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So sieht es aus, wenn der Himmel über der chinesischen Hauptstadt zusammenbricht. Innerhalb weniger Stunden verwandelten sich Straßen in Flüsse, Dörfer wurden von der Außenwelt abgeschnitten – und zehntausende Menschen mussten ihr Zuhause verlassen. Der Norden Chinas erlebt derzeit eine der heftigsten Überschwemmungen der letzten Jahrzehnte.

Was ist passiert? Und warum trifft uns das so plötzlich und mit solcher Wucht?


Der Regen kennt kein Erbarmen

In einigen Regionen Pekings regnete es innerhalb von nur 13 Stunden mehr als 195 Liter/m2 – fast ein Drittel des durchschnittlichen Jahresniederschlags. Im Bezirk Miyun, etwa 90 Kilometer nordöstlich von Peking, brach das Leben zusammen: ganze Straßen unter Wasser, Stromleitungen abgerissen, Dutzende Dörfer ohne Strom. Die Bilder erinnern an Katastrophenfilme – nur, dass sie echt sind.

Insgesamt verloren 38 Menschen ihr Leben. Allein in Miyun wurden über 17.000 Menschen evakuiert. Und das ist nur ein Bruchteil der mehr als 80.000 Personen, die rund um Peking in Sicherheit gebracht wurden.

Was macht das mit den Menschen, deren Zuhause über Nacht zur Gefahrenzone wird?


Flucht vor dem Wasser – unter Zeitdruck

Rettungskräfte arbeiteten rund um die Uhr. Sie evakuierten Bewohner aus Altenheimen, retteten Kinder aus überfluteten Klassenzimmern, sicherten Menschen auf Dächern, die dort stundenlang ausharrten. Die Regierung stellte Hunderte Millionen Yuan Soforthilfe bereit – doch das Ausmaß der Zerstörung ist gewaltig.

Neben Peking traf es auch angrenzende Provinzen wie Hebei und Shandong. In einem kleinen Dorf kam es zu einem Erdrutsch. Vier Menschen starben, acht gelten als vermisst. Dort, wo der Boden nachgibt, bleibt oft nur Hoffnung. Und die schwindet schnell, wenn Wasser und Schlamm alles überrollen.


Warum es ausgerechnet jetzt so schlimm ist

Natürlich regnet es im Sommer öfter in Nordchina. Aber das hier? Das ist anders.

Die Häufigkeit und Intensität solcher Starkregen-Ereignisse hat weltweit zugenommen – und das ist kein Zufall. Der Klimawandel verändert das Spiel. Höhere Temperaturen führen dazu, dass mehr Feuchtigkeit in der Luft gespeichert wird. Wenn sie sich entlädt, prasselt sie nieder wie aus Eimern.

Ein weiterer Punkt: Die Urbanisierung. Riesige versiegelte Flächen in und um Peking lassen das Wasser kaum noch versickern. Das heißt: Alles fließt – aber nicht ab. Es staut sich, schwappt über, reißt mit.

Was bleibt uns da noch, außer die Wetter-Apps alle 30 Minuten zu checken?


Wenn Infrastruktur zur Lebensfrage wird

Viele der betroffenen Regionen sind topografisch anspruchsvoll: steile Hänge, schmale Täler, schlecht befestigte Straßen. In Miyun etwa führen viele Wege durch hügeliges Gelände – prädestiniert für Erdrutsche.

Und genau hier zeigt sich die soziale Dimension der Katastrophe: Reiche Stadtteile sind besser geschützt. Ländliche Gebiete dagegen? Kaum vorbereitet, oft nur spärlich angebunden an Warnsysteme oder Notfallversorgung.

Wie kann das sein, in einer Welt voller Satelliten, Apps und Künstlicher Intelligenz?


Technologie rettet Leben – aber nur, wenn sie alle erreicht

Dass die Zahl der Opfer nicht noch höher liegt, ist auch den verbesserten Frühwarnsystemen zu verdanken. In einigen Fällen wurden Regionen Stunden vor dem Regen per SMS, Lautsprecher oder Push-Mitteilungen gewarnt. Menschen konnten sich vorbereiten, Häuser verlassen, Sandsäcke stapeln.

Aber diese Systeme erreichen nicht jeden – schon gar nicht die Älteren, die nicht mit Smartphones umgehen. Oder jene, die in abgelegenen Gebieten leben, wo es keinen Handyempfang gibt.

Technologie ist ein Werkzeug. Doch wie bei jedem Werkzeug gilt: Es wirkt nur, wenn es benutzt werden kann.


Die Verantwortung liegt bei uns allen

So ein Ereignis lässt einen nicht kalt – auch mich nicht. Ich erinnere mich an einen kurzen Besuch in einem Pekinger Außenbezirk vor ein paar Jahren. Ruhige Straßen, saubere Luft, lächelnde Kinder, spielend vor kleinen Gemüsegärten. Heute? Stehen dort Rettungsboote, Menschen weinen, alles schwimmt.

Was bleibt, ist das Gefühl: Wir müssen besser vorsorgen. Städte resilienter machen. Daten offen zugänglich gestalten. Frühwarnsysteme so bauen, dass sie alle erreichen – nicht nur die, die eh schon in besseren Verhältnissen leben.


Die nächste Flut kommt bestimmt

Diese Überschwemmung war keine Ausnahme. Sie war ein Ausblick. Auf das, was uns in Zukunft häufiger erwartet. Tropische Nächte, Starkregen, Hitzewellen, Wechsel von Dürren zu Fluten – das alles ist längst keine Theorie mehr.

Klimawandel bedeutet: Das Unvorstellbare wird normal. Die sogenannte „Jahrhundertflut“ passiert plötzlich alle fünf Jahre. Die Anpassung daran ist kein Luxus. Sie ist Überlebensstrategie.


Und was nun?

Es braucht mehr als staatliche Gelder. Es braucht Bewusstsein, Zusammenhalt, mutige politische Entscheidungen. Wir müssen verstehen, dass jede Tonne CO₂ zählt. Jedes Dach, das Wasser speichert. Jede Stadt, die wieder Bäume pflanzt statt Parkplätze betoniert.

Die Natur zeigt uns, wo’s langgeht. Wir sollten endlich zuhören. Bevor es wieder zu spät ist.

Von Andreas M. B.