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Ihr rascher Rückzug ist ein deutliches Zeichen für die beschleunigten Auswirkungen des Klimawandels. In den letzten Jahrzehnten haben diese Gletscher erheblich an Masse verloren, was nicht nur den globalen Meeresspiegel beeinflusst, sondern auch die regionalen Ökosysteme verändert.


Beschleunigter Eisverlust: Ein Jahrhundert im Zeitraffer

Seit dem Ende der Kleinen Eiszeit um 1870 haben etwa 90 % der patagonischen Gletscher an Fläche verloren. Besonders auffällig ist die Beschleunigung dieses Rückzugs in den letzten Jahrzehnten. Zwischen 2001 und 2011 verzeichnete das Nördliche Patagonische Eisfeld eine jährliche Flächenverlustquote von 0,23 % – mehr als doppelt so hoch wie zwischen 1986 und 2001. Dieser Trend ist nicht nur ein regionales Phänomen, sondern hat globale Auswirkungen. Das Schmelzwasser der patagonischen Gletscher trägt jährlich etwa 0,07 mm zum globalen Meeresspiegelanstieg bei. Obwohl dieser Beitrag auf den ersten Blick gering erscheint, summiert sich die Wirkung aller schmelzenden Gletscher weltweit erheblich.


Atmosphärische Veränderungen als Hauptursache

Ein wesentlicher Faktor für das rasche Abschmelzen der Gletscher in Patagonien ist eine Verschiebung der atmosphärischen Zirkulationsmuster. Studien haben gezeigt, dass eine polwärts gerichtete Verschiebung der subtropischen Hochdrucksysteme wärmere Luftmassen in die Region bringt, was die Gletscherschmelze beschleunigt. Diese Veränderungen sind Teil umfassenderer Klimatrends, bei denen steigende Temperaturen Wetter- und Klimamuster verändern und empfindliche Regionen wie Patagonien besonders betreffen.


Stabile Schneefälle, aber zunehmender Schmelzwasserabfluss

Interessanterweise sind die Schneefälle in Patagonien seit den 1940er-Jahren relativ stabil geblieben. Dennoch verlieren die Gletscher weiterhin an Masse. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich durch den erhöhten Schmelzwasserabfluss aufgrund steigender Lufttemperaturen erklären. Das verstärkte Schmelzen übertrifft die Schneezufuhr, was zu einem Nettoverlust an Gletschermasse führt.


Geologische Reaktionen: Die Erde erhebt sich

Das Abschmelzen der Gletscher hat nicht nur Auswirkungen auf den Meeresspiegel, sondern beeinflusst auch die Erdkruste in der Region. Dieses Phänomen, bekannt als glazial-isostatische Anpassung, führt dazu, dass sich die Erdkruste hebt, wenn das Gewicht des Eises abnimmt. In Patagonien wurde eine Hebung von mehr als 4 cm pro Jahr gemessen – der schnellste je aufgezeichnete Anstieg. Diese rasche Hebung wird durch eine geologische Besonderheit unter der Region erleichtert, die es dem Erdmantel ermöglicht, schneller auf den Verlust der Eismasse zu reagieren.


Die Anfälligkeit von Gletschern in niedrigen Höhenlagen

Die Gletscher Patagoniens sind besonders anfällig für Temperaturanstiege, da sie sich in relativ niedrigen Höhenlagen befinden. Gletscher in tieferen Lagen sind näher am Gefrierpunkt und daher empfindlicher gegenüber Temperaturänderungen. Dies macht sie anfälliger für Schmelzprozesse im Vergleich zu Gletschern in höheren, kälteren Regionen.


Zukunftsaussichten: Eine verschwindende Landschaft

Wenn der aktuelle Trend anhält, könnten die patagonischen Gletscher innerhalb der nächsten 220 Jahre vollständig verschwinden. Unter moderaten bis extremen Klimawandelszenarien könnte bis 2050 zusätzlich 22 % bis 27 % des Eisvolumens verloren gehen. Dieser Verlust würde nicht nur den Meeresspiegel weiter ansteigen lassen, sondern auch lokale Ökosysteme und Wasserversorgungssysteme erheblich stören.


Dringender Handlungsaufruf

Das rasche Abschmelzen der patagonischen Gletscher ist ein deutliches Warnsignal für die weitreichenden Auswirkungen des Klimawandels. Die Kombination aus atmosphärischen Veränderungen, geologischen Reaktionen und der besonderen Anfälligkeit der Gletscher in niedrigen Höhenlagen schafft eine Situation, die schnelles Handeln erfordert. Es bedarf globaler Anstrengungen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und regionaler Strategien zur Anpassung an die sich verändernde Landschaft. Das Schicksal der Gletscher Patagoniens ist nicht nur ein lokales Anliegen, sondern ein globales, das die Dringlichkeit unterstreicht, unseren Planeten zu schützen.

Andreas M. Brucker


Quellen: