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Wie viel Hitze kann der Mensch wirklich aushalten, bevor der Körper schlichtweg streikt? Diese Frage klingt nach Science-Fiction – ist aber in Zeiten des Klimawandels bitterer Ernst. Eine aktuelle Studie der Human and Environmental Physiology Research Unit (HEPRU) der Universität Ottawa rückt das Thema mit neuer Dringlichkeit ins Rampenlicht.

Die Ergebnisse sind deutlich – und beunruhigend. Sie zeigen: Die physiologischen Grenzen unserer Spezies liegen niedriger als bisher gedacht. Viel niedriger.

Der Körper – ein Hitzeregler mit Grenzen

Stell dir vor, du befindest dich in einem Raum mit 42 Grad Celsius und 57 Prozent Luftfeuchtigkeit. Klingt unangenehm? Für den Körper ist das ein echter Härtetest. Genau diesen Bedingungen setzten die Forscher zwölf gesunde Erwachsene aus – und das über einen ganzen Tag hinweg. Das Ziel? Herausfinden, ab wann unser ausgeklügeltes Kühlsystem versagt.

Die Antwort: schneller als bisher angenommen. Bei einem sogenannten Humidex – also einem kombinierten Maß aus Hitze und Luftfeuchtigkeit – von etwa 62 Grad Celsius stieg die Körperkerntemperatur der Teilnehmenden unaufhaltsam an. Einige mussten das Experiment vorzeitig abbrechen.

Warum ist das so entscheidend?

Weil wir längst in eine Zeit geraten, in der solche Extrembedingungen nicht mehr theoretisch sind. In einigen Regionen der Welt, besonders in Teilen Südasiens und des Nahen Ostens, werden diese Grenzwerte im Sommer bereits regelmäßig erreicht – mit dramatischen Folgen.

Diese Studie bestätigt zum ersten Mal experimentell, was sogenannte Thermal-Step-Protokolle seit fast 50 Jahren nur geschätzt haben: Dass es einen Kipppunkt gibt, ab dem der Körper keine Chance mehr hat, sich zu kühlen. Nicht durch Schwitzen, nicht durch Ruhen – nichts hilft.

Was bedeutet das für unsere Städte?

Ganz ehrlich: Viel. Städte sind Hitzemagneten. Asphalt, Glas und Beton speichern Wärme und geben sie nachts kaum ab – der sogenannte Urban Heat Island Effekt. Und während sich unsere Städte weiter aufheizen, leben dort immer mehr Menschen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Hitzewellen – intensiver, länger, häufiger.

Was also tun? Städteplanerinnen und Architekten müssen diese neuen Daten unbedingt berücksichtigen. Begrünte Dächer, Schatten spendende Strukturen, natürliche Belüftungssysteme, helle Baustoffe – das alles ist nicht mehr nice-to-have, sondern lebensnotwendig.

Ein Weckruf für die Politik

Dr. Glen P. Kenny, einer der Hauptautoren der Studie, bringt es auf den Punkt: „Unsere Forschung liefert wichtige Daten für eine Welt, die sich rapide erwärmt.“ Und damit meint er nicht nur die Forschungsgemeinschaft – sondern auch politische Entscheidungsträger. Denn ohne solide, wissenschaftlich fundierte Grenzwerte wird keine Gesundheitsbehörde in der Lage sein, angemessene Notfallpläne für Hitzetage zu erstellen.

Diese Studie ist ein Instrument – eine Art Thermometer für die Klimakrise. Und sie ist ein Werkzeug für politische Planung. Nur wer weiß, wie heiß zu heiß ist, kann rechtzeitig handeln.

Was bedeutet das für dich und mich?

Vielleicht denkst du jetzt: „Na ja, ich lebe ja in Mitteleuropa, da wird’s schon nicht so schlimm.“ Doch genau das ist der Trugschluss. Auch hier nehmen die heißen Tage zu. Und unser Alltag – von Arbeit über Sport bis Freizeit – ist oft nicht auf extreme Temperaturen ausgelegt.

Wir brauchen mehr öffentliche Kühlräume, bessere Information und gezielte Vorsorge – besonders für vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Kinder oder Menschen mit Vorerkrankungen. Denn nicht jeder hat eine Klimaanlage. Und selbst wenn – ist das wirklich die Lösung?

Ein unangenehmes Gefühl – aber auch eine Chance

Ja, dieser Text macht vielleicht ein bisschen nervös. Aber genau darin liegt auch die Kraft dieser Studie. Sie bringt harte Fakten auf den Tisch. Sie zeigt, wie verletzlich der menschliche Körper ist – und wie eng unser Spielraum wird, wenn wir den Klimawandel nicht eindämmen.

Aber sie öffnet auch die Tür für bessere Entscheidungen. Für klügere Städteplanung, fairere Gesundheitsvorsorge, gezieltere Klimapolitik. Es liegt an uns, daraus etwas zu machen.

Denn am Ende bleibt eine simple Wahrheit: Wir können die Physik nicht überlisten – aber wir können lernen, klüger mit ihr zu leben.

Autor: MAB