Zwischenfrüchte. Klingt unscheinbar, fast nebensächlich – ist aber ein Thema, das gerade in der Landwirtschaft richtig Wellen schlägt. Denn auf den ersten Blick versprechen diese Pflanzenwunder so einiges: Sie sollen Böden fruchtbarer machen, Erosion verhindern, Stickstoff speichern, Humus aufbauen – und als Sahnehäubchen auch noch CO₂ binden.
Doch steckt wirklich so viel Potenzial in diesen Zwischenakteuren? Oder ist das Ganze eher ein grüner Mythos mit Lücken? Schauen wir genauer hin – und stellen fest: Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen.
Kleine Pflanzen, große Versprechen
Zwischenfrüchte sind Pflanzen, die Landwirte nicht zur Ernte, sondern zur Verbesserung des Bodens anbauen – meist zwischen zwei Hauptkulturen. Dazu zählen unter anderem Senf, Phacelia, Ölrettich oder Kleearten. Sie wachsen schnell, bedecken die nackte Erde und liefern scheinbar alles, was der Boden braucht, um gesund zu bleiben.
Sie bremsen die Erosion, weil ihre Wurzeln den Boden stabilisieren. Sie lockern die Erde auf, verbessern die Wasseraufnahme – und je nach Art reichern sie den Boden mit Stickstoff an oder ziehen überschüssige Nährstoffe aus tieferen Schichten nach oben.
Was wie ein kleines Wunder klingt, wird in der Praxis allerdings manchmal von harter Realität gebremst.
Kohlenstoffbindung: Ein Spiel auf Zeit
Wer Zwischenfrüchte anbaut, hofft oft auf eine gute CO₂-Bilanz. Denn durch ihre Biomasse und Wurzelreste kann sich mehr organischer Kohlenstoff im Boden anreichern – eine Art natürliche Kohlenstoffsenke. Besonders Leguminosen, also Pflanzen wie Erbsen oder Luzerne, scheinen hier die Nase vorn zu haben.
Aber: Die Kohlenstoffbindung hängt stark davon ab, wo und wie diese Pflanzen wachsen. Auf fruchtbaren Böden mit ausreichender Feuchtigkeit funktioniert das System besser als auf trockenen, sandigen Flächen. In manchen Regionen wurde beobachtet, dass der Kohlenstoff zwar in den oberen Bodenschichten zunimmt – gleichzeitig aber in tieferen Schichten verschwindet. Nettoeffekt: null.
Klingt kompliziert? Ist es auch. Und genau deshalb braucht es hier keine pauschalen Versprechungen, sondern eine nüchterne Betrachtung: Zwischenfrüchte sind kein Zaubertrick. Sie funktionieren, aber nur, wenn Standort, Klima und Bewirtschaftung optimal zusammenspielen.
Zwischenfrüchte und Ertrag: Win-win oder Wasserkrieg?
Eine weitere Hoffnung: Zwischenfrüchte sollen nicht nur den Boden verbessern, sondern auch die Erträge der Hauptkulturen ankurbeln. Die Idee dahinter? Gesunde Böden = kräftige Pflanzen = mehr Ertrag.
Doch so einfach ist es nicht. In gemäßigten Klimazonen, mit guter Wasserversorgung, können Zwischenfrüchte tatsächlich für stabilere oder sogar höhere Erträge sorgen – insbesondere wenn sie Stickstoff liefern. In trockenen Regionen hingegen zeigt sich ein ganz anderes Bild: Hier konkurrieren Zwischenfrüchte mit der Hauptkultur um Wasser und Nährstoffe. Die Folge? Der Boden ist leergesogen, bevor die Hauptpflanze überhaupt Fuß fasst.
Also alles eine Frage der Balance. Wo die Ressourcen knapp sind, kann das grüne Polster auch zum Klotz am Bein werden.
Die Illusion vom Allheilmittel
Natürlich – Zwischenfrüchte sind eine großartige Erfindung. Kein Zweifel. Aber sie sind eben auch kein Allheilmittel. Kein einziger Pflanzentyp kann alle Probleme gleichzeitig lösen. Wer Zwischenfrüchte wie eine Wunderwaffe behandelt, wird schnell enttäuscht.
Effektiver sind sie dann, wenn sie Teil eines klugen, ganzheitlichen Systems sind. Dazu gehören: reduzierte Bodenbearbeitung, vielfältige Fruchtfolgen, punktgenaue Düngung und ein gutes Management des Wasserhaushalts.
Klingt aufwendig? Ist es. Aber nachhaltige Landwirtschaft braucht nun mal mehr als ein bisschen Grün im Winter.
Und was ist mit dem Klimaschutz?
Können Zwischenfrüchte wirklich helfen, das Klima zu retten?
Ganz ehrlich: Nur ein bisschen. Ihre Wirkung auf die globale CO₂-Bilanz ist begrenzt. Ja, sie speichern Kohlenstoff – aber eben nicht in den Mengen, die wir brauchen, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen. Vor allem nicht langfristig und nicht unter allen Bedingungen.
Doch genau deshalb lohnt sich ihr Einsatz trotzdem – weil sie lokale Böden robuster machen. Und robuste Böden sind das Fundament jeder klimaresilienten Landwirtschaft.
Wer könnte besser mit Dürre, Starkregen und Nährstoffarmut umgehen als ein Boden, der wie ein Schwamm funktioniert und gleichzeitig als Depot für Nährstoffe dient?
Eine Strategie für mehr als nur Ertrag
Landwirte stehen heute zwischen den Fronten: steigender Druck durch Klimaextreme, hohe Ertragsanforderungen, gesellschaftliche Erwartungen an Nachhaltigkeit. Zwischenfrüchte können hier – richtig eingesetzt – ein Puzzlestück sein, das vieles zusammenhält.
Aber sie brauchen Unterstützung. In Form von Beratung, angepasster Förderung, besserer Züchtung. Und sie brauchen wissenschaftliche Begleitung. Denn die Forschung zeigt: Zwischenfrüchte wirken. Aber wie stark – das hängt von sehr vielen Variablen ab.
Warum also nicht den Bauern in ihrer Vielfalt vertrauen, statt sie mit Standardrezepten zu überschütten?
Letztlich zählt das große Ganze
Zwischenfrüchte sind kein grüner Feigenblatt-Trick für eine Landwirtschaft, die ansonsten weiter auf maximale Ausbeutung setzt. Sie sind ein Werkzeug – ein ziemlich nützliches sogar –, aber eben nur eines unter vielen.
Wer sie richtig einsetzt, kann viel gewinnen: gesündere Böden, stabilere Ernten, ein kleines Plus beim Klimaschutz. Doch wer nur mit schnellen Lösungen rechnet, könnte am Ende mehr verlieren als gewinnen.
Am Ende geht’s um mehr als Pflanzen. Es geht um einen klugen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen – und darum, ob wir bereit sind, in Systemen zu denken statt in Einzelmaßnahmen.
Die Frage ist nicht: „Lohnen sich Zwischenfrüchte?“ Die Frage ist: „Sind wir bereit, Landwirtschaft neu zu denken?“
Von Andreas M. Brucker