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Früher verspottet, heute gehypt: Pyrit – oft belächelt als „Narrengold“ – entpuppt sich als ein überraschender Klimaakteur. Das goldglänzende Mineral, das optisch an echtes Gold erinnert, aber chemisch gesehen Eisen und Schwefel vereint, wird aktuell von der Klimaforschung neu bewertet. Und plötzlich steht es im Zentrum gleich mehrerer global relevanter Prozesse.

Wenn Eisen, Schwefel und Klima zusammenkommen

Was Pyrit so spannend macht? Seine Entstehung ist eng mit einem der wichtigsten ökologischen Prozesse der Erde verbunden – dem marinen Kohlenstoff-Schwefel-Kreislauf.

In Zeiten sogenannter ozeanischer anoxischer Ereignisse (OAEs) – also Epochen, in denen die Ozeane extrem sauerstoffarm sind – laufen unter Wasser besondere chemische Reaktionen ab: Schwefelwasserstoff, der durch den Abbau organischer Substanz entsteht, trifft auf Eisenverbindungen – und bildet Pyrit. Dieses lagert sich im Meeresboden ab und entzieht der Atmosphäre langfristig Schwefel und Kohlenstoff.

Was bedeutet das konkret?

Weniger CO₂ in der Luft, mehr Puffer im Wasser. Der pH-Wert der Meere bleibt stabiler – und das Klimasystem gerät weniger ins Wanken.

Pyritverwitterung: Der Gegenspieler lauert an Land

So beeindruckend die klimastabilisierende Wirkung von Pyrit im Ozean auch ist – an Land zeigt das Mineral ein ganz anderes Gesicht.

Ein Beispiel liefert das kanadische Mackenzie-Becken. Dort erodieren pyritreiche Gesteinsschichten, beschleunigt durch wärmeres Klima und stärkere Niederschläge. Wenn Pyrit an der Oberfläche verwittert, oxidiert er – und dabei entsteht unter anderem Schwefelsäure. Diese wiederum setzt gebundenes CO₂ aus dem Gestein frei. Das verstärkt die Erwärmung, was wiederum die Verwitterung beschleunigt.

Ein klassischer positiver Rückkopplungseffekt – Pyrit als Klimabeschleuniger.

Und genau darin liegt der wissenschaftliche Reiz: Ein und dasselbe Mineral wirkt je nach Kontext völlig gegensätzlich auf das Klima. Klingt paradox? Ist es auch. Und es zeigt, wie komplex geochemische Systeme wirklich sind.

Mikroben, Minen und mögliche Lösungen

Doch Pyrit hat noch ein weiteres Ass im Ärmel – oder besser: auf der Halde.

In alten Bergbaugebieten wurde beobachtet, dass Pyritverwitterung bestimmte Bakterienarten anzieht. Etwa Sulfobacillus – ein hitzeresistenter Mikroorganismus, der CO₂ aus der Luft fixieren kann. Diese Bakterien nutzen die Oxidationsprodukte des Pyrits und betreiben eine Form der biologischen Kohlenstoffbindung.

Mit anderen Worten: Wo früher Schadstoffe austraten, könnten bald biologische CO₂-Senken entstehen. Denkbar wäre, stillgelegte Minen gezielt für diese Prozesse nutzbar zu machen – als Teil der Sanierung und als Beitrag zum Klimaschutz.

Ein glänzendes Beispiel für unterschätzte Ressourcen

Die Geschichte des Pyrits ist die Geschichte eines unterschätzten Elements im globalen Gefüge. Es erinnert uns daran, dass Klima nicht nur aus Wind, Wetter und Emissionen besteht – sondern auch aus unscheinbaren Mineralien, chemischen Reaktionen und Jahrmillionen alten Zyklen.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das sogenannte „Narrengold“ eines Tages als Klimastabilisator gehandelt wird?

Und wer weiß – vielleicht verbergen sich in anderen „wertlosen“ Materialien weitere Schlüssel zur Stabilisierung unseres Planeten.

Zeit, genau hinzusehen

Pyrit zeigt: Der Teufel – oder die Lösung – steckt oft im Detail. Statt in Gigatonnen CO₂ zu denken, lohnt es sich manchmal, ein einzelnes Mineral unter die Lupe zu nehmen. Denn genau dort, zwischen Eisen, Schwefel und einem Hauch Goldglanz, offenbart sich eine neue Dimension im Kampf gegen den Klimawandel.

Autor: Andreas M. B.