ begegnet. Vieles daran ist mitverursacht – durch unsere Emissionen, unsere Energiepolitik, unser Schweigen, unser Zögern.
Müssen wir erst absaufen, um aufzuwachen?
Wenn der Klimawandel Stürme schürt – und die Politik die Warnsysteme schwächt – dann sitzen wir in einem sinkenden Boot. Es ist schwer verständlich, warum ausgerechnet jetzt bei der Wetterforschung gespart wird.
Und doch: Es gibt Hoffnung. Die Wissenschaft weiß, wie man Risiken erkennt. Es gibt Technologien, die präzisere Vorhersagen ermöglichen. Und ja, es gibt auch politischen Willen – zumindest in Teilen der Welt –, die Warnsysteme zu stärken.
Der nächste Schritt für die USA muss sein: Ressourcen bereitstellen. Stellen nachbesetzen. Junge Talente fördern. Und den National Weather Service nicht länger als Kostenstelle, sondern als Lebensretter begreifen.
Denn wenn uns diese Flut eines gezeigt hat, dann das: Wir brauchen eine wetterfeste Gesellschaft.
Andreas M. Brucker