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Die Ozeane sind im Wandel. Und das nicht nur durch Klimakrise, Überfischung oder Mikroplastik – sondern durch eine andere, oft unterschätzte Ursache: die gewaltige Expansion der Kreuzfahrtindustrie. Diese „schwimmenden Städte“ ziehen nicht nur Millionen Touristen an, sie bringen auch massive ökologische Probleme mit sich. Doch wer profitiert wirklich davon? Und wie lange hält das Meer diesen Ansturm noch aus?

Mehr Decks, mehr Passagiere, mehr Probleme

Seit den frühen 2000ern hat sich die Zahl der Kreuzfahrtschiffe verdoppelt – ebenso wie ihre Größe. Während frühere Schiffe 1.000 bis 2.000 Menschen transportierten, bringen heutige Giganten wie die „Icon of the Seas“ bis zu 7.600 Passagiere unter. 20 Decks, dutzende Restaurants, Wasserparks, Shoppingmalls – eine schwimmende Kleinstadt.

Klingt nach Urlaubstraum? Nur auf den ersten Blick.

Denn mit jedem neuen Schiff steigen auch die Umweltlasten – in einer Größenordnung, die kaum fassbar ist.

Schweröl, Gase und Partikel – die Schattenseite des Luxus

Diese Riesen konsumieren täglich Hunderttausende Liter Treibstoff. Oft handelt es sich dabei um Schweröl – ein extrem umweltschädlicher Kraftstoff. Die Emissionen: Schwefeldioxid, Stickoxide, Feinstaub, Kohlendioxid. In manchen Hafenstädten wie Barcelona oder Marseille übersteigen die schlechten Luftwerte während der Hochsaison die von Industriegebieten.

Und dann wäre da noch das Methan. Viele neue Schiffe fahren mit Flüssigerdgas (LNG), das als „sauberer“ gilt. Doch durch Leckagen entweicht Methan – ein Treibhausgas, das 80-mal klimaschädlicher ist als CO₂. Klingt sauber? Eher wie ein schlechter Scherz.

Die Illusion vom nachhaltigen Kreuzfahrttourismus

Klar, viele Reedereien werben inzwischen mit „grüner Technologie“, mit „zukunftsfähigem Reisen“. Doch häufig bleibt das reines Greenwashing. Emissionen sinken nur minimal – und oft steigen sie durch den Bau neuer Schiffe wieder an. Sauber ist daran nichts.

Gleichzeitig geraten die Meere immer stärker unter Druck. Lärm belastet Meeressäuger. Abwässer gelangen ins Wasser. Und Touristenmassen strömen täglich in sensible Küstenorte, ohne der lokalen Wirtschaft tatsächlich viel zu bringen.

Küstenstädte wehren sich – und setzen Grenzen

Manche Orte haben genug: In Venedig sind große Kreuzfahrtschiffe bereits verbannt. Auch Nizza will bald keine Schiffe mit mehr als 2.500 Personen mehr zulassen. Warum? Weil die Umweltbelastung zu hoch ist – und weil der finanzielle Nutzen gering bleibt. Viele Passagiere kaufen nicht ein, übernachten nicht, konsumieren an Bord – und lassen kaum etwas vor Ort.

Die Küstenstädte bekommen die Abgase, das Müllaufkommen und die Touristenflut – aber nicht den Profit. Eine himmelschreiende Schieflage, oder?

Was kann man tun? Und wer muss handeln?

Es gäbe Lösungen. Technologisch ist viel machbar: Landstrom in Häfen, emissionsarme Antriebe, strengere Abgasnormen. Auch kleinere, effizientere Schiffe könnten Teil der Antwort sein. Doch ohne politische Leitplanken, ohne strikte Regeln und internationale Kooperation geht es nicht.

Warum subventioniert man diesen Verkehrszweig weiter – während Bahnreisen teurer werden?

Warum gelten für Flugzeuge und Schiffe oft laschere Umweltstandards als für Autos?

Und vor allem: Warum akzeptieren wir, dass ein kleiner Teil der Weltbevölkerung Luxusreisen macht – auf Kosten des globalen Klimas und der Meeresökosysteme?

Ein Wendepunkt für den blauen Planeten

Es geht längst nicht mehr um ein paar Abgase oder ein bisschen Müll. Es geht um das große Ganze: die Zukunft der Meere, der Atmosphäre, der Küstengemeinden – und letztlich unserer eigenen Lebensgrundlagen. Diese „Cruisezillas“, wie manche sie nennen, stehen sinnbildlich für eine Art zu leben, die längst an ihre Grenzen stößt.

Stellen wir uns vor: ein nachhaltiger Tourismus, der Respekt vor Natur, Menschen und Klima vereint. Ein System, in dem Innovation nicht nur größer, sondern auch besser bedeutet.

Utopie? Nein – eher eine längst überfällige Realität.

Von Andreas M. Brucker