Zugegeben – auf den ersten Blick wirkt diese Frage eher wie ein Scherz aus dem Sportunterricht. Aber wer sich ein wenig mit Klimaforschung beschäftigt, merkt schnell: Da steckt mehr dahinter. Viel mehr.
Bevor wir zum berühmten Hockeyschläger kommen, starten wir mit zwei Basics, die oft durcheinandergeworfen werden – obwohl sie grundlegend verschieden sind: Wetter und Klima.
Wetter oder Klima – was ist was?
Stell dir vor, du planst ein Picknick. Das Wetter sagt dir, ob du heute einen Regenschirm brauchst. Das Klima verrät dir, ob du überhaupt einen besitzen solltest. Oder wie Mark Twain es einmal salopp sagte: Klima ist das, was man erwartet – Wetter ist das, was man bekommt.
Wissenschaftlich betrachtet meint „Wetter“ den aktuellen Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort – Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind, Regen oder Sonnenschein. Klima dagegen beschreibt den statistischen Durchschnitt all dieser Wetterdaten über einen langen Zeitraum – meistens über 30 Jahre. Es geht also um Muster, nicht um Momentaufnahmen.
Aber halt – Klima ist noch viel mehr. Es umfasst ein gigantisches System: Ozeane, Atmosphäre, Eisschilde, die Biosphäre und die Wechselwirkungen dazwischen. Ein komplexes Puzzle aus Energieflüssen und Rückkopplungsschleifen, das unseren Planeten am Laufen hält.
Mammatus-Wolken und Launen des Himmels
Ein Beispiel für außergewöhnliches Wetter: Am 11. März 2021 über Berlin – eine dramatische Wolkenformation, sogenannte Mammatus. Sie entstehen, wenn kalte und warme Luftmassen in einer Wolke aufeinandertreffen. Das Resultat? Wölbungen wie Baumwollbüschel am Himmel, wunderschön und etwas unheimlich zugleich.
Solche spektakulären Phänomene zeigen: Wetter ist wild, spontan, schwer berechenbar. Klima hingegen – das folgt langfristigen Regeln. Doch auch diese Regeln sind nicht in Stein gemeißelt.
Klimawandel – immer schon da gewesen?
Wenn das Klima sich sowieso immer verändert hat, warum dann die Aufregung? Gute Frage.
Werfen wir dafür einen Blick in die Vergangenheit – genauer gesagt in die Kreidezeit, als Dinosaurier die Erde bevölkerten. Damals, vor rund 100 Millionen Jahren, war es deutlich wärmer als heute. Die Polkappen? Eisfrei. Die Meere? Viel höher.
Ein Blick auf damalige Klimabedingungen zeigt: Ja, das Klima hat sich schon immer gewandelt. Und ja, es gab Zeiten mit deutlich mehr CO₂ in der Atmosphäre – ausgelöst durch natürliche Prozesse wie gewaltige Vulkanausbrüche.
Vulkane – Klimakiller oder Kühler?
Ein Ausbruch kann kurzfristig abkühlend wirken, weil feine Partikel das Sonnenlicht blockieren. Über Jahrmillionen aber setzen Vulkane CO₂ frei und tragen zur globalen Erwärmung bei. Genau das geschah in der Kreidezeit: Langsame, aber stetige CO₂-Anreicherung – über Millionen von Jahren hinweg.
Und hier liegt der springende Punkt.
Was heute anders ist: Die Geschwindigkeit
Es geht nicht darum, dass sich das Klima verändert – sondern wie schnell. Und da schlägt der Mensch jeden Vulkan mit links. Der CO₂-Ausstoß, den die Natur über Jahrmillionen verteilt, haben wir in nur 150 Jahren in die Atmosphäre gejagt. Ein Wimpernschlag im Vergleich zur Erdgeschichte – aber mit massiven Folgen.
Kann sich das Leben auf der Erde anpassen, wenn alles im Zeitraffer passiert? Können wir? Können Korallenriffe, Gletscher, Agrarsysteme damit umgehen?
Und jetzt kommt er: Der Hockeyschläger
Um das Ausmaß der gegenwärtigen Klimaveränderung zu veranschaulichen, erstellte der Klimaforscher Michael E. Mann vor rund 20 Jahren eine Grafik, die zur Ikone wurde. Sie zeigt die durchschnittliche Temperatur der Nordhalbkugel über die letzten 1.000 Jahre – basierend auf sogenannten Klima-Proxy-Daten wie Baumringen, Eiskernen oder Seesedimenten.
Das Ergebnis: Über Jahrhunderte hinweg dümpeln die Temperaturen stabil dahin – der Griff des Hockeyschlägers. Dann, ab der Industriellen Revolution, schießt die Kurve abrupt nach oben – die Klinge.
Klima-Proxy – Natur als Archiv
Wie kriegen Wissenschaftler raus, wie warm es im Jahr 1300 war, obwohl es keine Thermometer gab? Indem sie die Sprache der Natur lesen. Baumringe verraten, wie gut das Wachstum in einem Jahr war – und damit auch, wie das Wetter war. Eiskerne aus Grönland oder der Antarktis speichern Luftblasen mit alten CO₂-Werten. Sedimente zeigen Staubablagerungen, die auf Trockenperioden hinweisen.
All diese Daten zusammen ergeben ein verblüffend genaues Bild des Klimas über Jahrhunderte und Jahrtausende.
Der Schock: Die jüngste Erwärmung ist einzigartig
Was dabei herauskam, war erschreckend deutlich. Die letzten 1.000 Jahre zeigen kleine Schwankungen – eine mittelalterliche Warmzeit, eine kleine Eiszeit. Doch seit dem 20. Jahrhundert geht die Kurve steil nach oben – viel schneller als je zuvor.
Das nennt man einen Kipppunkt. Und er hat einen Namen: Mensch.
Der Hockeyschläger als Warnsignal
Der „Hockeystick“, wie die Grafik bald genannt wurde, ist kein theoretisches Konstrukt, sondern ein Symbol. Für das, was passiert, wenn wir Erdöl, Gas und Kohle in gigantischen Mengen verbrennen. Für den Einfluss menschlicher Aktivitäten auf das Klima – und für die Dringlichkeit, etwas zu verändern.
Heute gibt es zahlreiche Varianten dieser Grafik, erstellt von Forschungsteams weltweit. Unabhängig von Ort oder Methode zeigen sie alle das gleiche Bild: Die moderne Erwärmung ist beispiellos.
Und wer ist Michael Mann?
Michael E. Mann, heute Professor an der Pennsylvania State University, steht wie kaum ein anderer für die moderne Klimaforschung. Sein Hockeyschläger machte ihn bekannt – und zur Zielscheibe von Klimawandel-Leugnern. Doch er blieb unbeirrt und forscht weiter – für ein besseres Verständnis der Prozesse, die unseren Planeten formen.
Was also tun mit diesem Wissen?
Wieder die Frage: Reicht es, wenn wir Bescheid wissen? Nein. Aber Wissen ist der Anfang. Denn nur, wenn wir verstehen, wie dramatisch sich das Klima wandelt – und wie schnell –, können wir auch entsprechend handeln.
Der nächste Artikel unserer großen Serie taucht noch tiefer ein: Wie funktioniert eigentlich das Klimasystem – und welche Rolle spielt die Atmosphäre? Mittwoch geht’s weiter.
Bleib neugierig. Und bleib laut.