Lesedauer: 3 Minuten

Es klingt wie eine dieser unbequemen Wahrheiten, die keiner hören will: Nicht zu handeln kostet mehr, als zu handeln. Und doch zeigt genau das eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Studien zur Klimakrise.

Wir stehen an einem Punkt, an dem der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft nicht mehr nur als moralische Pflicht betrachtet wird – sondern als wirtschaftliche Notwendigkeit.

Oder anders gefragt: Was passiert eigentlich, wenn wir so weitermachen wie bisher?


Klimawandel als wirtschaftliche Zeitbombe

Der globale Beratungsriese Deloitte hat sich genau das gefragt – und eine ziemlich düstere Rechnung aufgemacht. Sollte der Klimawandel weiter ungebremst voranschreiten, drohen der Weltwirtschaft bis 2070 Verluste in Höhe von satten 178 Billionen US-Dollar.

178 Billionen! Das ist nicht nur eine Zahl mit vielen Nullen – das ist ein potenzieller Rückgang von 7,6 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts innerhalb eines einzigen Jahres. In anderen Worten: ein kollektiver finanzieller Crash auf Raten.

Klingt dramatisch? Ist es auch.


Die Rechnung geht nicht auf – außer man handelt früh

Bereits 2006 veröffentlichte Nicholas Stern seinen berühmten Bericht zur Ökonomie des Klimawandels. Und dieser Report ist heute aktueller denn je. Sein Kernaussage? Die Kosten des Nichthandelns übersteigen die Kosten des Handelns um ein Vielfaches.

Stern schätzte, dass die Auswirkungen des Klimawandels jährlich mindestens 5 % des globalen BIP kosten könnten – wenn wir nichts unternehmen. Dagegen stehen Investitionen in Emissionsminderungen von etwa 2 % des globalen BIP.

Also: Zwei Prozent, um fünf zu vermeiden? Diese Rechnung versteht schon jedes Kind im Matheunterricht.


Was kostet uns das Zögern – jetzt schon?

Es sind nicht nur abstrakte BIP-Zahlen in ferner Zukunft. Schon heute steigen durch die verzögerte Energiewende die finanziellen Belastungen spürbar:

Versicherungsprämien klettern, weil Extremwetterlagen Häuser zerstören und Ernten vernichten. Energiekosten steigen – nicht zuletzt durch geopolitische Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen. Und Lebensmittelpreise explodieren, weil Dürren, Überflutungen und Hitzewellen die globale Landwirtschaft durcheinanderwirbeln.

Diese Preissteigerungen spüren wir alle. An der Zapfsäule, beim Bäcker – und in der Nebenkostenabrechnung.


Wirtschaftliche Risiken eines lahmen Übergangs

Aber es geht nicht nur ums Jetzt. Ein zu langsamer oder halbherziger Übergang zu Netto-Null-Emissionen birgt ernste systemische Risiken:

Inflationsschübe durch knappe Ressourcen. Zinserhöhungen zur Eindämmung wirtschaftlicher Unsicherheiten. Und schlimmstenfalls – eine langfristige wirtschaftliche Stagnation. Eine Wirtschaft, die sich nicht mehr erholen kann, weil ihre Grundfesten unterspült werden – wortwörtlich.

Will wirklich jemand auf diesen Cocktail aus Unsicherheit und Stillstand hinaus?


Ja, Klimaschutz kostet. Aber der Gewinn ist enorm

Natürlich – niemand bestreitet, dass der Wandel teuer wird. Laut einer Analyse von McKinsey braucht es rund 9,2 Billionen US-Dollar an jährlichen Investitionen, um bis 2050 eine Netto-Null-Welt zu erreichen. Das sind 3,5 Billionen mehr pro Jahr als wir aktuell investieren.

Klingt nach einer gigantischen Summe? Ist es. Aber hier kommt der entscheidende Punkt: Diese Investitionen sind nicht verloren – sie wirken wie ein Turbo für die Zukunft.

Denn wer in Windparks, Solarzellen, Wasserstofftechnik oder Gebäudesanierungen investiert, schafft Jobs. Neue Industriezweige entstehen. Die Abhängigkeit von fossilen Importen sinkt. Und ganz nebenbei sinken auch die langfristigen Kosten für Umweltschäden, Gesundheitssysteme und Katastrophenhilfe.


Wirtschaftliche Chancen statt Katastrophenszenarien

Was, wenn wir den Spieß umdrehen? Was, wenn der Weg zur klimaneutralen Weltwirtschaft nicht als Belastung, sondern als wirtschaftliche Chance gesehen wird?

Neue Märkte, neue Technologien, neue Energiequellen. Der Umbau der Wirtschaft ist kein Verzichtsprojekt – sondern ein Innovationsprojekt.

Und ja, es wird Menschen geben, die zurückgelassen werden, wenn wir diesen Umbau nicht sozial gerecht gestalten. Deshalb braucht es eine Klimapolitik mit Herz und Hirn – eine, die Gerechtigkeit ins Zentrum rückt.


Und jetzt?

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Und sie sind eindeutig: Zögern ist teurer als Handeln. Wirtschaftlich, ökologisch – und letztlich auch gesellschaftlich.

Wer jetzt investiert, handelt nicht nur für den Planeten, sondern für die eigene wirtschaftliche Stabilität.

Bleibt also nur noch eine Frage: Wie viele Rechnungen brauchen wir noch, bevor wir anfangen, zu zahlen – für die Zukunft?

Von Andreas M. Brucker


Quellen:

  • Deloitte (2022): Turning Point Report
  • Stern Review on the Economics of Climate Change (2006)
  • McKinsey & Company (2022): The Net-Zero Transition