Klingt wie Science-Fiction, oder? Man zieht CO₂ direkt aus der Luft – und macht daraus Benzin oder Kerosin. Doch genau das passiert gerade. Nicht in einem Roman, sondern in Hightech-Anlagen rund um den Globus. Der Begriff dafür: Direct Air Capture, kurz DAC. Eine Technologie, die das Zeug hat, das Blatt im Kampf gegen die Klimakrise zu wenden. Oder doch nicht?
Luft als Rohstoff – ernsthaft?
Ja, ganz genau. DAC funktioniert nach einem simplen Prinzip: Große Ventilatoren saugen Luft an, spezielle Filter fangen das Kohlendioxid heraus. Danach wird es erhitzt, gelöst, komprimiert – und voilà: pures CO₂, einsatzbereit für die nächste Stufe.
Und die? Kann richtig spannend sein. Denn anstatt das CO₂ einfach irgendwo tief unter die Erde zu pumpen, kann man es – mit dem richtigen Know-how – in synthetische Kraftstoffe verwandeln. Klingt verrückt, ist aber chemisch vollkommen logisch.
Von der Atmosphäre in den Tank
Der Trick liegt in der Kombination aus CO₂ und Wasserstoff. Wenn der Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen stammt – etwa durch Elektrolyse mit Solar- oder Windstrom – entsteht ein sogenannter E-Fuel. Dieser synthetische Treibstoff ist klimaneutral, denn das CO₂, das beim Verbrennen wieder freigesetzt wird, stammt ursprünglich aus der Luft und nicht aus fossilen Quellen.
Das Unternehmen Carbon Engineering aus Kanada gehört zu den Pionieren in diesem Bereich. Ihre Technik kombiniert Luft-CO₂ mit grünem Wasserstoff zu flüssigem Treibstoff – benzinähnlich, aber mit sauberem Gewissen. Diese „Air-to-Fuels“-Technologie macht’s möglich, herkömmliche Fahrzeuge weiter zu nutzen, ohne zusätzliche Emissionen zu verursachen.
Technik top – aber zu teuer?
Ein Liter dieser Wunderkraftstoffe kostet allerdings noch ordentlich: Die Abscheidung von einer Tonne CO₂ schlägt derzeit mit 100 bis 300 US-Dollar zu Buche. Ziemlich happig, wenn man bedenkt, dass herkömmliches Kerosin nach wie vor viel günstiger zu haben ist. Aber: Die Kosten sinken – Schritt für Schritt.
Firmen wie Occidental Petroleum setzen große Hoffnungen auf diese Zukunftstechnologie. Sie wollen sogar Carbon Engineering übernehmen – für schlappe 1,1 Milliarden Dollar. Das zeigt, wie ernst die Sache inzwischen genommen wird.
Fliegen mit gutem Gewissen?
Der Luftfahrtsektor gilt als einer der größten Klimasünder – und hat ein gewaltiges Interesse an Lösungen wie DAC. Virgin Atlantic etwa plant einen transatlantischen Flug mit Netto-Null-Emissionen, ausschließlich betrieben mit aus der Luft gewonnenem Kraftstoff.
Das wäre ein Signal an die ganze Branche: Es geht. Es ist machbar. Und es könnte Schule machen.
Und jetzt die Kehrseite
Natürlich gibt’s Kritik. Manche Fachleute sehen DAC als eine Art grünes Feigenblatt: Statt fossile Brennstoffe endlich radikal zu reduzieren, könnten sich Konzerne in Sicherheit wiegen – schließlich saugt man das CO₂ ja später wieder ein, oder?
Auch der Energiebedarf ist nicht zu unterschätzen. DAC braucht Strom, und zwar nicht wenig. Wenn der nicht aus erneuerbaren Quellen stammt, kippt die Klimabilanz schnell ins Negative.
Zudem stellt sich die Frage: Reicht das alles aus? Oder sollten wir nicht lieber die Emissionen an der Quelle kappen, statt sie später mühselig wieder einzusammeln?
Zwischen Hoffnung und Verantwortung
DAC ist keine Wunderwaffe. Aber es ist ein Werkzeug – eines von vielen, das in einem größeren Puzzle eine wichtige Rolle spielen könnte. Besonders dann, wenn es um schwer vermeidbare Emissionen geht, wie sie im Flugverkehr oder in der Zementproduktion entstehen.
Diese Technologie zeigt uns: Es gibt Wege, selbst aus dem Unvermeidlichen noch etwas Gutes zu machen. Aber sie darf nicht zur Ausrede verkommen.
Ein Gedanke zum Schluss
Stell dir vor, in ein paar Jahren tankst du dein Auto – und weißt, dass kein einziges Molekül neues CO₂ in die Atmosphäre gelangt. Klingt wie ein kleiner Schritt? Vielleicht. Aber viele kleine Schritte können den Lauf der Dinge verändern.
Was wir jetzt brauchen, ist Mut – und klare Entscheidungen. Für Technologien, die wirklich was bringen. Und gegen faule Kompromisse.
Denn der Klimawandel wartet nicht. Aber vielleicht wartet die Lösung genau dort – in der Luft, die wir atmen.
Quellen:
- Carbon Engineering: Technologien und Projekte (2025)
- Virgin Atlantic: Pläne für emissionsfreien Transatlantikflug (2025)
- Occidental Petroleum: Übernahmeoffensive im DAC-Sektor (2025)
Von Andreas M. Brucker