Die Klimakrise ist keine ferne Bedrohung mehr – sie tobt jetzt. Und sie reißt dabei tausende Tierarten mit sich. Weltweit geraten ganze Lebensgemeinschaften ins Wanken. Eine neue umfassende Analyse zeigt: Über 3.500 Tierarten sind durch die Erderwärmung konkret bedroht. Eine Zahl, die sich nicht einfach überlesen lässt – denn sie steht für das Verschwinden von Vielfalt, Schönheit und Gleichgewicht.
Der stille Notstand der Artenvielfalt
Eine riesige Datenauswertung aus 35 Tiergruppen – von Spinnen über Meeresquallen bis zu Tausendfüßern – zeigt, dass in sechs dieser Gruppen mindestens ein Viertel aller Arten ernsthaft gefährdet ist. Was früher eine langfristige Sorge war, ist heute akute Realität. Die Erderwärmung verdrängt Wildtiere, zerstört ihre Lebensräume und bringt ihre fein abgestimmten Lebenszyklen durcheinander.
Zudem reiht sich der Klimawandel mittlerweile ein in die Riege der großen Treiber des Artensterbens – direkt neben Übernutzung und Habitatverlust. Die Biodiversitätsplattform IPBES spricht von einer Million Tier- und Pflanzenarten, die am Rande des Aussterbens stehen. Und ja, Klimawandel spielt dabei eine richtig große Rolle. Prognosen warnen: Bei einem Temperaturanstieg von 2 Grad bis Ende des Jahrhunderts könnten 18 Prozent aller Landtiere ihr Überleben riskieren.
Am Rande des Aussterbens
Wer sind diese Arten, die jetzt um ihr Überleben kämpfen?
Eisbären: Sie sind das traurige Symbol des Klimawandels. Im schmelzenden Eis der Arktis verlieren sie ihre Jagdgründe. Statt Robben auf dem Eis zu jagen, müssen sie sich an Land durchschlagen – oft mit leerem Magen. Die Folgen: weniger Nachwuchs, mehr Todesfälle. Wenn’s so weitergeht, könnten bis 2050 zwei Drittel der Eisbären verschwinden.
Clownfische: Diese bunten Unterwasserwesen, die viele aus „Findet Nemo“ kennen, schrumpfen – im wahrsten Sinne. Um in wärmerem Wasser zu überleben, passen sie sich an, werden kleiner. Doch das hilft nur bedingt. Ihre Heimat – die Korallenriffe – stirbt. Und mit ihr der Lebensraum der Clownfische.
Amphibien: Frösche und Salamander nutzen sogenannte Frühlingsgewässer zur Fortpflanzung. Diese temporären Tümpel verschwinden jedoch – durch Bebauung, aber auch durch trockene, heiße Frühjahre. Seit den 60er Jahren gehen Amphibienbestände in den USA jährlich um etwa 4 Prozent zurück. Klingt nicht dramatisch? Hochgerechnet heißt das: In wenigen Jahrzehnten könnte es viele dieser Arten nicht mehr geben.
Ringelrobben: Diese Tiere brauchen dicken Schnee auf festem Eis, um ihre Jungen in geschützten Höhlen zur Welt zu bringen. Aber was, wenn der Schnee nicht mehr fällt? Dann sterben viele der Robbenbabys schon in den ersten Tagen – und mit jeder Generation schrumpft die Population weiter.
Bramble-Cay-Melomys: Diese kleine Nagetierart von einer winzigen Insel vor Australien ist bereits Geschichte. Überschwemmungen, Stürme, steigende Meeresspiegel – ihr winziger Lebensraum wurde ihr Grab. Der erste dokumentierte Säuger, der direkt durch den Klimawandel ausgestorben ist.
Ökosysteme im Ausnahmezustand
Nicht nur einzelne Arten leiden – ganze Lebensräume geraten aus dem Gleichgewicht.
Ein Beispiel: Vor der Küste Südaustraliens hat sich eine giftige Algenblüte ausgebreitet. Über 200 Meerestiere starben, darunter extrem bedrohte Arten wie der Engelhai. Die Algen saugen den Sauerstoff aus dem Wasser, das Meer wird zur tödlichen Falle – wie ein unsichtbares Leichentuch, das sich über das Leben legt.
Oder schauen wir auf die Insekten: Manche – wie Mücken – gedeihen in der Wärme. Aber viele andere, wichtige Arten – etwa Bienen – haben’s richtig schwer. Wenn Pflanzen früher blühen, aber die Insekten noch nicht unterwegs sind, geht die Nahrung flöten. Das betrifft nicht nur die Insekten selbst, sondern auch die Tiere, die sie fressen – und nicht zuletzt uns Menschen. Wer soll dann noch unsere Nahrungspflanzen bestäuben?
Und jetzt?
Die dramatischen Entwicklungen zeigen eines: Wer Biodiversität retten will, muss beim Klimaschutz ansetzen – sofort. Schutzgebiete allein reichen nicht mehr. Es braucht ein Umdenken. Weniger CO₂. Mehr naturbasierte Lösungen. Und ja, auch mehr Forschung – denn nur wenn wir wissen, welche Arten wo und warum verschwinden, können wir gezielt helfen.
Wir stehen an einem Scheideweg. Wollen wir wirklich zusehen, wie immer mehr Arten aussterben – oder packen wir’s gemeinsam an?
Manchmal frage ich mich: Wenn wir das Wissen, die Technik und die Mittel haben – warum handeln wir dann nicht schneller? Und noch eine Frage: Ist es nicht auch eine moralische Verpflichtung, unseren Mitgeschöpfen einen Platz auf diesem Planeten zu sichern?
Klar ist: Der Schutz von Tieren und Pflanzen schützt auch uns. Denn stabile Ökosysteme sichern Nahrung, Wasser und Klima. Und sie machen diese Welt reicher – im schönsten Sinne des Wortes.
Autor: Andreas M. Brucker