Lesedauer: 3 Minuten

Man stelle sich vor: Die Sonne geht über der australischen Küste auf, Boote liegen ruhig im Wasser, die Netze sind ausgeworfen, alles scheint im Lot. Doch unter der Oberfläche brodelt ein Problem, das größer ist als jedes Unwetter. Der Meeresspiegel steigt – langsam, aber unaufhaltsam. Und mit ihm rückt eine existenzielle Krise näher, die Australiens Aquakulturbranche an ihre Grenzen bringt.


Bedrohtes Rückgrat der Küstenregionen

Die Aquakultur – also die gezielte Zucht von Meereslebewesen – ist in Australien mehr als nur ein Wirtschaftszweig. Sie versorgt das Land mit Garnelen, Barramundi und anderen Köstlichkeiten aus dem Wasser. Noch viel wichtiger aber: Sie gibt Tausenden Menschen Arbeit, vor allem in strukturschwächeren Küstenregionen.

Doch nun zeigt eine aktuelle Studie der Griffith University ein düsteres Bild: Bis zum Jahr 2100 könnten ein Drittel der derzeitigen Küstenanlagen überflutet sein. Ein Drittel! Besonders hart trifft es Queensland – dort sind über 43 Prozent der Standorte in Gefahr, im Salzwasser zu versinken.


Cassowary Coast: Vom Vorzeigestandort zum Risikogebiet

Ein Name fällt in der Studie immer wieder: Cassowary Coast. Die Region im tropischen Norden Queenslands ist bekannt für ihre produktiven Aquakulturbetriebe. Doch gerade hier könnten bis zu 71 Prozent der Anlagen überflutet werden, wenn die Emissionen hoch bleiben und der Meeresspiegel – wie prognostiziert – um 0,8 Meter steigt.

Das ist kein Zukunftsszenario aus einem Katastrophenfilm. Das ist die Realität von morgen.

Garnelenfarmen, die bislang in flachen Küstenbereichen florieren, könnten dann buchstäblich baden gehen. Die salzhaltigen Fluten würden nicht nur die Infrastruktur zerstören, sondern auch die Produktionsgrundlage vernichten.


Was das für Menschen bedeutet

Es geht nicht nur um Zahlen oder Prozentwerte – es geht um Existenzen. In vielen Regionen Australiens ist die Aquakultur ein wirtschaftliches Rückgrat. Wenn diese Betriebe wegfallen, verlieren Menschen ihre Jobs, ihre Perspektive, ihren Alltag.

In abgelegenen Gemeinden sind Alternativen oft Mangelware. Wer einmal erlebt hat, wie ein ganzes Dorf um seine Zukunft bangt, weiß: Der Klimawandel ist keine abstrakte Bedrohung – er ist ein sozialer Katalysator, der Ungleichheiten verschärft.

Und dann stellt sich die Frage: Wer hilft den Menschen, wenn das Meer ihnen buchstäblich die Lebensgrundlage wegnimmt?


Was jetzt passieren muss – und zwar schnell

Die gute Nachricht: Wir können etwas tun. Die Studie macht deutlich, dass es Spielraum gibt – aber eben nur, wenn wir jetzt handeln.

Was konkret?

  • Widerstandsfähige Infrastruktur: Höher gelegene Standorte, Deiche, Schutzwälle – das alles kostet, zahlt sich aber langfristig aus.
  • Umsiedlung von Anlagen: Weg von Hochrisikozonen, hin zu sichereren Küstenabschnitten oder gar ins Binnenland.
  • Forschung und Innovation: Welche Arten kommen mit wärmerem, salzhaltigerem Wasser klar? Wie lassen sich Produktionssysteme anpassen?

Gleichzeitig braucht es einen politischen Kurswechsel – hin zu mehr Klimaschutz, mehr Verbindlichkeit, mehr Weitblick. Denn jede Tonne CO₂, die heute eingespart wird, könnte morgen eine Farm retten.


Mehr als nur Technik: Ein gesellschaftlicher Kraftakt

Anpassung ist nicht nur eine Frage der Technik. Es ist auch eine Frage des Miteinanders. Gemeinden, Behörden, Unternehmen – alle müssen an einem Strang ziehen. Förderprogramme, Umschulungsangebote, Investitionen in Bildung und regionale Entwicklung sind mindestens genauso wichtig wie Beton und Stahl.

Und ja, das kostet Geld. Aber was kostet es, wenn wir nichts tun?


Australien als Testfall für die Welt

Was in Australien passiert, ist kein Einzelfall. Küstenaquakulturen weltweit stehen vor ähnlichen Herausforderungen – von Bangladesch über Vietnam bis hin zu den USA.

Australien könnte – wenn es denn will – zum Vorreiter werden. Mit smarten Strategien, mutigen Investitionen und einem klugen Mix aus Technik und sozialem Ausgleich.

Wäre das nicht mal ein positives Signal in dieser krisengebeutelten Klimadebatte?


Zum Schluss: Es geht ums Ganze

Diese Krise betrifft nicht nur ein paar Farmen am Meer. Sie betrifft, was wir essen. Wie wir wirtschaften. Wo wir leben können. Und wie wir als Gesellschaft mit Veränderung umgehen.

Können wir lernen, mit dem Meer zu leben, ohne ihm alles zu opfern?

Oder stellen wir uns der Welle entgegen, solange sie noch nicht über uns zusammenschlägt?

Von Andreas M. B.