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Die Wettervorhersage steht vor einem Quantensprung. Künstliche Intelligenz – das klingt für viele immer noch nach Zukunftsmusik, aber sie ist längst Realität im meteorologischen Alltag. Und sie liefert: KI-Systeme sagen das Wetter nicht nur schneller voraus als klassische Modelle – sie treffen auch erstaunlich oft ins Schwarze.

Doch wie sieht’s aus, wenn der Himmel plötzlich verrücktspielt? Wenn Monsterstürme, Jahrhundertfluten oder Hitzeglocken auftreten, die selbst erfahrene Meteorologen ins Schwitzen bringen?

Genau hier wird’s spannend – und heikel.


Die neuen Superhirne der Wetterforschung

Namen wie „Aurora“ oder „GraphCast“ klingen eher nach Science-Fiction als nach Wetterkarte – aber sie sind das, was moderne Meteorologie heute ausmacht.

Aurora, ein KI-Modell aus dem Hause Microsoft, ist ein echter Turbo. Es verarbeitet mehr als eine Million Stunden Wetterdaten und spuckt innerhalb von Sekunden 10-Tage-Prognosen aus – präzise, robust und schneller als jedes Supercomputermodell. In Tests hat es traditionelle Modelle in 91 % der Fälle übertroffen. Besonders bei der Vorhersage von Hurrikanen zeigt es, was in ihm steckt: bis zu 25 % genauere Prognosen.

GraphCast, entwickelt von DeepMind, geht einen anderen Weg. Es nutzt graphbasierte neuronale Netzwerke – eine Technik, die man eher aus der Hirnforschung kennt – und macht damit beeindruckend präzise Vorhersagen. Auch GraphCast schafft 10-Tage-Prognosen in unter einer Minute und erkennt sogar sich abzeichnende Extremereignisse frühzeitig.

Ziemlich clever, oder?


Wenn die Geschichte nicht reicht

Doch so smart diese Systeme sind – sie lernen aus der Vergangenheit. Und genau das ist ihr Knackpunkt.

Denn was passiert, wenn etwas eintritt, das in den Trainingsdaten gar nicht vorkam? Ein sogenannter „Black Swan“, ein Ereignis, das statistisch fast nie passiert, aber riesige Auswirkungen hat?

Ein Beispiel: Eine simulierte Wetterlage mit einem fiktiven Kategorie-5-Hurrikan – das Ungetüm war nicht im Trainingsdatensatz enthalten. Die KI? Hat’s nicht kommen sehen. So eine Lücke kann gravierende Folgen haben, wenn Entscheidungen von Katastrophenschutz, Landwirtschaft oder Energieversorgern darauf beruhen.

KI erkennt Muster – aber sie tut sich schwer mit dem Unerwarteten. Je seltener ein Ereignis, desto schlechter sind die Vorhersagen. Besonders Wetterlagen, die plötzlich kippen, wie Taifune mit überraschenden Richtungswechseln, stellen KI noch auf eine harte Probe.


KI allein? Besser nicht

Deshalb sagen immer mehr Fachleute: Lasst die KI nicht allein arbeiten.

Stattdessen: Kombinieren wir KI-Modelle mit klassischen, physikbasierten Wettermodellen. Letztere beruhen auf mathematischen Formeln, die atmosphärische Prozesse exakt beschreiben – unabhängig davon, ob sie in den bisherigen Daten vorgekommen sind oder nicht.

Ein hybrider Ansatz holt also das Beste aus zwei Welten: die Rechenpower und Mustererkennung der KI, kombiniert mit der soliden physikalischen Basis traditioneller Modelle.

Mehrere meteorologische Institute weltweit testen diese Kombination bereits. Die Hoffnung: robuste Vorhersagen auch bei außergewöhnlichen Wetterlagen.


Was bringt die Zukunft?

Klingt vielversprechend – doch sind wir damit schon auf der sicheren Seite?

Noch nicht ganz. Denn mit der Klimakrise verändert sich das Wetter selbst schneller als jemals zuvor. Was gestern noch extrem war, könnte morgen der neue Normalfall sein. KI muss also nicht nur lernen – sie muss umlernen. Und das am besten in Echtzeit.

Die Datenlage verbessert sich – durch Satelliten, Sensoren, Radarsysteme. Das hilft der KI, doch sie bleibt ein Werkzeug. Wie gut es arbeitet, hängt auch von denen ab, die es einsetzen. Also von uns.

Vielleicht ist das die größte Herausforderung: nicht nur auf Technologie zu setzen, sondern auch auf Zusammenarbeit – zwischen Klimaforschern, Informatikern, Ingenieuren und den Menschen vor Ort, die täglich mit den Folgen des Wetters leben müssen.


Und jetzt?

KI wird das Wetter nicht zähmen – aber wir können mit ihr besser vorbereitet sein. Wenn wir klug kombinieren, neugierig bleiben und Technik mit Menschenverstand verbinden, wird aus der KI ein echter Verbündeter im Kampf gegen Klimawandel, Wetterchaos und Unsicherheit.

Und wer weiß – vielleicht kann sie uns irgendwann nicht nur sagen, wie das Wetter wird, sondern auch, wie wir besser mit ihm leben können.

Von Andreas M. Brucker