Es gibt Orte auf der Welt, die klingen, als kämen sie direkt aus einem Western. Flash Flood Alley zum Beispiel. Klingt dramatisch? Ist es auch. Letzte Woche verwandelte sich diese Gegend in Texas in einen wahren Albtraum – mehr als 105 Menschen verloren ihr Leben.
Warum nur wurde diese Flut so tödlich, obwohl Meteorologen eigentlich gewarnt hatten?
Ein tödliches Puzzle aus Regen, Topografie und Ignoranz
Die Böden der Texas Hill Country sind dünn wie Pergamentpapier. Darunter liegt harter Kalkstein. Regen, der in anderen Regionen einfach versickern würde, prallt hier ab wie Wassertropfen auf einer heißen Pfanne. Die Folge? Binnen Minuten rauschen Wassermassen durch enge Canyons und Täler, reißen Autos, Häuser und Menschen mit.
„Es ist ein Rezept für Blitzfluten“, sagte Arsum Pathak von Texas Living Waters, einer Koalition für Klimaanpassung und Naturschutz. Und ja, Texas hat dieses Rezept seit Jahren fein abgeschmeckt – leider ohne daraus zu lernen.
War der Klimawandel schuld an dieser Katastrophe?
Auf den ersten Blick war es „einfach nur“ ein extrem langsamer Sturm mit heftigen Regenfällen. Doch wer glaubt noch an „einfach nur“ bei Wetterextremen dieser Art?
Die Atmosphäre ist wie ein riesiger Schwamm. Wird sie wärmer – was sie durch den Klimawandel definitiv tut – kann sie mehr Wasser speichern. Wenn sich dieser Schwamm dann über einem Ort auswringt, gießt es nicht nur, es schüttet. Über 200 Liter Regen in wenigen Stunden – stell dir vor, du stehst unter einem gigantischen Wasserfall, der einfach nicht aufhört.
Daniel Swain, Klimawissenschaftler an der University of California, bringt es auf den Punkt:
„Diese extremen Niederschlagsereignisse nehmen in den USA und weltweit zu. Das ist kein Modell, das ist bereits Realität.“
Neun der zehn heftigsten Tagesspitzen bei Regenmengen in den USA seit 1910 traten nach 1995 auf. Zufall? Wohl kaum.
Warum starben so viele Menschen trotz Warnungen?
Hier wird es bitter. Die Wetterdienste hatten durchaus gute Vorhersagen gemacht. Aber was nützt die beste Prognose, wenn niemand sie hört?
Viele Menschen in Texas bekamen schlicht keine Warnung. Teils wegen Personalmangels in lokalen Wetterbüros. Teils, weil Warnsysteme an gefährdeten Flüssen wie dem Guadalupe nie installiert wurden – obwohl es Pläne dafür gab. Vor acht Jahren wurde das Projekt beerdigt. Heute beerdigen Angehörige ihre Liebsten.
Ist das zynisch? Oder einfach nur die Realität politischer Prioritäten?
Grenzen der Wissenschaft – und der Politik
Natürlich kann niemand punktgenau vorhersagen, wann und wo ein extremer Regen niedergeht. Dafür sind Wettermodelle nicht gemacht. Doch genau deswegen müssten Orte wie Texas Hill Country umdenken: Weg vom ewigen Zyklus „Flut, Zerstörung, Wiederaufbau an derselben Stelle“ hin zu echter Vorsorge.
Pathak nennt es „Flood, rebuild, repeat“ – ein Teufelskreis, der Menschenleben kostet.
Was wäre also möglich?
– Renaturierung von Bachufern mit heimischen Gräsern und Bäumen
– mehr versickerungsfähige Flächen statt Beton
– Investitionen in Frühwarnsysteme
Klingt logisch, oder? Texas aber sitzt auf einem 54-Milliarden-Dollar-Berg unerledigter Hochwasserschutzprojekte. Da fragt man sich: Wofür genau fließen Steuereinnahmen?
Ein strukturelles Problem – Klimawandel trifft soziale Ungleichheit
Es sind nicht die Reichen, deren Häuser am Hang weggerissen werden. Es sind mobile Homes und einfache Siedlungen in Überschwemmungsgebieten. Klimawandel verstärkt bestehende Ungleichheiten – wie ein Brandbeschleuniger.
Wie viele Katastrophen braucht es noch, bis verstanden wird, dass Klimaanpassung nicht nur Technik, sondern auch Gerechtigkeit bedeutet?
Trumps Wissenschaftsleugner im Hintergrund
Währenddessen holte sich Ex-Präsident Trump „Forscher“ ins Energieministerium, die den menschlichen Einfluss auf die Erderwärmung herunterspielen. Menschen wie Steven E. Koonin („Die Klimawissenschaft ist nicht geklärt“) oder Roy Spencer, der lieber den Wolken als den Emissionen die Schuld gibt.
Gleichzeitig wurden hunderte Wissenschaftler entlassen, Klimadaten von Webseiten entfernt und Gelder für Forschung gekürzt. Eine bittere Ironie: Dieselbe Ignoranz, die Klimaschutz blockiert, erhöht das Risiko für Katastrophen – und zwingt am Ende alle, teuer dafür zu bezahlen.
Ein letzter Gedanke
Wie viele Menschen hätten noch gelebt, wenn Texas vor acht Jahren sein Warnsystem installiert hätte? Wenn Klimaschutz keine politische Ideologie, sondern eine Überlebensstrategie wäre?
Vielleicht ist es Zeit, das System zu ändern. Statt immer wieder nur die Sandsäcke höher zu stapeln.
Von Andreas M. B.