Wie wir in unserem vorherigen Artikel erwähnt haben, gibt es eine ungleiche Verteilung der Sonnenstrahlung auf der Erdoberfläche. Und da die Natur auf unserem Planeten stets nach Gleichgewicht sucht, muss diese ungleiche Verteilung irgendwie ausgeglichen werden. Wärme muss vom Äquator zu den Polen transportiert werden – um es mal knapp und anschaulich auszudrücken.
Eine wichtige Rolle dabei wird von einem “Christkind” aus Südamerika übernommen.
Wie funktioniert dieser Ausgleich? Nun, da müssen wir etwas weiter ausholen:
Wärmere Luft ist weniger dicht und damit leichter als kalte Luft, und die Erwärmung der Luft durch die Erd- oder Wasseroberfläche erzeugt eine instabile Situation, in der leichtere warme Luft unter schwererer kalter Luft liegt. Dabei kommt es immer zu einer aufsteigenden Bewegung. Die warme Luft steigt von der Erdoberfläche auf und kühlt weiter oben wieder ab.
Dieses Phänomen beschert uns sowohl auf der nördlichen als auch auf der südlichen Halbkugel vertikale Zirkulationen. Unsere Atmosphäre kennt drei große Zirkulationszellen in jeder Hemisphäre, die erste Zelle steigt in der Nähe des Äquators auf und in den Subtropen wieder ab, die zweite steigt in den subpolaren Breiten auf und schließlich sinkt die dritte Zelle über den Polen wieder ab.
Hier eine Darstellung der drei zirkulierenden Zellen:
Wo die Luft aufsteigt, sehen wir niedrigen Oberflächendruck = Tiefdruckgebiet. Wo wir eine absteigende Luftbewegung haben, haben wir hohen Oberflächendruck = Hochdruckgebiet.
Aufsteigende Luft und Niederschlag erleben wir üblicherweise in einer Zone mit niedrigem Druck wie der ITCZ, der intertropischen Konvergenzzone (auch bekannt als Äquatoriale Tiefdruckrinne – siehe Illustration oben), das ist der Bereich in den Tropen, in dem die Erdoberfläche am direktesten von der Sonne erwärmt wird. Die ITCZ ist am Äquator angesiedelt, aber sie verschiebt sich mit der Wanderung der Sonne im Laufe der Jahreszeiten wie eine Wellenband nach Norden und Süden.
Die Erwärmung durch die Sonne wandert im Laufe des Jahres von den Tropen ein wenig nach Norden und dann wieder nach Süden, und das bringt atmosphärische Bewegung an verschiedene Orte der Erde.
Die Verschiebung der Sonnenerwärmung und damit der Luftzirkulationen ist über den Ozeanen etwas träger und dafür über großen Landmassen deutlich ausgeprägter, denn die Erwärmung der Luft ist über der Erdoberfläche stärker als über der Wasseroberfläche. Und das führt in tropischen Breiten regelmässig zu dramatischen Wind- und Niederschlagsmustern wie dem indischen Monsun.
Die in den Tropen aufsteigende Luft sinkt in den Subtropen ab und bildet ein Band hohen Oberflächendrucks, das uns den Wüstengürtel beschert. Dieses Muster der Zirkulation von aufsteigender Luft und Niederschlag in der Nähe des Äquators und absteigender trockener Luft in den Subtropen, ist bekannt als die Hadley-Zellen-Zirkulation. Luft steigt in Äquatornähe auf, die in der warmen Luft gebundene Feuchtigkeit regnet ab, die trocknere und kühlere Luft breitet sich in Richtung der Subtropen aus und sinkt ab.
Am Nordrand der Hadley-Zelle sinkt die abgekühlte Luft über den Subtropen ab, aber in den dazwischenliegenden Breiten, wärmt sich Luft auf, die den nächsten Schenkel der atmosphärischen Zirkulationszellen bildet und aufsteigt, um schließlich in der Nähe der Polarregionen abzusinken (Ferrel-Zelle). Die dritte Zelle der atmosphärischen Zirkulation wird von aufsteigender Luft in Mittel-Europa gebildet, die über der Polarregion abkühlt und absinkt.
In den mittleren Breiten unter der Ferrel-Zelle findet das Aufsteigen der Luft üblicherweise innerhalb von Gewitter- und Sturmsystemen statt. Die Sturmsysteme in den mittleren Breiten werden durch die Kontraste der Temperaturen angetrieben, wenn warme subtropische Luft auf kalte polare Luftmassen trifft.
Wissenschafter nennen diese Region, an der sich kalte und warme Luftmassen mischen, die Polarfront. Hier sehen wir eine aufsteigende Bewegung und viele Tiefdrucksysteme.
Spannend wird es auch, wenn wir weiter nach oben in die Atmosphäre blicken. Dort finden wir die Westwinde, die in den subpolaren Regionen immer stärker werden, je höher wir in die Troposphäre steigen, bis wir auf die Grenze zwischen Troposphäre und Stratosphäre treffen, die sogenannte Tropopause. Und an dieser Stelle in der Atmosphäre, zwischen 10 und 14 Kilometern über der Oberfläche, und in den subpolaren Breiten, haben wir den sogenannten Jetstream, ein Band sehr starker westlicher Winde, begrenzt im Süden durch den Subtropical Jet und im Norden durch den Polar Jet. Diese Winde wehen, bedingt durch die Drehbewegung der Erde, immer von Westen nach Osten.
Der Jetstream bewegt die Wettersysteme in den mittleren Breiten zwischen den Subtropen und der Polarregion. Die in den mittleren Breiten, und dazu gehört auch Europa, auftretenden Stürme und Wettersysteme sind sehr eng mit den Bewegungen des Jetstreams verbunden. Der Jetstream entscheidet, wie sie sich entwickeln, wie sehr sie sich intensivieren und wo sie auftreten.
Und das ist der Grund, warum die Wissenschaft und auch unsere Fernsehmeteorologen in den vergangenen Monaten und Jahren so gebannt auf die Temperaturentwicklung in den polaren Regionen wie Sibirien, Grönland und dem Norden Kanadas schauen:
Sollte nämlich wegen des Klimawandels die Wärme über den Polarregionen dauerhaft ansteigen und dadurch die zum Wärmeaustausch notwendigen Luftzirkulationen ins Stocken geraten, weil einfach der Temperaturunterschied zwischen dem Äquator und den Polarregionen zu gering geworden ist, dann fehlt auch dem Jetstream der Antrieb. In diesem Fall wäre er nicht mehr dazu in der Lage, die entstehenden Hoch- und Tiefdruckgebiete zu bewegen. Diese verharren dann über längere Zeiträume auf einer Stelle, über einer Region, und bringen im Fall eines Tiefs langanhaltenden, ausdauernden und starken Regen und im Falle eines Hochs lange Hitze- und Trockenperioden.
Die Folgen solcher Wetterlagen sehen wir derzeit mit Hitzerekorden und Dürre im Westen der USA (Hoch) und in Deutschland und Teilen Europas mit Überschwemmungen durch langanhaltende sintflutartige Regenfälle (Tief).
Die dynamischen Eigenschaften der Atmosphäre, die wir hier beschrieben haben, helfen dem Klimasystem der Erde, die instabile Situation eines warmen Äquators und einer kühlen Polarregion aufzulösen. Die Atmosphäre versucht, einen Wärmeüberschuss vom Äquator zum Pol zu transportieren, und das tut sie in Form dieser für uns so wichtigen atmosphärischen Zirkulationen. Gäbe es einen solchen Wärmeunterschied nicht mehr, dann kämen auch die hier beschriebenen dynamischen Eigenschaften der Atmosphäre zum erliegen.
Aber da ja in der Natur und damit auch in der Atmosphäre nicht alles nach einfachen und schnell zu verstehenden Mustern abläuft, gibt es nun noch eine kleine Überraschung: Die seitlichen Windmuster, die wir der Vollständigkeit halber nicht verschweigen wollen. Die seitlichen Winde werden hauptsächlich durch die so genannte Druckgradientenkraft und die Corioliskraft, eine Kraft, die dadurch entsteht, dass die Erde sich dreht, bestimmt.
Die Stärke der Corioliskraft hängt von der geographischen Breite ab. Sie verschwindet am Äquator und ist am stärksten an den Polen. Sie tritt im rechten Winkel zur Bewegungsrichtung der Erde, nämlich 90 Grad nach rechts auf der Nordhalbkugel und 90 Grad nach links auf der Südhalbkugel, auf.
Die Druckgradientenkraft dagegen verursacht eine Strömung der Luft von Regionen mit hohem Oberflächendruck zu Regionen mit niedrigem Oberflächendruck.
Das Gleichgewicht zwischen der Druckgradienten- und der Corioliskraft wird als geostrophisches Gleichgewicht bezeichnet.
Das geostrophische Gleichgewicht führt zu Winden in den mittleren Breiten. Zwischen dem subtropischen Hochdruckgürtel und dem subpolaren Tiefdruckgürtel wehen sie von West nach Ost. Wir nennen diese Winde Westwinde. Die Westwinde werden in der Höhe stärker und führen zu den intensiven Starkwindgebieten, die als Jetstream in der oberen Troposphäre der mittleren Breiten bekannt sind (siehe oben). Umgekehrt wehen die Winde südlich des Äquators von Osten nach Westen und werden Ostwinde oder manchmal auch Passatwinde genannt.
In der nördlichen Hemisphäre führt das geostrophische Gleichgewicht dazu, dass sich die Winde gegen den Uhrzeigersinn um Tiefdruckgebiete und im Uhrzeigersinn um Hochdruckgebiete drehen. Auf der Südhemisphäre sind die Richtungen entgegengesetzt.
Aber natürlich spielen auch die Ozeane eine Schlüsselrolle bei der Auflösung des Wärmeungleichgewichts, indem sie Wärme aus niedrigen, äquatorialen, in hohe, polare, Breiten transportieren.
Eine Art der Zirkulation in den Ozeanen ist die horizontale Zirkulation, das sind windgetriebene Ozeanwirbel an der Oberfläche. Die wichtigsten Oberflächenströmungen, die warmen, polwärts gerichteten westlichen Ströme, sind der Golfstrom, der mit dem Nordatlantischen Wirbelstrom verbunden ist, und der Kuroshio-Strom, der mit dem Nordpazifischen Wirbelstrom verbunden ist.
Diese Wirbel enthalten aber auch kalte äquatorwärts gerichtete östliche Ströme, wie den Kanarenstrom im östlichen Nordatlantik und den Kalifornienstrom im westlichen Nordpazifik.
Ähnliche Strömungssysteme finden sich auch auf der Südhalbkugel. Die horizontalen Muster der Ozeanzirkulation werden von den wechselnden Windmustern in Abhängigkeit von der geografischen Breite angetrieben, insbesondere von der Tendenz zu westlichen Winden in den mittleren Breiten und östlichen Winden in den Tropen, wie oben bereits erwähnt.
Der zweite Typ der Ozeanzirkulation ist die vertikale Zirkulation, und insbesondere das, was wir die meridiane Umwälzzirkulation nennen, oder manchmal auch einfach die Förderbandzirkulation.
Die Förderbandzirkulation ist in den hohen Breiten des Nordatlantiks mit einer Tendenz zum Absinken kalten Wassers und zu aufsteigender Bewegung warmen Wassers in den Tropen und Subtropen des Indischen und Pazifischen Ozeans verbunden. Die Förderbandzirkulation wird durch Wärmeunterschiede und Unterschiede in der Wasserdichte angetrieben, die wiederum weitgehend auf Schwankungen der Temperatur und des Salzgehalts des Meerwassers zurückzuführen sind. Daher kommt auch der Begriff, der manchmal zur Beschreibung dieser Zirkulation verwendet wird: Die thermohaline Zirkulation.
Die Sinkbewegung wird hervorgerufen von relativ kaltem, salzhaltigem Oberflächenwasser des subpolaren Nordatlantiks, und die aufsteigende Bewegung von dem relativ warmen und weniger salzigem Wasser im tropischen und subtropischen Pazifik und Indischen Ozean.
Die nordwärts gerichtete Ausdehnung der thermohalinen Zirkulation im Nordatlantik wird als Nordatlantikdrift bezeichnet.
Dieses Strömungssystem stellt den Transport von warmem Oberflächenwasser zu höheren Breiten des Nordatlantiks sicher und ist ein wichtiges Mittel, mit dem das Klimasystem Wärme polwärts von den niedrigeren Breiten in höhere Breiten transportiert. Es wird angenommen, dass Veränderungen in diesem Strömungssystem eine Schlüsselrolle bei vergangenen und potenziellen zukünftigen Klimaveränderungen spielen.
Genauso wie die Atmosphäre natürliche interne Veränderungen aufweist, die wir Wetter nennen, weist auch das Klimasystem selbst, wenn auch auf längeren Zeitskalen, immer wiederkehrende Veränderungen auf.
Die wichtigste und bekannteste dieser Formen der natürlichen Veränderungen im Klimasystem ist die sogenannte El Niño Southern Oszillation oder ENSO.
Im Fall von El Niño sehen wir sehr gut, dass und in welcher Form eine Interaktion zwischen dem Ozean und der Atmosphäre stattfindet. Der tropische Pazifische Ozean hat dynamische Strömungssysteme und auch die Passatwinde der tropischen Atmosphäre sind dynamisch. Diese beiden Dinge können miteinander interagieren, denn die Stärke der Passatwinde beeinflusst die Meeresströmungen und damit auch, wie viel kaltes Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche kommt. Wenn die Passatwinde im östlichen Äquatorialpazifik schwächer werden, wird der Auftrieb der kalten Gewässer an die Oberfläche gestoppt, und das Wasser in dieser Region wärmt sich dramatisch auf. Typischerweise passiert das alle paar Jahre um die Weihnachtszeit – daher der Name El Niño, das Christkind, weil die Ureinwohner Südamerikas erkannten, dass dieses Phänomen immer um Weihnachten herum im Winter auftritt.
Bei El Niño erwärmt sich also das Wasser im Pazifik, und das verändert das relative Ost-West-Muster der Temperatur entlang des äquatorialen Pazifiks. Das Ost-West-Muster der Temperatur treibt eine vertikale Zirkulation in der Atmosphäre an, die Walker-Zirkulation, und die Veränderung dieser Walker-Zirkulation verändert wiederum die Stärke der Passatwinde. Und so schließt sich der Kreis.
Wenn sich die Passatwinde verändern, verändert sich der Auftrieb von kaltem Wasser im tropischen Pazifik, und wenn sich der Auftrieb von kaltem Wasser verändert, verändert sich das Temperaturmuster, das wiederum das atmosphärische Zirkulationsmuster beeinflusst, welches die Passatwinde überhaupt erst bestimmt.
Dies ist ein Beispiel von einer gekoppelten Ozean-Atmosphären-Variabilität – man kann El Niño nicht verstehen wenn man nur die Atmosphäre betrachtet. Man kann die El Niño Southern Oscillation aber auch nicht verstehen, wenn man nur den Ozean betrachtet. Man muss verstehen, wie sie miteinander interagieren, um die Veränderungen, die auf einer Zeitskala von drei bis sieben Jahren stattfinden, zu erkennen.
Wenn wir uns das globale Muster des Einflusses von El Niño, dem “Christkind”, ansehen, sehen wir, dass das, was im tropischen Pazifik passiert, nicht im tropischen Pazifik bleibt.
Diese Änderungen der Meeresoberflächentemperatur im östlichen tropischen Pazifik beeinflussen die Jetstreams in beiden Hemisphären, und wenn sich der Jetstream der nördlichen Hemisphäre und der der südlichen Hemisphäre verändert, verändern sich die Wettermuster auf der ganzen Welt mit manchmal dramatischen Folgen (siehe weiter oben die Beschreibung des Jetstreams).
El Niño und sein Gegenpart, La-Niña, haben also einen globalen Einfluss auf unser Klima. In gewisser Hinsicht sind sie das stärkste richtungsgebende Signal in unserem Klima. Ein Großteil der jährlichen Klimaschwankungen auf der ganzen Welt wird durch El Niño beeinflusst.
Jetzt liegt natürlich die Vermutung nahe, dass der derzeitige Klimawandel auf die Auswirkungen von El Niño zurückzuführen sein könnte.
Aber, es gibt auch die Möglichkeit, dass im Gegenteil der Klimawandel den Jetstream der südlichen Hemisphäre und dadurch die Passatwinde und im nächsten Schritt die eben geschilderten Muster der Wärmezirkulation und damit auch das Verhalten von El Niño verändert. Und wenn man das Verhalten von El Niño verändert, wird das das Wetter rund um den Globus beeinflusst.
Es werden die Hurrikansaisonen im tropischen Atlantik und im tropischen Pazifik beeinflusst. Es werden die Intensität und Häufigkeit der Stürme und Gewitter in den mittleren Breiten verändert – und ihre Beweglichkeit.
Es gibt eine grosse Anzahl von Wetterphänomenen, die von El Niño beeinflusst werden, und wenn der Klimawandel El Niño verändert, wird sich das auf alle diese Phänomene auswirken.
Niemand weiss bisher genau, wie diese Auswirkungen aussehen werden, und daher gibt es Ungewissheit bei der Vorhersage der regionalen Auswirkungen des Klimawandels.
Aber klar ist auf alle Fälle das: Ungewissheit ist nicht unser Freund, denn man kann nicht für Veränderungen planen oder sich an sie anpassen, von denen man nicht weiß, wann und wie sie kommen.
Noch ein Hinweis zum Schluss: Unsere Artikelserie über den Klimawandel erhebt keinerlei Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit. Wir wollen lediglich eine Basis zum Verständnis dessen legen, was immer häufiger unter der Bezeichnung “Klimawandel” diskutiert wird. Und zwar oft auch von Personen, die noch nicht einmal über ein solches Basiswissen verfügen.
Unser Motto ist: Nur was man verstehen kann, kann man auch beeinflussen! Und etwas tun müssen wir – das ist uns klar.
Der nächste Artikel erscheint am Sonntag und behandelt den Zusammenhang zwischen der Erdabstrahlung und den Gasen in der Atmosphäre.