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Was passiert, wenn politische Schlagworte wie „America First“ auf die Realität globaler Lieferketten treffen? Dann wird es teuer – für die Klimaziele, für Unternehmen und letztlich für Verbraucher:innen. Trumps neuerlicher Kurs in Sachen Handelspolitik bringt nicht nur China ins Grübeln, sondern wirbelt auch die Energiewende in den USA durcheinander.


Erst Förderstopp, jetzt Zollhammer

Schon unter seiner ersten Amtszeit hatte Trump die Förderung erneuerbarer Energien ausgebremst. Jetzt folgt die nächste Stufe: umfangreiche Zölle auf Importe – insbesondere auf Produkte, die für die Produktion von Solar-, Wind- und Batterietechnologie essenziell sind.

Betroffen sind vor allem Bauteile aus der EU, China und Südostasien. Ob Stahl für Windräder oder Lithium-Ionen-Batterien für E-Autos – fast alles wird teurer. Und nicht nur das: Die Lieferketten, die sich über Jahre etabliert haben, drohen zu reißen.


Warum das besonders erneuerbare Energien trifft

Natürlich wirken sich höhere Materialpreise auch auf den Bau von Ölplattformen oder Gasterminals aus. Doch der Bereich der Erneuerbaren steht vor einem besonders großen Schock. Denn hier sind Importe nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall – insbesondere bei Schlüsselkomponenten wie Solarmodulen oder Batteriezellen.

Vanessa Sciarra vom amerikanischen Branchenverband für saubere Energie bringt es auf den Punkt: „Policy Whiplash“ – also ein ständiges Hin und Her bei politischen Rahmenbedingungen – gefährdet nicht nur Investitionen, sondern auch die Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie.


Globale Konsequenzen: Wenn China und die EU zurückschlagen

Zölle provozieren Gegenzölle. Und genau das droht nun: China und die Europäische Union könnten im Gegenzug amerikanische Exporte – etwa von Öl und Gas – mit eigenen Abgaben belegen. Das wäre ein schwerer Schlag für die US-Energiebranche, die sich bislang auf eine starke Nachfrage aus Europa und Asien verlassen konnte.

Die Ironie? Gerade diese Märkte versuchen aktuell, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Ein Handelskrieg macht das nicht nur schwieriger, sondern auch teurer – und untergräbt den ohnehin fragilen internationalen Klimakonsens.


China baut vor – und um

China reagiert längst strategisch. Statt sich weiter auf den US-Markt zu konzentrieren, orientieren sich chinesische Hersteller von Windrädern, Solarpanels und E-Auto-Technologie um. Immer mehr Produkte gehen in den globalen Süden – nach Afrika, Südostasien, Lateinamerika.

Peking plant sogar, komplette Produktionsstätten in Ländern wie Nigeria (für Solarpanels) oder Indonesien (für E-Autos) aufzubauen. Das stärkt nicht nur Chinas geopolitischen Einfluss, sondern sichert langfristige Absatzmärkte – weit entfernt von US-Zollmauern.


Indien als Profiteur

Während China unter den hohen Zöllen leidet, könnte ein anderer Player profitieren: Indien. Das Land wird von den neuen Handelsbarrieren weniger stark getroffen, baut seine eigene Produktion für Solartechnik und Batterien massiv aus – und positioniert sich so als alternative Bezugsquelle für viele Staaten.

Eine geopolitische Verschiebung, die weit über wirtschaftliche Interessen hinausreicht.


US-Investitionen auf der Kippe

Dabei hatten viele Unternehmen gerade erst begonnen, neue Produktionsstätten in den USA aufzubauen – angestoßen durch Steuererleichterungen aus dem Inflation Reduction Act (IRA). Allein im Bereich Solarmodule liegt die US-Kapazität inzwischen bei rund 50 Gigawatt – genug, um den Eigenbedarf theoretisch zu decken.

Doch die Realität sieht komplizierter aus. Denn: Die meisten Komponenten wie Zellen oder Wafer werden weiterhin importiert. Und die Unsicherheit, ob das IRA-Programm unter einer neuen republikanischen Regierung Bestand hätte, lässt viele Investoren zögern. Wer möchte schon Milliarden investieren, wenn politische Kehrtwenden jederzeit drohen?


Zölle als Innovationsbremse?

In der Theorie könnten Zölle die heimische Industrie stärken. In der Praxis jedoch fehlt es an Infrastruktur, Know-how und verlässlicher politischer Unterstützung. Ohne massive Investitionen in Rohstoffverarbeitung, Fertigung und Logistik bleibt das Ziel „Made in USA“ im Bereich der Erneuerbaren eine ferne Vision.

Coco Zhang von der ING bringt es nüchtern auf den Punkt: „Die Risiken für Unternehmen sind schlicht zu hoch.“ Wer seine Lieferkette komplett in die USA verlegen müsste – von der Stahlproduktion über seltene Erden bis zur Endmontage – steht vor einer Herkulesaufgabe mit ungewissem Ausgang.


Und was bedeutet das für die Energiewende?

2024 sollen in den USA rund 93 Prozent der neu installierten Stromkapazität aus Wind, Solar und Batteriespeichern stammen. In vielen Regionen sind Wind- und Sonnenkraft inzwischen die günstigsten Stromquellen. Ein funktionierender Markt also – wäre da nicht die Politik.

Tarife, Förderstopps, rechtliche Unsicherheit – all das bremst genau jene Technologien aus, die im Kampf gegen den Klimawandel entscheidend sind. Und je länger diese Unsicherheiten andauern, desto größer die Gefahr, dass der Umbau des Energiesystems ins Stocken gerät.


Ein Rückschritt mit Folgen

Trumps Handelsstrategie könnte sich als Bumerang erweisen. Denn sie schwächt nicht nur den heimischen Markt für grüne Technologien, sondern verschiebt geopolitische Gewichte – weg von den USA, hin zu Ländern, die strategischer, konsistenter und langfristiger denken.

Die Frage ist: Wie oft lässt sich ein Energiesystem ausbremsen, bevor es kippt?

Von Andreas M. B.