3) Klimawandel: Wie genau funktioniert eigentlich diese Erderwärmung?

In dem vorliegenden Artikel wollen wir über den Ausgleich des Energiehaushalt innerhalb des Klimasystems sprechen.

Vor einigen Tagen sassen wir mit Freunden bei einem gemütlichen Grillabend mit gutem Wein beisammen und philosophierten über Gott und die Welt. Und natürlich kamen wir immer wieder auf die beiden grossen Krisen der Gegenwart zu sprechen: Corona (wer kann sich schon einen Abend vorstellen, ohne über dieses blöde Virus zu sprechen?), und natürlich die Flutkatastrophe in Deutschland und damit verbunden der Kimawandel.

Und einer meiner Freunde fragte mich Folgendes: Wie geht das eigentlich mit der Erderwärmung? Wenn sich die Erde wegen der Sonnenstrahlung aufwärmen kann, dann muss sie sich auch abkühlen können, oder kommt die Wärme zwar rein, aber nicht mehr raus? Wie soll das gehen und wer soll das denn glauben?

In diesem Augenblick wurde mir klar, dass uns kaum jemand die Entstehung des “global warmings” erklärt, obwohl die ganze Welt inzwischen über seine Auswirkungen spricht.

Der Grund für die mangelnde Information ist einfach zu erklären: Der Mechanismus hinter der globalen Erderwärmung ist relativ komplex und liegt nicht offensichtlich auf der Hand. Die Erderwärmung entsteht nicht etwa, weil wir Menschen auf der Erde zu viel Wärme erzeugen, sie entsteht, weil Wärmestrahlung von aussen, von der Sonne die Erdoberfläche erreicht und nicht, was zur Abkühlung notwendig wäre, vollständig wieder in den Weltraum abgegeben werden kann.

Die kurzwellige Strahlung der Sonne erreicht immer nur etwa ein Viertel der Oberfläche der Erde.

Und hier kommt der Grund für die ansteigende Erwärmung:
Die Wärmeenergie auf unserer Erde besteht aus zwei grundlegend verschiedenen Formen von Strahlung, die wir kurzwellige und langwellige Strahlung nennen.
Kurzwelle bedeutet kurzwelliges Licht, das sichtbare Licht von der Sonne und die ultraviolette Strahlung, die von der Sonne kommt. Um die Erwärmung durch die Sonne auszugleichen, produziert die Erde eine niederfrequentere Form der Strahlung, die wir langwellige Strahlung nennen. Wegen ihrer größeren Wellenlänge können wir sie nicht sehen, sie ist nicht im sichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums. Stattdessen befindet sie sich im so genannten infraroten Teil des Spektrums, den wir oft auch in unserem täglichen Leben mit Wärme in Verbindung bringen.

Wir haben also die kurzwellige Sonnenstrahlung, die die Erdoberfläche aufheizt, und um das auszugleichen, versucht die Erde, eine langwellige Infrarotstrahlung in den Weltraum abzustrahlen.

Schauen wir also, wie wir dieses Streben nach Gleichgewicht im Detail verstehen können. Beginnen wir damit, die kurzwellige Strahlung zu betrachten, die von der Sonne auf die Erde trifft. Wissenschaftler haben gemessen, dass auf jeden Quadratmeter Oberfläche von dieser kurzwelligen Strahlung, die von der Sonne kommt, etwa 1.370 Watt an Energieleistung abgegeben werden. Das ist ein bisschen mehr Energie, als ein leistungsstarker Föhn abgibt, und das auf jedem Quadratmeter Erdoberfläche. Aber zum Glück ist die Erde eine rotierende Kugel, und zu jeder Zeit ist nur ein Teil, nämlich etwa ein Viertel, ihrer Oberfläche der Strahlung ausgesetzt. (Siehe unten *1)

Um uns die Sache etwas einfacher zu machen, setzen wir kurzerhand fest, dass die durchschnittliche Wärmeenergie von 370 (etwa ein Viertel von den oben genannten 1.370) Watt, die im Schnitt jeden Quadratmeter unseres Planeten trifft, hundert Einheiten sind, hundert Einheiten an Sonnenenergie also, die auf die Erdoberfläche treffen und diese erwärmen. Was passiert mit diesen hundert Einheiten? Am Ende müssten sie idealerweise durch hundert Einheiten, die zurück ins All gehen, ausgeglichen werden, sodass wir zu einem Energiegleichgewicht kommen. Sodass die Menge an Strahlung, die hereinkommt, gleich der Menge an Strahlung ist, die hinausgeht, und die Erde eine ungefähr konstante Oberflächentemperatur beibehalten kann.

Wir haben also einhundert Einheiten, die nach unten kommen, und tatsächlich werden sofort etwa dreiundzwanzig dieser Einheiten, also 23% des einfallenden Sonnenlichts, von den Bestandteilen der Atmosphäre reflektiert und direkt zurück ins All geschickt.
19% dieser hundert Einheiten werden von der Atmosphäre absorbiert, 4% werden von Wolken absorbiert, und es stellt sich heraus, dass nur 47%, weniger als die Hälfte der kurzwelligen Strahlung also, die von der Sonne zu uns gesendet wird, tatsächlich auf die Erdoberfläche trifft und diese erwärmen kann.

Damit die Oberflächenwärme im Gleichgewicht bleibt, müssen also diese 47 Einheiten kurzwelliger Strahlung, die die Oberfläche erwärmen, durch 47 Einheiten Wärmeenergie, langwellige Infrarotstrahlung, die die Erdoberfläche zurück ins All sendet, ausgeglichen werden.

Sonnenenergie wird zum Teil direkt in der Atmosphäre von Wolken und anderen Bestandteilen reflektiert und erreicht so niemals die Erdoberfläche.

Und jetzt stossen wir auf das grosse Problem:

Ein erheblicher Teil der Infrarotstrahlung, also der langwelligen Strahlung, die die Erdoberfläche in den Weltraum sendet, wird von den Treibhausgasen abgefangen, die einen großen Teil dieser langwelligen Strahlung zurück an die Erdoberfläche schicken. Das verkompliziert die Dinge, denn es bedeutet, dass, wenn wir einen ausgeglichenen Wärmehaushalt erhalten wollen, die Oberfläche mehr langwellige Strahlung produzieren müsste, um die Wirkung der Treibhausgase auszugleichen.

Und um zusätzliche langwellige Strahlung zu erzeugen, muss sich die Erdoberfläche weiter erwärmen, und schon kommt es zu einem Treibhauseffekt.

Es gibt aber noch andere Möglichkeiten, wie die Erdoberfläche Energie über die Atmosphäre zurück in den Weltraum schicken kann. Zum Beispiel über ein Gewitter: Bei gewittrigem Wetter steigen warme Luft und Feuchtigkeit nach oben, es bildet sich Wasserdampf, der zu Regentropfen kondensiert. Ein Teil der Wärme der Luft und des Wassers wird an die Atmosphäre abgegeben, und das ist eine weitere der Möglichkeiten, wie die Erdoberfläche Wärme zunächst in die Atmosphäre und schlussendlich in den Weltraum abgeben kann. Etwa 24 unserer Einheiten gelangen durch diese latente Wärmeabgabe in die Atmosphäre.
Und dann gelangen etwa 5% der Einheiten in die Atmosphäre in Form von dem, was wir “sensible Wärme” nennen. Das sind Luftströmungen, die einfach die warme Luft in höhere Bereiche der Atmosphäre transportieren, von wo sie in den Weltraum abgegeben werden kann.

Wie wir sehen, bleiben etwa 18 Einheiten übrig und werden zum Spielball der Treibhausgase. Die Erde sendet sie in Form von Infrarotstrahlung aus, die Treibhausgase schicken einen grossen Teil wieder zurück, die Erde erwärmt sich weiter und schickt mehr langwellige Strahlung, von der wiederum ein grosser Teil zurückkommt und so weiter und so weiter …

Offensichtlich ist es also ein ziemlich komplexes Bild, aber letztendlich ist es die Systematik dieser Strahlungsbilanz in der Atmosphäre, die die Klimaforscher in Formeln giessen, wenn sie ihre Klimamodelle aufbauen.

Klimamodelle sollen die ganze Systematik darstellen und uns helfen zu berechnen, wie jeweils die Oberflächentemperatur der Erde sein wird, je nach Energiebilanz.

Infrarotstrahlung – in diesem langwelligen Bereich liegt die Strahlung, die die Erde abgibt, um sich abzukühlen.

Das Wichtigste allerdings ist: Wir haben gesehen, dass die Menge an kurzwelliger Strahlung, die von der Sonne herunterkommt und die Erde erwärmt, von der ausgehenden Wärmeenergie, die die Erde in den Weltraum zurückschickt, ausgeglichen werden muss.

Bei der Berechnung ihrer Klimamodelle haben die Wissenschaftler festgestellt, dass dieses Gleichgewicht auch in Abhängigkeit von der geografischen Breite erheblich variiert. In der Nähe der Pole etwa, wo wir große Eisschilde oder Meereis vorfinden, wird ein größerer Teil der nach unten gerichteten Sonnenenergie (kurzwellige Strahlung) direkt von dem Schnee und Eis auf der Erdoberfläche reflektiert. Die Komponente der direkten Reflexion variiert also mit dem Breitengrad. In der Nähe des Äquators sind die Temperaturen üblicherweise wesentlich wärmer als in der Nähe der Pole, was bedeutet, dass die Erde mehr von dieser langwelligen Wärmeenergie vom Äquator ausstrahlt als in der Nähe der Pole. Hier gibt es natürlich auch mehr Sonnenlicht, also findet man auch mehr von der einfallenden kurzwelligen Strahlung am Äquator und weniger davon in der Nähe der Pole.

Daraus folgt: Es wird mehr langwellige Strahlung aus den warmen tropischen Regionen abgegeben als aus den kalten Polarregionen, es gibt hier also ein Missverhältnis. Und tatsächlich übersteigt die ausgehende Strahlung die eingehende und absorbierte Strahlung in der Nähe der Pole. Es besteht ein Strahlungsdefizit. Umgekehrt gibt es in Äquatornähe mehr einfallende Strahlung als ausgehende langwellige Strahlung.

Man könnte also fragen, wenn es in Äquatornähe einen Überschuss an Strahlung gibt, warum erwärmt sich der Äquator dann nicht weiter? Wenn es an den Polen ein Strahlungsdefizit gibt, warum kühlen sie sich nicht weiter ab?

Nun, es hat sich herausgestellt, dass das Klimasystem, insbesondere der Ozean und die Atmosphäre, die Wärme von den niedrigen Breiten, wo ein Überschuss herrscht, in die höheren Breiten transportieren, wo ein Defizit herrscht. Eine Schlüsselrolle der Meeres- und Luftströmungen besteht also darin, diese Instabilität eines Strahlungsüberschusses in Äquatornähe und eines Strahlungsdefizits in Polnähe auszugleichen.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die eintreffende Strahlung variiert auch zeitlich, basierend auf der Tageszeit und der Jahreszeit, und diese Verteilung wird durch die tägliche Rotation der Erde um ihre Achse und die jährliche Umlaufbahn der Erde um die Sonne beeinflusst. Der Hauptgrund für die Jahreszeiten ist die Neigung der Rotationsachse der Erde relativ zur Sonne. Dies führt dazu, dass die nördliche Hemisphäre und die südliche Hemisphäre je nach Jahreszeit entweder zur Sonne hin oder von ihr weg ausgerichtet sind. Es lässt sich also sagen, dass die Menge an kurzwelliger Strahlung, die von der Sonne auf die Erde trifft, sowohl in Abhängigkeit von der Tages- als auch von der Jahreszeit variiert.

Das wichtigste Ergebnis des hier beschriebenen Energiehaushalts unseres Planeten ist jedoch die Erkenntnis, dass die zum Wärmeausgleich notwendige Aussendung der langwelligen Strahlung von einer Haube, bestehend aus den sogenannten Treibhausgasen, in der Atmosphäre abgefangen und auf die Erde zurückgespiegelt wird.

Zum Schluss zur Verdeutlichung noch ein Bild aus dem Sport: Stelle dir vor, du schlägst Tennisbälle in ein Fussballtor. Viele davon werden einfach durch das grobmaschige Netz des Tores hindurchfliegen. Die Tennisbälle symbolisieren hier die kurzwellige Strahlung, die von der Sonne kommend die Erde trifft. Jetzt stelle dir vor, du machst das Gleiche nochmals mit Fussbällen. Und richtig, die Bälle werden im Netz hängen bleiben. In diesen Beispiel symbolisieren die Fussbälle die langwellige Strahlung, die die Erde aussendet, um sich abzukühlen…

Tja, das war mal wieder ein Beispiel dafür, was man mit einer unschuldigen Frage lostreten kann. Mein Freund jedenfalls war auf eine solch lange Antwort nicht gefasst. Aber, man muss den Ursprung der Dinge kennen, um mit ihnen umgehen zu können, oder?

In der nächsten Folge werden wir die atmosphärische Zirkulation betrachten. Das heisst wir reden über Bewegungen in den Ozeanen und in der Atmosphäre, die weltweit die Wetter- und Klimaströme am Laufen halten.

*1: Es ist nämlich nur eine Querschnittsfläche, die der Formel pi r zum Quadrat entspricht, also ein Viertel der Erdoberfläche, die die einfallende kurzwellige Strahlung von der Sonne abbekommt, und nicht die gesamte Oberfläche der Erde, die 4 pi r zum Quadrat beträgt. Also rechnen wir nur mit einem Viertel der oben genannten Wattzahl. Wir nehmen die 1370 Watt pro Quadratmeter, teilen sie durch 4 und erhalten so ungefähr 370 Watt pro Quadratmeter an kurzwelliger Strahlung, der die gesamte Erdoberfläche im Durchschnitt ausgesetzt ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.