Die Welt steht am Scheideweg. Der Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl ist überfällig – und doch ringen Staaten weltweit darum, wie dieser Übergang funktionieren soll, ohne Wirtschaft, Gesellschaft und politische Stabilität zu gefährden. Eine einfache Lösung? Gibt es nicht. Aber viele gute Ansätze – und noch mehr dringenden Handlungsbedarf.
Fortschritt mit Bremsspuren
Die gute Nachricht: 2024 überholten Wind- und Solarenergie in den USA erstmals die Kohle bei der Stromerzeugung. Gleichzeitig entstanden rund 150.000 neue Jobs im Bereich sauberer Energie. Auch technologische Innovationen wie CO₂-Entfernung aus der Atmosphäre feiern erste Erfolge. Das zeigt: Wenn Investitionen, politischer Wille und Technologie zusammenkommen, sind große Schritte möglich.
Doch global betrachtet steigt der Energiebedarf weiter, und fossile Brennstoffe dominieren nach wie vor. Australien exportierte zuletzt mehr Kohle als je zuvor. Die Internationale Energieagentur warnt: Ohne eine Verdreifachung der Investitionen in erneuerbare Energien bis 2030 sind die Pariser Klimaziele Makulatur. Wie also raus aus dem Dilemma?
Was braucht eine echte Energiewende?
Es reicht nicht, auf neue Technik zu hoffen oder mit CO₂-Zertifikaten zu handeln. Entscheidend sind politische Rahmenbedingungen, die den Wandel erzwingen und gleichzeitig sozial gerecht gestalten. Was wirkt? Drei zentrale Strategien stechen heraus:
Erstens: gesetzliche Mandate statt weicher Anreize. Laut einer Studie aus Exeter sind klare Vorgaben – etwa ein verbindlicher Kohleausstieg bis 2035 für Industrieländer – wirksamer als Subventionen oder Steueranreize.
Zweitens: gezielter Ausbau der Infrastruktur. Modelle wie GREaSE zeigen, dass eine vollständige Elektrifizierung der Energieversorgung technisch möglich ist. Aber sie braucht massive Investitionen, bessere Netze, Speichertechnologien und politischen Druck.
Drittens: globale Zusammenarbeit. Der geplante Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty oder die Powering Past Coal Alliance setzen auf verbindliche internationale Abkommen. Denn ein Land allein schafft den Wandel nicht. Es braucht Fairness – und gegenseitige Verpflichtungen.
Der Kampf um die Deutungshoheit
Doch nicht überall herrscht Einigkeit. In Großbritannien plädiert Ex-Premier Tony Blair für mehr Pragmatismus und setzt auf Kernkraft und CO₂-Abscheidung. Innerhalb seiner eigenen Partei stößt das auf Kritik. Die Labour-Führung hält an ambitionierten Reduktionszielen fest.
David King, langjähriger Berater der britischen Regierung, warnt eindringlich: Jede Verzögerung beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen verschärft die Lage. Seiner Meinung nach braucht es mehr als CO₂-Minderung – auch Wiederaufforstung, Ökosystemreparatur und Klimaanpassung müssen ins Zentrum der Politik rücken.
Und du? Denkst du, die Politik reagiert entschlossen genug?
Die Wende als gesellschaftliches Projekt
Energie ist nie nur Technik. Sie ist Lebensgrundlage, Machtfrage und soziales Thema. Ein gerechter Übergang muss Jobs sichern, neue schaffen und soziale Ungleichheit abbauen. Wer nur an Klimaziele denkt, übersieht die realen Ängste vieler Menschen – vor steigenden Preisen, Arbeitsplatzverlust oder dem Gefühl, abgehängt zu werden.
Deshalb: Eine gute Energiewende baut auf Vertrauen, Mitsprache und soziale Absicherung. Sie muss nicht nur effizient, sondern auch gerecht sein. Denn ohne Akzeptanz bleibt sie ein Papiertiger.
Neue Chancen am Horizont
Trotz aller Schwierigkeiten gibt es Grund zur Hoffnung. Länder, die früher zögerten, setzen heute auf grüne Technologien. Bürgerbeteiligung bei Windparks, Genossenschaften für Solaranlagen oder kommunale Energieversorger boomen. Viele Städte haben längst eigene Klimaziele – oft ehrgeiziger als die ihrer nationalen Regierungen.
Und manchmal braucht es gar keine neuen Ideen, sondern nur die Entschlossenheit, das Naheliegende endlich umzusetzen. Wäre es nicht sinnvoll, klimaschädliche Subventionen zu streichen – statt sie Jahr für Jahr mit Milliarden zu füttern?
Wohin geht die Reise?
Die Energiewende ist machbar. Aber sie verlangt mehr als technische Lösungen. Sie braucht politische Entschlossenheit, gesellschaftlichen Rückhalt und internationale Kooperation. Und sie muss so gestaltet sein, dass niemand auf der Strecke bleibt.
Vielleicht ist genau das ihre größte Herausforderung – und ihre größte Chance.
Autor: MAB