Atmosphärenforscher des internationalen CLOUD-Konsortiums haben einen Mechanismus entdeckt, der es ermöglicht, dass sich Keime für Eiswolken in der oberen Troposphäre bilden und schnell wachsen. Die Entdeckung basiert auf Nebelkammer-Experimenten, zu denen ein Team der Goethe-Universität hochspezialisierte Messungen beisteuerte. Obwohl die Bedingungen für die Kernbildung nur in der asiatischen Monsunregion erfüllt sind, wird erwartet, dass der Mechanismus Auswirkungen auf die Bildung von Eiswolken in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre haben wird.
Der asiatische Monsun transportiert enorme Luftmengen aus den oberflächennahen Schichten der Atmosphäre in eine Höhe von etwa 15 Kilometern. Wie in einem gigantischen Aufzug gelangen auf diese Weise auch vom Menschen verursachte Schadstoffe in die obere Troposphäre. Ein Forscherteam des CLOUD-Konsortiums (Cosmics Leaving Outdoor Droplets), dem auch Atmosphärenforscher der Goethe-Universität Frankfurt angehören, hat die dort herrschenden Bedingungen, zu denen auch die kosmische Strahlung gehört, in ihrer Experimentierkammer am Teilchenbeschleunigerzentrum CERN in Genf nachgestellt.
Dabei stellten sie fest, dass sich aus Ammoniak, Salpetersäure und Schwefelsäure bis zu 100-mal mehr Aerosolpartikel bilden, als wenn nur zwei dieser Stoffe vorhanden sind. Diese Teilchen stehen dann einerseits als Kondensationskerne für flüssige Wassertröpfchen in Wolken und andererseits als feste Keime für reine Eiswolken, sogenannte Zirruswolken, zur Verfügung. Das Forscherteam beobachtete auch, dass sich Eiswolken mit den Dreikomponentenpartikeln bereits bei geringerer Wasserdampfübersättigung bilden als erwartet. Das bedeutet, dass die Eiswolken bereits unter Bedingungen entstehen, von denen Atmosphärenforscher weltweit bisher annahmen, dass sie nicht zur Bildung von Zirruswolken führen. Mit Modellrechnungen rund um den Globus konnte das CLOUD-Forscherteam zudem zeigen, dass sich die Wolkenkerne innerhalb weniger Tage über weite Teile der Nordhemisphäre ausbreiten können.
„Das Experiment in der Nebelkammer war eine Reaktion auf die Ergebnisse von Feldexperimenten über Asien. Diese Messungen zeigten, dass dort während des Monsuns Ammoniak in der oberen Troposphäre vorhanden ist“, erklärt Professor Joachim Curtius von der Goethe-Universität. „Bisher waren wir immer davon ausgegangen, dass Ammoniak aufgrund seiner Wasserlöslichkeit aus den aufsteigenden Luftmassen herausgespült wird, bevor es die obere Troposphäre erreicht.“ Wie das Experiment der CLOUD-Forscher nun bestätigt, ist Ammoniak ein wesentlicher Bestandteil für mehr Wolkenbildung. Die Ammoniakemissionen in Asien stammen überwiegend aus der Landwirtschaft.
Die internationale Forschungskooperation CLOUD (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) besteht aus Teams von 21 Forschungseinrichtungen. Bei dem Experiment, dessen Ergebnisse das Forscherteam jetzt in der aktuellen Ausgabe von „Nature“ vorstellt, waren die Forscher um Curtius für die massenspektrometrische Messung der Schwefelsäurekonzentration verantwortlich. Diese Konzentration veränderte sich im Laufe des Experiments, war aber immer sehr niedrig, wie in der oberen Troposphäre: Auf ein einziges Schwefelsäuremolekül kommen über eine Billion anderer Gasmoleküle. „Abgesehen von den besten Messgeräten erfordern solche Messungen hochspezialisiertes Fachwissen. Deshalb braucht man für ein solches Experiment Teams mit sich ergänzenden Fähigkeiten“, erklärt Curtius, der Mitglied des CLOUD-Lenkungsausschusses ist und Koordinator des kürzlich erfolgreich abgeschlossenen EU-Projekts CLOUD-MOTION war. Wie in der Atmosphäre bildet sich auch in der CLOUD-Kammer Schwefelsäure aus Schwefeldioxid und Hydroxylradikalen.
Wolken sind ein wichtiges und zugleich noch unzureichend verstandenes Element des globalen Klimas. Je nachdem, ob sie hoch oben oder tief unten schweben, ob sie Wasser oder Eis enthalten, wie dick sie sind oder über welcher Region der Erde sie sich bilden, wird es unter ihnen wärmer oder kälter. Um die Genauigkeit von Klimamodellen zu verbessern, benötigen Forscher weltweit genaue Kenntnisse über alle Vorgänge rund um den Klimafaktor Wolke. Die Erkenntnisse des CLOUD-Forschungsteams helfen ihnen ein gutes Stück auf dem Weg zu immer zuverlässigeren Klimavorhersagen.
Datum: Mai 19, 2022
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt
Journal Reference:
- Mingyi Wang, Mao Xiao, Barbara Bertozzi, Guillaume Marie, Birte Rörup, Benjamin Schulze, Roman Bardakov, Xu-Cheng He, Jiali Shen, Wiebke Scholz, Ruby Marten, Lubna Dada, Rima Baalbaki, Brandon Lopez, Houssni Lamkaddam, Hanna E. Manninen, António Amorim, Farnoush Ataei, Pia Bogert, Zoé Brasseur, Lucía Caudillo, Louis-Philippe De Menezes, Jonathan Duplissy, Annica M. L. Ekman, Henning Finkenzeller, Loïc Gonzalez Carracedo, Manuel Granzin, Roberto Guida, Martin Heinritzi, Victoria Hofbauer, Kristina Höhler, Kimmo Korhonen, Jordan E. Krechmer, Andreas Kürten, Katrianne Lehtipalo, Naser G. A. Mahfouz, Vladimir Makhmutov, Dario Massabò, Serge Mathot, Roy L. Mauldin, Bernhard Mentler, Tatjana Müller, Antti Onnela, Tuukka Petäjä, Maxim Philippov, Ana A. Piedehierro, Andrea Pozzer, Ananth Ranjithkumar, Meredith Schervish, Siegfried Schobesberger, Mario Simon, Yuri Stozhkov, António Tomé, Nsikanabasi Silas Umo, Franziska Vogel, Robert Wagner, Dongyu S. Wang, Stefan K. Weber, André Welti, Yusheng Wu, Marcel Zauner-Wieczorek, Mikko Sipilä, Paul M. Winkler, Armin Hansel, Urs Baltensperger, Markku Kulmala, Richard C. Flagan, Joachim Curtius, Ilona Riipinen, Hamish Gordon, Jos Lelieveld, Imad El-Haddad, Rainer Volkamer, Douglas R. Worsnop, Theodoros Christoudias, Jasper Kirkby, Ottmar Möhler, Neil M. Donahue. Synergistic HNO3–H2SO4–NH3 upper tropospheric particle formation. Nature, 2022; 605 (7910): 483 DOI: 10.1038/s41586-022-04605-4